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Bio-Schnitzel mit Oko-Ketchup

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Bereits 85 Prozent aller Österreicher kaufen ihre Lebensmittel in Supermärkten. „Die Kooperation mit den Handelsketten war die einzige Chance, die Nische der Ökofreaks zu verlassen und einen wirklichen Markt für Bioprodukte schaffen zu können", sagt Herbert Allerstorfer, Marketingchef des größten österreichischen Biobauernverbandes „Ernte für das Leben". Waren die Fundis unter den Ökobau-ern anfangs skeptisch gegenüber der Allianz mit den großen Supermarktketten, brachte sie der Erfolg zum Schweigen und zum Verkaufen.

Die Handelskette „Billa" hat im Herbst 1994 als erste mit der Eigenmarke „Ja! Natürlich" den Einstieg ins Biogeschäft gewagt. Heute stehen bereits rund 100 Produkte biologischen Ursprungs in den Regalen. Öb Cremespinat, Trinkmolke, Bergkäse, Sonnenblumenbrot, Sauerkraut oder Rindsschnitzel: Ja, natürlich - alles biologisch. Nur wenige Monate nach „Billa" ist „Spar", ebenfalls mit eigener Marke, „Natur pur", auf den Biozug aufgesprungen. ADEG, Meinl und andere Märkte sind bereits gefolgt, Metro Österreich wird in Kürze „Bio" anbieten.

Wenn sich bei den Angaben über die Umsätze im Biogeschäft Taktik und Realität auch unentwirrbar verknoten: Der Biokuchen ist nahrhaft und gewinnträchtig. Innerhalb eines Jahres hat sich - so Allerstorfer — das Verkaufsvolumen von 500 Millionen auf zwei Milliarden Schilling vervierfacht, 1996 wird eine Zuwachsrate von 50 Prozent erwartet. Je nach Produktgruppe wird den biologischen Lebensmitteln ein Anteil von fünf bis 30 Prozent prognostiziert. Besonders zufrieden zeigt man sich mit dem Milchsektor: Jedes vierte bei Billa verkaufte Joghurt ist bereits aus dem „Ja! Natürlich"-Sortiment. Spar hat bei Butter auf Anhieb zehn Prozent erreicht.

Bei Spar beträgt der Anteil an verkauften Bioprodukten durchschnittlich ein bis zwei Prozent aus jeder Warengruppe. „Je weiter sich das biologische Produkt vom Rohzustand entfernt, desto geringer die Aufmerksamkeit", muß Philipp Markl von Spar erfahren, denn naturbelassenes

Die Bio-Welle

hat auch simple Ursachen: die Konsumenten müssen ihre Eßgewohnheiten kaum ändern und tun trotzdem etwas für ihre Gesundheit.

Aussehen ist das Kennzeichen, das der Konsument gefühlsmäßig mit Bio verbindet. Und zur Zeit auch ein Kriterium für den Kauf. „Biomarken in Supermärkten sind wie ein Komet aufgegangen und sind - manchem Skeptiker zum Trotz - nicht wieder verglüht, sondern zu Fixsternen geworden", resümiert Allerstorfer.

Mit „Bio" wird im Supermarkt eine neue „Lebensqualität" präsentiert. Noch dazu bequem zu erlangen: Nicht einmal auf das praktische Tetrapack für Milch braucht der Konsument zu verzichten. Produzenten und Marketingexperten haben das Image des „Körndlfrustes" (je ge-

schmackloser, desto bio), das lange Zeit den Bioprodukten anhaftete, in „Lebenslust" verwandelt: „Man schmeckt den Unterschied", betont Billa unermüdlich. Allerstorfer ergänzt: „Ein Bioprodukt läßt sich nur bei zumindest gleicher Geschmackqualität wie ein herkömmliches Produkt verkaufen. Wenn wir mit einem Produkt noch nicht so weit sind, dann kommt es nicht die Regale."

Köstlich und gesund sind keine Gegensätze mehr. Die Werbung überfährt den Konsumenten aber nicht mit Gesundheitsargumenten. Denn seinen gewohnten Lebensstil möchte er sich nicht in Frage stellen lassen. „Bio light" genügt. „Wer gerne Schweinsschnitzel ißt, will ein biologisches Schweinsschnitzel und keinen Vortrag über tierische Fette", meint Ludwig Maurer vom Boltzmann Institut.

