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Zwischen Biokost und Fast food

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Unterschiedliche Tendenzen im Verbraucherverhalten registriert der Österreichische Lebensmittelbericht, der heuer erstmals veröffentlicht worden ist (siehe furche 36/1997). Einerseits wird eine wachsende Nachfrage nach frischen Lebensmitteln und nach Bioprodukten registriert. Bauernmärkte und Ab-Hof-Verkauf kommen gut an. Bioprodukte haben ihren Weg in die Be-gale von Supermärkten gefunden.

Auf der anderen Seite werden immer mehr verzehrfertige Gerichte nachgefragt und die heimische Erzeugung von Lebensmitteln gerät unter massiven Druck der internationalen Konkurrenz.

Dieser Effekt dürfte weiter an Bedeutung gewinnen, hat doch die Öffnung der Märkte mittlerweile zu einem immer intensiveren weltweiten Handel auch mit Agrarprodukten und Lebensmitteln geführt.

Massive Konzentration

Begünstigt wird dies durch ausgeprägte Korizentrationstendenzen im Lebensmittelhandel. In Österreich weisen die zwei größten Unternehmen (Billa und Spar) zusammen einen Marktanteil von 55, die größten vier von fast 80 Prozent auf. Auch auf europäischer Ebene setzt sich diese Konzentration derzeit massiv fort. Multinationale Großunternehmen spielen auf dem Lebensmittelmarkt eine beachtliche Bolle.

Das hat klarerweise Konsequenzen für das Angebot an Nahrungsmitteln. Es berücksichtigt zwar auch Konsumentenwünsche, richtet sich aber insbesondere nach den Erfordernissen und Möglichkeiten der großen Einkaufs- und Vertriebssysteme. Das hat zur Folge, daß kleine Anbieter kaum mehr Partner für die Vertriebsgiganten sind. Auch bedeutet der Einkauf in großen Mengen einen enormen Druck auf die Produzentenpreise. Darüberhinaus geht der Trend dahin, möglichst normierte Produkte zu beziehen, also beispielsweise Weinsorten mit gleichbleibender Qualität und - bei entsprechendem Erfolg - in ausreichender Menge. Diesen Anforderungen auf den Auslandsmärkten zu genügen, fällt beispielsweise Österreichs kleinstrukturierter Weinerzeugung schwer.

Die starke Konzentration im Handel trägt dazu bei, daß der ohnedies bestehende Trend zu einer industrialisierten I-andwirtschaft weiter verstärkt wird. Die Folge: Massentierhaltung, Schnellwüchsigkeit, Kraftfutter, Züchtung für Höchstleistungen kennzeichnen trotz mancher Erfolge der biologischen Landwirtschaft weiterhin die Lage. Das wiederum erfordert den Einsatz von Hormonen, Antibiotika und importierten Futtermitteln. In der Schweinezucht bedeutet das beispielsweise, daß heute vielfach das sogenannte Mastendgewicht von 100 Kilo schon nach einem halben Jahr erreicht wird. In der letzten Zeit vor der Schlachtung legen diese „Turbo-Schweine" fast zwei Kilo pro Tag zu. Klarerweise funktioniert dies nur, wenn man die Tiere mit ent-züngshemmenden und schmerzstillenden Präparaten traktiert, sind doch deren Gelenke der allzu schnell wachsenden Körperlast nicht gewachsen.

Weil die Tiere außerdem meist auch auf viel zu engem Baum gehalten werden, leiden sie unter Streß, sind krankheitsanfällig und müssen auch aus diesem Grund mit Medikamenten - vielfach eben mit Antibiotika - traktiert werden. Diese Stoffe finden sich dann im Fleisch, das wir konsumieren, wieder. Mittlerweile ist nachgewiesen, daß die bedenkliche Antibiotika-Besistenz, die sich unter den Menschen ausbreitet, nicht zuletzt auf den Konsum solchen Fleisches zurückzuführen ist. Außerdem sind die Schweine durch Züchtung auf fettarme Sorten umgerüstet worden, was der Qualität dieser Nahrung nachgewiesenermaßen geschadet hat.

Ähnlichen Trends unterliegt die Zucht von Hühnern oder Kälbern. Nach wie vor aber lassen sich viele Konsumenten mit sensationellen Schnitzelpreisen anlocken.

Diese wirtschaftliche Logik bringt die naturnah produzierenden Wirtschaften trotz aller Beteuerungen, daß „Bio" ein Megatrend sei, in Bedrängnis. Dementsprechend schreitet der Konzentrationsprozeß in der Landwirtschaft rapid voran.

