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Die Aktion "Faire Wochen" soll den Konsumenten bewusst machen, dass ihre Kaufentscheidungen Existenzen sichern - oder eben nicht. Derzeit findet das Programm in Wien statt.

Irgendwann wird es den fair gehandelten Mercedes aus Nicaragua geben", formuliert Helmut Adam, ehemaliger Leiter der österreichischen Südwind Agentur für Entwicklungszusammenarbeit, seine Zukunftsvorstellung. "Ich bin eben ein Visionär", lacht er. Aber auch wenn er selbst nicht ganz an die gerechte Nobelkarosse aus der Dritten Welt glauben will, sieht er doch realistische Chancen, den Fairen Handel erheblich auszuweiten: "Fünf Prozent des Weltmarktes sollten erreichbar sein, bei Bananen sind sogar 20 Prozent realistisch." Eine optimistische Einschätzung, wenn man die aktuellen Zahlen bedenkt. Denn derzeit beträgt der Anteil der gerecht produzierten und gehandelten Produkte nur 0,1 Prozent: Jährlich werden Waren im Wert von viertausend Milliarden US-Dollar gehandelt, davon faire Produkte, vor allem Kaffee, Tee, Kakao und Obst sowie Handwerkserzeugnisse, im Wert von vier Milliarden Dollar.

Um den Anteil der gerecht gehandelten Produkte zumindest in Österreich zu erhöhen, veranstaltet die Südwind Agentur gemeinsam mit Trans Fair Österreich die Aktion "Faire Wochen", die derzeit in Wien Station macht: Bis 22. Dezember sollen hier zahlreiche Veranstaltungen wie Verkostungen, Filmvorführungen und Diskussionen die Fair Trade-Produkte ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Auf dem Christkindlmarkt am Spittelberg ist eine Vielzahl der Produkte erhältlich, die "Bananen-Bim", eine knallgelbe Straßenbahngarnitur mit BananenMuster, fährt entlang der Wiener Ringstraße und bietet nicht nur eine Mitfahrgelegenheit, sondern ist auch Veranstaltungsort zahlreicher Workshops.

Kriterien für Gerechtigkeit

Die Kriterien, die Erzeugnisse erfüllen müssen, um als gerecht produziert und gehandelt zu gelten, gibt die europäische Fairtrade Labelling Organisation (FLO), die Dachorganisation von 17 nationalen Vereinen zur Förderung des gerechten Handels, darunter Trans Fair Österreich, vor. Sie sind je nach Produktionsweise unterschiedlich: Bei Kaffee etwa, der zu einem großen Teil von Kleinbauern auf ihrem eigenen Grund und Boden angepflanzt wird, steht der faire Preis im Vordergrund. Tee dagegen wird hauptsächlich auf Großplantagen angebaut, hier müssen vor allem die Arbeitsbedingungen und Löhne entsprechende Niveaus erreichen, in den Betrieben müssen demokratische Strukturen vorherrschen. Aber auch naturnahe Produktion, also der möglichst geringe Einsatz von Agrarchemie, sowie die Bereitschaft, auf lange Sicht auf Bio-Landwirtschaft umzustellen, sind nötig für eine Teilnahme an dem Vertriebssystem. Zusätzlich müssen die Importeure garantieren, dass sie die Produkte nicht über Zwischenhändler beziehen, die den Bauern oft nur die Hälfte des Preises zahlen, der an den Rohstoffbörsen notiert wird. Gemeinsam mit Wirtschaftsprüfern und Gewerkschaften überprüft die FLO die Einhaltung der Kriterien.

Eines der wichtigsten Produkte des Fairen Handels ist Kaffee, der aus Zentral- und Südamerika, Asien und Afrika kommt. So ist etwa Mexico eines der fünf wichtigsten Kaffee produzierenden Länder der Erde, in dem mehr als zwei Millionen Bauern Kaffee anpflanzen. Einer davon ist Augustino Hernández. In Lagunilla, im Süden des Landes, besitzt und bewirtschaftet er mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen ein 1,5 Hektar großes Stück Land auf den Hügeln von San Pedro Pochutla.

Chemische Düngemittel, Pestizide und Herbizide gibt es auf seiner kleinen Kaffeeplantage nicht, denn die Familie Hernández ist Mitglied der Kooperative La Trinidad, welche Biokaffee nach Europa und in die USA verkauft, der Kaffee der Kooperative trägt das europäische Trans Fair Gütesiegel. Hernández und die anderen Kleinbauern können von ihren Einkünften aus den Plantagen leben und ihre Familien ernähren. Denn sie bekommen nicht den Weltmarktpreis von derzeit 1,21 Euro pro Kilo Kaffee, sondern mehr als das Doppelte: 2,74 Euro. Zusätzlich erhalten sie fixe Zahlungen für soziale Projekte und Infrastrukturverbesserungen. Wofür genau diese Prämien eingesetzt werden, bestimmen die Mitglieder der Kooperative selbst.

