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Der grfte Feind der Christianisierung

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Ein internationaler Kongre der Sobrietas-Bewegung. tagte rzlich in Rom und behandelte das Thema Alkoholismus und Rauschgifte in den Missionsländern“. Der weltweite Charakter der Themenstellung ist bezeichnend für den Umfang, den die Suchtgefahren heute angenommen haben. Kaum einer, der spöttisch über die „fanatischen“ Blaukreuzler lächelt, ahnt, daß Alkohol und Rauschgifte heute daran sind, junge, kraftvolle Völker Asiens und Afrikas zu ruinieren, ja sie zu morden. Und es wäre nicht das erste Mal, daß es auf das Schuldkonto eines Westens gebucht werden müßte, der sich „christlich“ und zivilisiert nennt*

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Ein internationaler Kongre der Sobrietas-Bewegung. tagte rzlich in Rom und behandelte das Thema Alkoholismus und Rauschgifte in den Missionsländern“. Der weltweite Charakter der Themenstellung ist bezeichnend für den Umfang, den die Suchtgefahren heute angenommen haben. Kaum einer, der spöttisch über die „fanatischen“ Blaukreuzler lächelt, ahnt, daß Alkohol und Rauschgifte heute daran sind, junge, kraftvolle Völker Asiens und Afrikas zu ruinieren, ja sie zu morden. Und es wäre nicht das erste Mal, daß es auf das Schuldkonto eines Westens gebucht werden müßte, der sich „christlich“ und zivilisiert nennt*

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Die Völker Asiens und Afrikas kannten den Alkohol schon vor ihrer Berührung mit dem Westen. Seit vielen Jahrhunderten erfreut er sich in dieser oder jener Form großer Beliebtheit und fehlt bei keinem Fest. In Japan ist es der Reisbranntwein, in Südchina das Reisbier und der Reisschnaps, in Nordchina der Ge-treidebranntwein und in Indien, Indonesien und auf den Philippinen, ja überall in den Tropen, der Palmwein.

Ihr unmäßiger Genuß - sie enthalten nicht selten 60 bis 70 Prozent Alkohol - führte und führt noch heute zu Armut, Elend und Laster, die an die Lebenssubstanz des Volkes griffen und noch immer greifen. Es stimmt nachdenklich, wenn man liest, daß Japan 1930 rund zwölf Millionen Hektoliter Sake (Reisbranntwein) produzierte und dort schon 1923 für alkoholische Getränke fünfmal mehr ausgegeben wurde als für das gesamte Erziehungswesen.

..Wo Palmen wachsen, wird auch Palmwein getrunken“, das heißt praktisch überall in den Tropen. Volksfeste, Tempelfeiern und Begräbnisse bieten willkommene Gelegenheiten zu reichlichem Palmweingenuß, die nicht selten mit allgemeiner Trunkenheit enden. Die verderblichen Folgen für Gesundheit und Sittlichkeit bleiben nicht aus.

Zu einem Alkoholismus ungleich verheerenderen Ausmaßes kam es unter den- Völkern Asiens und Afrikas fast durchweg erst nach der engeren “Berührung mit dem Westen. Von ihm erlernten sie die Herstellung stärkerer und verderblicherer Alkoholarten, von ihm wurden sie mit Importalkohol geradezu überschüttet.

1872 baute ein Amerikaner in Jokohama die erste Bierbrauerei Japans, 1952 produzierte J'apan selbst 3,568.000 Hektoliter Bier und übertraf damit die Jahresproduktion des einheimischen Sakes um 227.000 Hektoliter. Daneben stand an dritter Stelle der Shochu-Likör mit 2,488.000 Hektoliter. LiköreÄüky und andere starke Getränke wurden nur von Amerika und Europa cingefühnPPer schon bald, vor allem nach dem ersten Weltkrieg, ging Japan selbst daran, sie in eigener Produktion herzustellen.

Korea, das sich lange Jahre unter japanischer Herrschaft befand, dürfte Japan im Alkoholismus kaum nachstehen. Durch viele Jahrhunderte gab es hier schon vor der Berührung mit dem Westen ein wirkliches Branntweinelend. Bedeutend schlimmer wurde das Uebel, als nach dem ersten Weltkrieg der Import starker Getränke aus Europa und Amerika hinzukam und man es vom Westen lernte, sie selbst herzustellen.

Auf die Philippinen wurde noch in jüngster Zeit trotz hoher Schutzzölle amerikanischer Alkohol (Whisky, Brandy) in großen Mengen importiert. Zeitweilig gehörten vor allem die Studenten zu den Opfern der eingeführten Getränke. Mangel an Leistungsfähigkeit, Disziplinlosigkeit. Raufereien und Unsittlichkeit waren die Folgen.