Die Gentechnik stellt in all diesen Belangen neue Wundermittel in Aussicht. Man äußert die Hoffnung, in absehbarer Zeit Produkte gewissermaßen nach Maß schneidern zu können, um ihre Erzeugung und Verwendung zu erleichtern. Das Paradebeispiel ist die Anti-Matsch Tomate, bei der es gelungen ist, durch genetischen Eingriff den Alterungsprozeß deutlich zu verlangsamen. Öder jene kanadische Lachsart, die dank eines Antifrostgens des Kabeljaus auch in kälteren Gewässern gedeiht (siehe Furche 23/1995).

Bohstoffe und Nahrungsmitteln werden also voraussichtlich noch handhabbarer und kostengünstiger in der Verwertung, noch transportfähiger, haltbarer und für das Auge gefälliger werden. Was ihre Zuträglichkeit anbelangt, wird man erst nach längerem Massenkonsum wissenschaftlich belegte Aussagen machen können.

Begünstigt wird diese Entwicklung nicht zuletzt durch die Politik der Europäischen Union. Indem sie nationale Vorschriften vereinheitlicht und internationale Standards festlegt, schafft sie günstige Voraussetzungen auch für die Vereinheitlichung der Märkte und somit für Massenproduktion.

Das ganze Jahr Salat

Die Befürworter der Entwicklung sehen die Dinge natürlich positiv. Hervorgehoben wird die enorm gestiegene Vielfalt des heutigen Speisezettels, das saisonunabhängige Angebot von frischem Obst und Gemüse (Kirschen und Erdbeeren im Winter, Äpfel im Frühsommer, das ganze Jahr hindurch grünen Salat), die breite Palette von Tiefkühlangeboten und Fertiggerichten, die den meist doppelbelasteten Frauen das lieben erleichtern. Aus der Sicht der Produzenten stellt sich die Kritik an der industrialisierten Lebensmittelherstellung als Übertreibung von Öko-Wissenschaftlern und Medienmachern dar. Außerdem trage die Wirtschaft der Vorliebe für Bio-Produkte durch entsprechende Angebote in den Supermarktketten ja bereits Bechnung.

Die Werbung sorgt jedenfalls dafür, daß die Produkte schon den kleinen Kindern ans Herz wachsen. Nahrungsmittel sind in fast allen Ländern jene Produkte, die bei jener Werbung, die auf Kinder ausgerichtet ist, die größte Bolle spielen. Besonders im Vordergrund stehen die Süßwaren. Aber auch Getränke, Snacks und Milchprodukte werden schon den Kindern schmackhaft gemacht.

Mehr Ubergewichtige

Zweistellige Milliardenbeträge im Jahr verschlingen allein in den Vereinigten Staaten die Werbespots, die Vier- bis Zwölfjährige für Eis oder Cornflakes begeistern sollen. Den „Erfolg" dieser Bemühungen registrieren dann die Kinder- und Schulärzte. Sie prangern regelmäßig das unter der Jugend grassierende Ubergewicht, das aber vielfach auch auf Bewegungsmangel zurückzuführen ist, an.

Eine englische Untersuchung - deren Ergebnisse im großen und ganzen auch für andere Länder repräsentativ sein dürfte - ergab, daß die beworbenen Produkte vom gesundheitlichen Standpunkt meist problematisch sind: 62 Prozent von ihnen sind sehr fett-und 50 Prozent stark zuckerhaltig. 61 Prozent wiederum weisen einen hohen Salzanteil auf. Für gesündere Nahrungsmittel, etwa Obst oder Gemüse, wird nur wenig geworben.

Nicht nur was Kinder und Jugendliche essen, gibt also Anlaß zur Sorge, bedenklich sind ihre Eßgewohnheiten auch in anderer Hinsicht. Folgendes ergab eine Befragung an höheren Schulen in Linz: Nur 27 Prozent der Schülerinnen und 47 Prozent der Schüler gaben an, regelmäßig ein Frühstück zu essen. Schlecht ist es nach Auskunft der Schüler auch ums Mittagessen bestellt. Vor allem aufgrund der oft weiten Heimreise nehmen 79 Prozent von ihnen kein regelmäßiges Mittagessen zu Hause ein. Für sie gibt es Wurstsemmeln (22 Prozent), Essen beim Würstelstand (18 Prozent) oder im Fast food-Lokal (17 Prozent): Ein Form der Ernährung, die an die Grenzen der Selbstschädigung reiche, wird in der Untersuchung festgehalten.

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