Untersuchungen ergaben, daß nur fünf Prozent der Bevölkerung zum harten Kern der Bio-Konsumenten zählen, bei dem die Ganzheitlichkeit von Ernährung im Vordergrund

steht. Diese Gruppe bildet die Stammkundschaft in Bio- und Hofläden. Weitere 25 Prozent der Bevölkerung verbindet mit biologischen Lebensmitteln einen zusätzlichen Nutzen: ein diffuses Wissen über die gesundheitlichen Aspekte von Bionahrung, den besseren Geschmack und Solidarität mit Umwelt und Tier. Eine stets wachsende Zahl von Menschen möchte mit ihrer Kaufentschei-dung einen Beitrag zur „Zukunft der Natur" und einen verantwortlichen Umgang mit den Tieren leisten. Verbleiben die für die Marketingfachleute besonders interessanten 70 Prozent, die ohne ideologischen Hintergrund hin und wieder zu Bio greifen, manchmal sogar, ohne (!) zu bemerken, daß sie ein biologisches Lebensmittel gekauft haben: Die gute Plazierung des Produkts und die Werbung waren ausschlaggebend.

Der Bio-Erfolg der Supermärkte hängt für Markl auch am glücklichen Zeitpunkt der Einführung: „Gerade im Jahr des EU-Beitritts hatten die Österreicher Angst, mit gentechnisch veränderten und mit Gift vollgepumpten Lebensmitteln überschwemmt zu werden. Mit dem Griff zu Bioprodukten konnten sie sich selbst diese Furcht nehmen."

Unbestreitbar hat die Werbung einen beträchtlichen Anteil am österreichischen Bioboom. Die Giganten Spar und Billa sind seit einem Jahr in allen heimischen Medien allgegenwärtig: mit ihren Botschaften und zweistelligen Millionenbeträgen an

Werbebudget. Auch die Biobauern naschen noch an der für sie kostenlosen Werbung mit. So ist der Verwenderkreis von Bioprodukten (mindestens ein Produkt regelmäßig) von 54 Prozent der Bevölkerung (1993) auf 71 Prozent (1995) angewachsen. Im selben Zeitraum hat sich auch die Nachfrage auf den Bauerrfmärkten verdoppelt, der ab Hof Verkauf ist -trotz Supermärkten - gleichgeblieben. Zuwachsraten haben auch Re-

formläden und kleine Lebensmittelfachgeschäfte mit Biosortiment zu verzeichnen.

Alfred Schwendinger kann der neuen Entwicklung' dennoch nichts abgewinnen. Der Waldviertier Landwirt und Vorstand der Erzeuger-Verbraucher Initiative EVI mit Geschäften in Zwettl, Krems und St. Pölten: „Mit dem Einstieg der Supermärkte in die Bio-Szene mußten wir den Preis für einen Liter Flaschenmilch von 16 auf zwölf Schilling senken. Zum Glück konnten wir den Absatz wieder stabilisieren." Der Ernteverband habe sich von den Supermarktmanagern über den Tisch ziehen lassen und die Preise ruiniert, grollt er. Hans Gahrleitner, Obmann des kleinen Biobauernvereins „Erde und Saat", fordert vehement eine Bückkehr zu Erzeuger-Verbraucher Initiativen und zu Hofläden: „Der Konsument muß dem Erzeuger in die Augen schauen können und sich nicht auf Gütesiegel verlassen müssen." Dann wird er auch bereit sein, höhere Preise zu zahlen. Aber nicht mehr als | 20 Prozent gegenüber den kon-l ventionellen Produkten, wissen Meinungsforscher. Die Supermärkte akzeptieren diese Schmerzgrenze und das dürfte zu ihrem Verkaufserfolg beitragen.

Mit einem Dosengulasch von In-zersdorfer ist in Österreich seit März 1996 übrigens auch schon die erste „Biokonserve" auf dem Markt. Der Autor ist

freier Journalist in Oberösterreich.

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