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Sorgen und Erfolge

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Die Landwirtschaft ist in ihrer Produktion am meisten von der Natur und insbesondere vom Klima abhängig und kann schon aus diesem Grunde mit jedem Jahresende von einer Wende sprechen. Hinsichtlich dieses natürlichen Abschlusses in der Jahresproduktion kann die Land- und Forstwirtschaft trotz mancher für die betroffenen Gebiete äußerst schmerzvoller Einbußen durch Naturkatastrophen, im Frühjahr durch eine mehrere Wochen lange Dürreperiode, während des Sommers durch eine Windkatastrophe in Oberösterreich und durch Wasser- und Vermurungsschäden fast einmaligen örtlichen Ausmaßes in der Steiermark und Kärnten sowie durch örtliche Hagelschläge, doch im großen und ganzen mit der Ernte zufrieden sein. Die Getreideernte liegt infolge der vorerwähnten Trockenperiode in der ersten Wachstumszeit unter dem Durchschnitt und wird daher bei Futtergetreide etwas höhere Importe notwendig machen als in den früheren Jahren. Die Hackfruchternte, also die Ernte in Kartoffeln, Mais und Rübe, insbesondere Zuckerrübe, entspricht einem guten Durchschnitt; der Absatz in diesen Produkten konnte in gewohntem Rahmen ohne besondere Störungen oder Preiseinbußen abgewickelt werden.

Etwas schwieriger gestaltete sich der Absatz in den Produkten des Wein- und Obstbaues. Die gute Ueberwinterung und vor allem der reiche Blütenansatz brachten eine Rekordobst-und eine überdurchschnittliche Traubenernte. In beiden Zweigen gab es daher zur Zeit der Ernte empfindliche Preiseinbrüche, so daß der große Erntesegen nicht auch gleichzeitig als solcher von den Wein- und Obstbauern in den Einnahmen betrachtet werden konnte. Im Weinbau ist es vor allem mit Hilfe der in den letzten Jahren und auch heuer wieder verstärkt eingesetzten genossenschaftlichen Einrichtungen gelungen, das Massenangebot, hauptsächlich der kleineren Winzer ohne entsprechende Kellereieinrichtungen, durch die Genossenschaften aufzufangen und so einen ärgeren Preisverfall zu verhüten. Nicht in gleichem Maße ist dies bei Obst gelungen, weil es auf diesem Sektor noch verhältnismäßig wenig funktionierende Obst-j veraertungsgenossensehaftcn gibt. Immerhin aber ist es gelungen, die drei großen landwirtschaftlichen Obstverwertungsbetriebe in Kollendorf, Niederösterreich, Gleisdorf in der Oststeiermark und Erms in Oberösterreich durch Bereitstellung von ERP-Krediten dahin zu bringen, Obstsaftkonzentrieranlagen zu errichten, mit deren Hilfe es zur Erntezeit möglich war, etwa 1000 Waggon Aepfel zu Obstsäften beziehungsweise Konzentraten zu verarbeiten und damit auch einigermaßen absatz- und preisregulierend zu wirken. Wenn daher in der Presse dem Landwirtschaftsministerium vorgehalten wird, daß es nur für eine erhöhte Verwertung in der Richtung auf Obstbrände Schritte unternommen habe, so ist das unrichtig und irreführend. Das Landwirtschaftsministerium ist von der heurigen Obstverwertung keineswegs befriedigt und wird daher, so wie dies in den letzten Jahren vorsorglicherweise bereits begonnen wurde, weiterhin allen Maßnahmen für eine bessere Obstsortierung und Obstvermarktung und vor allem für die Obstverwertung in der Richtung der Obstsäfte und Obstkonzentrate seine Unterstützung und Förderung angedeihen lassen.

Im übrigen wurde sowohl in den Obst- wie auch in den Gemüseprodukten im Einvernehmen mit den drei Kammern ein Zoll- und Kontingentregime eingeführt, das unter dem Namen Vier-Phasen-System bekannt geworden ist und das sowohl den Wünschen der Produzenten wie auch der Konsumenten bestens Rechnung trägt. Dies geschieht dadurch, daß nur in jenen Zeitphasen, in denen die Inlandsproduktion den Markt reichlich und billig befriedigt, der Zoll und das Einfuhrregime voll wirksam sind, daß in den Uebergangsphasen vor und nach der Ernte diese beiden Einfuhrregulative nur beschränkt wirksam gehalten werden und in der Zeitphase, wo die Inlandsproduktion noch nicht oder nicht mehr den Markt beliefern kann, die Obst- und Gemüsepositionen zoll- und kontingentfrei gestellt werden, so daß den Konsumenten die entsprechenden Waren zu den niedrigeren Preisen des Weltmarktes, hauptsächlich der südlichen Länder, zur Verfügung gestellt werden.