"Das Geld wird zum Beispiel verwendet, um eine Wasserleitung zu bauen, eine Schule oder eine Krankenstation", erklärt der Sprecher von Trans Fair Österreich, Rainer Stoiber. So können die Bauern selbst investieren, ohne in neuerliche Abhängigkeit von Geldgebern zu gelangen, die immense Zinsen verlangen würden, wie Stoiber weiter ausführt: "Durch die Überproduktion der großen Konzerne ist der Kaffeepreis derzeit so niedrig, dass es für die Kleinbauern genau genommen wirtschaftlich effizienter wäre, den Kaffee auf den Sträuchern hängen zu lassen. Denn wenn man bedenkt, dass eine Kleinbauernfamilie im Durchschnitt jährlich etwa 800 Kilo Kaffee ernten kann, sieht man, dass vom Weltmarktpreis keiner leben kann." Und hier kämen die Zwischenhändler ins Spiel, die den Bauern zwar Kredite gewähren würden, die jedoch nicht zuletzt aufgrund der hohen Zinsen faktisch nicht rückzahlbar wären. Und da die Bauern als Sicherheit ihr Land verpfänden müssen, verlieren sie es und wandern in die Städte ab. Stoiber: "Die Bilder der Slums am Rande der großen Städte kennen wir wohl alle."

Kein Wunder also, dass die Fair Trade Organisationen nicht lange nach Produzenten suchen müssen, die an einer Teilnahme am Fairen Handel interessiert sind: Weltweit arbeiten derzeit 800.000 Kleinbauern in 40 Ländern im Fair Trade System. "Es wollen viel mehr hinein, als wir derzeit aufgrund der Nachfrage aufnehmen können", bedauert Stoiber.

Doch die Ergebnisse einer Studie machen Hoffnung: "Wir haben eruiert, dass 38 Prozent der österreichischen Bevölkerung zumindest schon einmal ein Fair Trade-Produkt gekauft haben. Das ist im Vergleich zu 1999 eine Steigerung von 15 Prozent. Und von 1999 bis Ende 2001 haben wir eine Umsatzsteigerung von 150 Prozent erreicht." Im Vorjahr lag in Österreich der Umsatz mit fair gehandelten Produkten bei 7,3 Millionen Euro (im Vergleich zu einem Gesamthandelsumsatz von rund 38 Milliarden Euro). Am beliebtesten ist der faire Kaffee, das Gütesiegel tragen derzeit 26 verschiedene in Österreich erhältliche Sorten. 418 Tonnen der zertifizierten braunen Bohnen werden in Österreich jährlich verkauft.

Fairness im Supermarkt

Begonnen hat die Idee, Gerechtigkeit als Kriterium für den Konsum in den Handel einfließen zu lassen, bereits in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in Holland, von wo die Idee durch Pfarrcafes nach Österreich gebracht wurde. Aus den Cafes wurden Verkaufsstellen, aus den Verkaufsstellen die "Weltläden". Dass die Produkte noch immer nur in diesen Geschäften erhältlich seien, ist jedoch ein Irrtum: "Unter anderen haben auch Meinl, Pfanner, Starbucks und Spar einen Teil unserer Produktpalette im Sortiment", freut sich Transfair-Sprecher Stoiber. Nur für Pralinen, die kürzlich mit dem Gütesiegel versehen wurden, habe sich bisher außer den Weltläden kein Abnehmer gefunden.

"Anfangs", gibt Spar-Konzernsprecherin Nicole Berkmann zu, "waren wir sehr vorsichtig, als uns die Fair-Trade-Produkte vorgestellt wurden. Wir dachten, wir würden damit nur eine sehr kleine Konsumentengruppe ansprechen." Zudem sei die Handelsspanne um 30 Prozent geringer als bei herkömmlichen Produkten. Der Erfolg war jedoch so groß, dass mittlerweile 18 Produkte in den Spar-Regalen ihren Platz gefunden haben. Dabei könne man die Macht der Konsumenten gar nicht genug betonen, erklärt Berkmann: "Wenn die Kunden die Produkte kaufen, werden sie auch in den Regalen stehen. Wenn sie nicht gekauft werden, dann verschwinden sie wieder aus unserem Sortiment."

Die nächsten "Fairen Wochen" sind von 7. bis 21. März 2003 im Burgenland, Ende April bis Anfang Mai 2003 in Kärnten und voraussichtlich im September 2003 in Salzburg. Nähere Informationen unter www.fairewochen.at

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