Bedeutend schädlicher noch wirkte sich der vom westlichen Kapitalismus importierte Alkohol in Indonesien aus. Lubach schreibt, ganze Inseln seien dort durch ihn verwüstet und ganze Christengemeinden verdorben worden.

Das folgende Tatsachenmaterial über Asien ist der umfassenden Studie „Alkoholismus und Rauschgiftproblem in Asien“ von P. Dr. Johannes Schütte SVD. entnommen, die genaue Quellenangaben bietet Das auf dem „Sobrietas“-Kongreß gehaltene Referat wird in vollem Wortlaut von der Hoheneck-Zentrale. Hamm. Deutschland, veröffentlicht.Bald entstanden im Lande selbst Brauereien und Brennereien nach westlichem Muster. Nur wurde der Fusel, der für die Einheimischen bestimmt war, eigens hergestellt und war besonders giftig. Die frühere Kolonialregierung war wegen der Zölle und Steuern an diesem Alkoholhandel interessiert und wünschte nicht, daß der Alkoholismus von den Missionären bekämpft wurde. Anstein berichtet: „Die Bewohner der Insel Halmaheira waren nahezu daran, christlich zu werden, da kam die Alkoholflut und verdarb die Leute moralisch .. . Der Missionär, der die abgelegene Insel Roti mit ihren Christengemeinden alle zwei Jahre besuchte, traf die ganze Gemeinde betrunken an, weil inzwischen Schnapshändler dort ihre Ware abgesetzt hatten.“

Ueberaus verderblich wirkte das schlechte Beispiel der weißen Herrscher. Fast alle Festveranstaltungen in den Kolonien endeten mit einem ausgelassenen Trinkgelage. Die einheimischen Fürsten folgten diesem Beispiel nur zu willig, und bald flössen auch bei ihnen Kognak und Branntwein in Strömen wie bei den Weißen. Kann es da verwundern, wenn Missionäre die bittere Anklage zu hören bekamen: „Warum wollt ihr uns zu Christen machen, wo ihr Weißen doch noch tierischer seid als wir?“

In Hinterindien waren der Palmwein und andere alkoholische Getränke einheimischen Ursprungs wenig verbreitet. Aber auch hier wußte der westliche Kapitalismus und Kolonialimperialismus seine Opfer zu finden und Bedürfnisse zu schaffen, die nicht bestanden, oder sie geradezu durch Zwang zu steigern. Europäische Mächte nötigten Siam Verträge auf, durch die es der Ueberschwem-mung mit Alkohol und Opium schutzlos preisgegeben wurde, und als die Engländer Burma annektierten, hielten sie das burmanesische Verbot des Handels mit Alkohol und Opium nicht aufrecht.

Auch nach Indien wurden ungeheure Mengen alkoholischer Getränke aus Europa importiert oder unter der Kolonialregierung im Lande selbst hergestellt. Schon in den zwanziger Jahren wurden jährlich 54.000 Hektoliter Alkohol eingeführt. Der Import von ausländischem Bier nahm allein von 1927 bis 1928 um 124 Prozent zu. Die Einnahmen aus Zöllen und Ausschanklizenzen verdreifachten sich von 1902 bis 1924 von vier auf zwölf Millionen englische Pfund. Die englische Kolonialregierung sah im Alkohol eine willkommene Steuerquelle, deren Einnahmen vor allem zum Bau von Schulen verwendet werden sollte. Gandhi verurteilte eine solche Einnahmequelle als unmoralisch. Er sagte: „Lieber sähe ich Indien im Zustand der Armut als Tausende von Trinkern in unserer Mitte. Lieber sähe ich Indien ohne Erziehung, wenn dieser Preis gezahlt werden müßte.“ Das selbständige Indien hat bereits vorbildliche Bestimmungen erlassen, um den Alkohol aus dem öffentlichen Leben zu bannen. Dennoch wurden 1951 noch immer für 26,6 Millionen Rupien Alkohol (Branntwein, Gin, Whisky) eingeführt. Für Ceylon waren es im gleichen Jahr 1.4 Millionen Rupien. 1952 zählte man allein auf Ceylon 44! Fabriken für Palm wein und Arrak (“Branntwein).

Weit mehr als in allen anderen Missionsländern ist der Alkoholismus heute für A f r i k a ein schweres Problem, ja eine Lebensfrage geworden.