Auf dem Vieh- und Fleischsektor konnte mit Hilfe des Viehwirtschaftsgesetzes der Absatz in geordnete Bahnen und der Preis in den sogenannten Preisbändern gehalten werden. Auch auf diesem Gebiet wird ein Einfuhrregime gehandhabt, das in ähnlicher Weise wie beim Vierphasensystem die Einfuhr dann und insoweit freigibt, als das Inland den Bedarf nicht voll decken kann, dagegen in jenen Zeitphasen Marktentlastungsmaßnahmen bzw. Exporte zuläßt, in denen die Märkte vom Inland überliefert werden. Dadurch ist es gelungen, die in den letzten Jahren immer wieder geradezu zyklisch auftretenden Preisderouten aufzufangen, aber auch umgekehrt die vornehmlich in den Sommermonaten, infolge des gesteigerten Fremdenverkehrs vorkommenden Preisüberschreitungen, an denen auch die Landwirtschaft kein Interesse hat, im Preisband einzufangen.

Weniger glücklich gestalteten sich die Preis-und Absatzverhältnisse in der Milchwirtschaft. Die in den letzten Jahren forcierten Förderungsmaßnahmen in der Grünlandwirtschaft, Tierzucht und Milchwirtschaft bewirkten einen stärkeren Anstieg der Milchproduktion als im Verbrauch, so daß sich insbesondere bei Butter Ueberschüsse ergaben, die nur mehr im Exportwege untergebracht werden konnten. Da sich die gleiche Erscheinung auf der ganzen Welt, insbesondere aber in den europäischen Ländern, zeigt, führten die Exportüberschüsse in den zwei schließlich noch aufnahmsfähigen Ländern Italien und England zu katastrophalen Preisderouten bei Butter. Davon waren auch unsere Butterexporte schwerstens betroffen, so daß die Preiseinbußen beim Butterexport mangels anderer öffentlicher Stützungsmittel von den milchproduzierenden Landwirten durch Einführung des sogenannten Krisenfonds gedeckt werden mußten. Die österreichische Landwirtschaft hat zwar auch durch eine Reihe von Inlandsmaßnahmen, und zwar durch die Abgabe von Butter an Spitäler, Rentner und Arbeitslose zu niedrigen Preisen, durch eine zweimalige Ver-billigungsäktion für den allgemeinen Konsum, sowie schließlich auch durch eine Rücklieferung von Butter und Käse an die Produzenten versucht, den Schwierigkeiten zu begegnen. Eine entscheidende Besserung der Situation ist aber erst durch das Wirksamwerden der vorerwähnten Maßnahmen in allen europäischen Ländern und somit durch die Erhöhung der Butterpreise auf den beiden europäischen Märkten in Italien und in England und letzten Endes auch durch die Auswirkungen der Dürreperiode im Vorsommer eingetreten. Hierdurch konnte wieder die Produktion mit dem Absatz einigermaßen in Einklang gebracht werden, so daß wir hoffen, den Krisengroschen in naher Zukunft wieder abbauen und damit den der Landwirtschaft vor zwei Jahren infolge der erhöhten Produktionskosten mit Zustimmung aller drei Kammern und der Regierung bewilligten Milchpreis wieder auszahlen zu können.

Wenn uns also das abgelaufene Jahr auf dem Gebiet der Milchwirtschaft so große Sorgen in der Aufrechterhaltung des Preises gemacht hat, so wollen wir immerhin mit Genugtuung festhalten, daß durch die getroffenen Maßnahmen wenigstens der Absatz selbst ohne Störungen oder Stockungen für die Landwirte und die Konsumenten in voller Ordnung abgewickelt werden konnte. Diese Ordnung verdanken wir den Wirtschaftsgesetzen, auf dem Milchwirtschaftssektor dem Milchwirtschaftsgesetz, auf dem Vieh- und Fleischsektor dem Viehverkehrsgesetz und auf dem Getreidesektor dem Getreidewirtschaftsgesetz. Es ist daher begreiflich, daß die Vertreter der Landwirtschaft an der Aufrechterhaltung dieser Marktordnungsgesetze festhalten und daher die Wirtschaftsgesetze als wesentlicher Teil in das von mir seit Jahren vertretene Landwirtschaftsgesetz aufgenommen wurden. Zu meinem größten Bedauern ist es leider nicht gelungen, bei dem Koalitionspartner das von mir in zahllosen Besprechungen und Sitzungen mit Geduld und Zähigkeit vertretene Landwirtschaftsgesetz durchzusetzen. Es ist wohl

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