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Barometer der Kontinente

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Die von den Vereinten Nationen nach Genf einberufene Welthandels-konferenz, die vom 23. März bis 15. Juni alle zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern schwebenden Probleme untersucht, soll Erleichterungen im Austausch von Rohstoffen und Fertigwaren bringen, aber auch neue Wege zur wirtschaftlichen Sanierung der ehemaligen Kolonien suchen. Der vorbereitende Ausschuß, der unter Vorsitz des Dänen A. R.

Haensen getagt hatte, gliederte den Fragenkomplex in mehrere Hauptthemen, nämlich Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigwaren sowie Finanzierung der Entwicklungshilfen und die Zusammenfassung einiger Gebiete in regionale Wirtschaftsgruppen. Der vom Generalsekretär der Konferenz, dem Argentinier Prof. R. Prebisch, ausgearbeitete Bericht proklamierte geradezu ein neues ökonomisches Gesetz. Die Rohstoffländer, so wurde behauptet, seien in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sogar in jüngster Zeit von Jahr zu Jahr weiter zurückgeblieben, weil sie bei der Preisgestaltung und der Organisation ihres Absatzes benachteiligt seien. Die Länder Asiens, Afrikas und Südamerikas wünschen daher sichere Absatzmärkte in Europa sowie Anleihen zum Aufbau eigener Industrien. Während Pandit Nehru der Überzeugung huldigt, die Lösung könne niemals in Anleihen, sondern ausschließlich in einem besseren Warenaustausch liegen, neigen Afrika und Südamerika auf Grund der Initiative Ägyptens und Brasiliens zur Überschätzung der Anleihen und Kredite. Europa wieder hofft, im Umweg über seine Entwicklungshilfen neue Absatzmärkte für seine eigenen Erzeugnisse zu schaffen. Jedenfalls scheinen alle Ideen in erster Linie auf eine Verdichtung und Beschleunigung des Warenaustausches hinauszulaufen, ein Prinzip, an dem auch Österreich in hohem Maße interessiert bleibt.

Unser Handel mit Übersee, der im Vorjahr ein Volumen von 10,2 Milliarden Schilling erreicht hat, wird meist unterschätzt, weil die Öffentlichkeit durch die einseitige Propaganda für eine Integration mit der EWG von allen anderen handelspolitischen Problemen abgelenkt wird. Wenn es das Publikum schon befremdet, sich gelegentlich mit Spanien, Skandinavien oder Großbritannien beschäftigen zu müssen, ist es kein Wunder, daß man dem Überseehandel nur ein sehr geringes Interesse entgegenbringt. Jede bescheidene Selbstbeschränlcung auf

Westdeutschland, Italien und die benachbarten Donauländer, die Österreich außerdem nur schadet, ist seit langem überholt. Kein einziger Staat kann heute auf eine direkte Teilnahme am Welthandel verzichten.

Kaleidoskop: Importe und Exporte

Im Vorjahr zeigte das „Barometer der Kontinente“ (siehe Statistik „Unser Handel mit Übersee“) eine Belebung des Warenverkehrs mit

Asien, Afrika und Australien, dagegen eine Stagnation im Handel mit Amerika, verursacht durch den Rückgang der Exporte nach Südamerika und der Importe aus den Vereinigten Staaten. Bei den Lieferungen aus Ubersee handelt es sich zumeist um Rohstoffe und Genußmittel, wobei zahlreiche Produkte geradezu an bestimmte Ursprungsländer gebunden sind. Um nur einige Beispiele zu nennen, bezog Österreich im Vorjahr aus Brasilien Kaffee und Eisenerze, aus Kanada Weizen, Asbest und Nickel, aus

Australien Wolle (181,7 Millionen Schilling, + 18 Prozent), aus Japan rohe Baumwollgewebe, aus Argentinien Obst und Baumwolle, aus Südafrika Kupfer, aus Malaya Rohkautschuk, aus Peru Fischmehl, aus Ghana Kakao, aus Iran Teppiche, aus Marokko natürliche Kalziumphosphate und aus Ekuador Bananen (von Jänner bis September 12.812 Tonnen zu 62,9 Millionen Schilling, — 15 Prozent), eine Liste, die beliebig verlängert werden kann, etwa durch Israel für Orangen, Pakistan für Jute und die Philippinen für Chromerze. Unter diesen Umständen führte die augenblickliche Konjunktur für Kaffee, Wolle und Teppiche automatisch zu einer Erhöhung der Importe aus Brasilien, Australien und dem Iran, dagegen die sinkende Nachfrage nach Kupfer und Rohkautschuk, Kakao und Bananen zu Verlusten für Südafrika und Malaya, Ghana und Ekuador.

Anders stand es beim Export nach Ubersee, der 13,3 Prozent des Gesamtexports umfaßte. Im Vergleich zu anderen Staaten besitzt Österreich ein ungewöhnlich vielfältiges Warenangebot, das auf einen großen Aktionsradius hindeutet. Neben der Sonderstellung der Vereinigten Staaten, die hauptsächlich Kleidung, Glaswaren und Phantasieschmuck, Stabstahl, Fahrräder und Sportgeräte bezogen, zeigte der Export nach den einzelnen überseeischen Gebieten zunächst überall einige bevorzugte Kategorien, etwa Kunstfasern in Iran und Südafrika, Textilien in Kanada und Australien, Maschinen und Elektromaterial in Thailand. Wichtiger erscheint jedoch

die auffallend breite Streuung einiger Kategorien, darunter von Papier und Stickereien, von Glas- und Metallwaren, von Eisen, Stahl und Aluminium, im Nahen Osten zuletzt von Kautschukwaren. Nachdem im Vorjahr der gesamte Außenhandel in Bewegung geraten ist, sind gegenwärtig sichtlich neue Schwerpunkte in Bildung begriffen, die gewissermaßen eine Profllierung nach Kontinenten ermöglichen. Infolge des verspäteten Abschlusses des Staatsvertrags gehört Österreich in Übersee zu den Nachzüglern, dock sind seine Spezialartikel der internationalen Konkurrenz trotz der ungünstigen Verkehrslage durchaus gewachsen. Allerdings fordert jede Expansion in Übersee eine große Ausdauer und Systematik, vor allem Dispositionen auf lange Frist, gestützt durch entsprechende Kredite zur Exportförderung. Lokale Unruhen und Währungskrisen verursachen sofort Kettenreaktionen von Stockungen und Schwierigkeiten, in den vergangenen Jahren fortlaufend demonstriert von Ägypten, Brasilien und Argentinien, wo sich die österreichischen Exporte seit 1961 im Niedergang befinden. Da alle Entwicklungsländer am laufenden Band neue Projekte und Investitionen entwerfen, handelt es sich trotzdem darum, im rechten Augenblick zur Stelle zu sein, um sich eine Mitwirkung an den jeweiligen Aufbauplä-nen zu sichern. Auf der Rangliste der Bestimmungsländer sind die aussichtsreichen Absatzgebiete deutlich erkennbar. Nichts wäre gefährlicher als eine Zersplitterung der eigenen Kräfte.

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