M. Hazoume, Conseiller der „Union Francaise“, berichtet, daß in Französisch-Afrika an Alkohol importiert wurden:

1929 ...... 317.980 Hektoliter

1938 ...... 405.910 Hektoliter

1947 ...... 470.883 Hektoliter

1948 . . ....661.669 Hektoliter

In Französisch-Westafrika wurden allein an Weinen eingeführt:

1938 ....... 11.000 Tonnen

1949 ....... 16.000 Tonnen

1950 ....... 23.000 Tonnen

1951 ....... 33.000 Tonnen

Der Import starker alkoholischer Getränke stieg von 850 Tonnen vor dem letzten Krieg auf 8260 Tonnen 1951.

1939 importierten Kamerun und die Elfenbeinküste :

Alkoholische Getränke . 4.075 Tonnen Milch, Mehl, Zucker . . 6.087 Tonnen

1951 waren es:

Alkoholische Getränke 34.819 Tonnen Milch. Mehl, Zucker . . 14.266 Tonnen

Das heißt, der Import an lebenswichtigen Nahrungsmitteln stieg von 1939 bis 1951 um das 2,3 fache, der Import an Alkohol dagegen um das 8,5fache!

Dem Jahresbericht für 1953 an die UNO und dem statistischen Bulletin des Landes sind allein für Togo, das etwa eine Million Einwohner zählt, folgende Zahlen über das Anwachsen des Alkoholimportes (in Hektoliter) entnommen: Branntwein Wein Bier

1947 998 ? 346

1949 4.225 4.128 4.595

1951 6.130 6.799 14.380

1953 8.142 15.384 15.250

Der Unterschied zwischen der Alkoholeinfuhr und dem übrigen Import ist beträchtlich. Vom Gesamt der Jahreseinfuhr waren:

Alkohol Webwaren Zement Eisenwaren Zucker

1950 14% 12 % 3,2% 2,7% 4,6%

1951 13% 11,8% 3,3% 1.4% 5 %

1953 kaufte Togo für 241 Millionen Franc Alkohol, für 78 Millionen Zucker, für 70 Millionen Zement und für 73 Millionen Eisenwaren. — All diese Angaben geben noch keinen Aufschluß über den Konsum an einheimischem Alkohol, dem berüchtigten „Sodabi“, einem aus Palmwein hergestellten Fusel.

Mit Bitterkeit stellt Joachim Akouvi im Bulletin des Sekretariates für soziale Fragen fest, schon einmal habe man sich des Alkohols bedient, um eine ganze Rasse auszurotten, nämlich die Indianer in Amerika. Man müsse sich fragen, ob seine Verheerungen in Afrika heute nicht das gleiche Ergebnis haben könnten. Anfang 1954 richteten die Missionsbischöfe Westafrikas in einem offenen Brief eine ernste Warnung vor den ungeheuren Gefahren des uneingeschränkten Alkoholimportes an den französischen Hochkommissar und erklärten, die Zukunft Afrikas sei durch den Alkohol ernsthaft bedroht.

Der Alkoholismus in den Missionsländern, vor allem in Afrika, ist einer der ärgsten Feinde für ihre Christianisierung. Mit Recht fragen die Missionsbischöfe Afrikas, welchen Zweck es habe. Missionäre in den schwarzen Erdteil zu entsenden, wenn der Import an Alkohol und schlechten Filmen andauere. Und welchen Sinn hat es, feierlich vor aller Welt die Menschenrechte zu proklamieren, wenn sie in aller Oeffentlichkeit in so grober Weise mißachtet werden können? Wenn irgendeine Frage dringend ihre Lösung vor dem Forum der Nationen erfordert, dann ist es die energische, internationale Bekämpfung von Alkohol und Rauschgiften. Nur auf weltweiter Basis ist hier ein dauerhafter Erfolg möglich.

Opium und Heroin

Im Kampf gegen die Süchtigkeit geht es nicht nur um den Alkohol, sondern auch um die eigentlichen Rauschgifte, die in vielen Teilen Asiens zu einem der schwersten Probleme geworden sind.

König der Rauschgifte in Asien ist das Opium, der Saft des Schlafmohns, mit seinen Derivaten (Morphium, Heroin). Opium wird geraucht, und da die dazugehörigen Geräte Unkosten verursachen und die Herrichtung der Pfeife eine gewisse Fertigkeit erfordert, hat schmutzige Gewinnsucht dumpfe Opiumhöhlen eingerichtet, wo das fertige Gift in bereiteten Pfeifen verkauft wird.

Bald gewöhnt sich der Körper an das Opium, und der normale Ablauf der Funktionen wird von der regelmäßigen Zufuhr des Giftes abhängig. Der Raucher wird süchtig und kommt ohne Opium nicht mehr aus. Da die Rauschwirkung mit der Zeit abstumpft, werden die Dosen immer stärker. Langsam, aber unaufhaltsam zerrüttet das Gift Leib und Seele. Die Nervenkraft wird zerstört, die Verdauung funktioniert nicht mehr, Appetitlosigkeit läßt das Opfer zum Skelett abmagern. Verstand und Wille stumpfen ab. Die Umwelt wird dem Raucher gleichgültig.. Er kennt nur noch eine Sorge, einen Gedanken: das Gift! Die Sucht treibt ihn zur Unehrlichkeit und zu Verbrechen. Familienväter verkaufen Haus und Hof. Frau und Kind. Sie reißen ihren eigenen Kindern die Kleider vom Leib und machen ihre Angehörigen zu Dieben und Dirnen, um sich Opium zu verschaffen. Ganze Familien, ja ganze Sippen sind durch das Gift an den Bettelstab gekommen.

Bekommt der Süchtige kein Opium mehr, dann wühlt unerträglicher Schmerz in Kopf und Brust, Feuer brennt in seinem Körper, in Hirn und Nerven. Wahnsinnige Angst und ständiges Zittern schütteln ihn. Der Körper ist vollkommen vergiftet und siecht in langsamen, furchtbaren Todeskrämpfen einem unaufhaltsamen Ende entgegen. — Noch furchtbarer sind die Wirkungen des Heroins, eines künstlichen Derivates des Opiums. Es wird von den Nasenschleimhäuten absorbiert und wirkt darum schneller. Es verdrängt mehr und mehr das Opium, zumal es ohne Pfeife und Spritze genommen werden kann.

Das Opiumlaster hat noch weit zerstörendere Folgen als der Alkohol. Es beseitigt jede moralische Hemmung, Verantwortlichkeit und Sittlichkeitsgefühl, es fördert Faulheit und Abstumpfung. Verbrechen und Laster, es bevölkert die Bordelle. Durch den Gebrauch der Opiumpfeife werden Syphilis und Tuberkulose übertragen.

Wie eine Sintflut hat das Opiumlaster in Asien, vor allem in China, um sich gegriffen. Vielfach sind gerade die ärmsten Schichten, Arbeiter und Kulis, diesem Laster hemmungslos verfallen. Die häufigen Bemühungen um seine Bekämpfung durch eine Einschränkung der Opiumproduktion — in Indien und China, im Fernen Osten, in der Türkei und in Persien im Orient — scheiterten immer wieder an der •chmutzigen Gewinnsucht der interessierten Staaten und skrupellosen Rauschgiftkönige.

Im 17. Jahrhundert brachten die Portugiesen das Laster des Opiumrauchens nach China, das es bisher nur als Medizin kannte. Schon 1729 erließ der chinesische Kaiser das erste Verbot des Opiumrauchens und Opiumhandels. Es wurde mehrfach erneuert und verschärft. Aber der gewinnsüchtige Kapitalismus der Kolonialmächte, vorab Englands, erzwangen das Einströmen des Rauschgiftes nach China, erst durch staatlich protegierten Schmuggel, dann durch Gewalt. Der Opiumkrieg von 1840 wird immer eine Schmach des christlichen Abendlandes bleiben. Unaufhaltsam strömte die Giftflut in das unglückliche Land. Der Krämergeist englischer Kaufleute' und die Bestechlichkeit chinesischer Beamter arbeiteten Hand in Hand. Chinesische Schmugglerschiffe erkauften sich sogar das Recht, zum Schutz ihres Opiumschmuggels die englische Flagge zu führen. Im Vertrag von Tientsin, 1860, wurde China gezwungen, den Opiumhandel zu gestatten. 188 5 wurde der Mohnbau im Lande selbst erlaubt. Zehn Jahre später übertraf die chinesische Opiumproduktion den englischen Import bereits um das Dreifache. Das Opiumelend nahm grauenhafte Ausmaße an. Im 19. Jahrhundert hat China seine Opiumerzeugung um das 70fache gesteigert! 1906 produzierte es 22 Millionen Kilogramm und führte noch 3 Millionen Kilogramm Opium aus dem Auslande ein. Die Zahl der Raucher wurde auf 15 Millionen geschätzt.

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung erklärte sich schließlich England bereit, innerhalb von zehn Jahren die Opiumeinfuhr aus Indien im gleichen Maße abzubauen, als China den Mohnbau einschränke. In China selbst griff die kaiserliche Regierung energisch durch. In vier Jahren wurden 1,5 Millionen Opiumhöhlen geschlossen. Auch nach der Revolution, 1911. wurden die fast übermenschlichen Anstrengungen fortgesetzt. 1916 wurden die letzten 95.000 Kilogramm Opium aus den Lagern der englischen Kaufleute in Schanghai für 37 Millionen amerikanische Dollars aufgekauft und verbrannt.

Innere Wirren und Unruhen, Bürgerkriege und Räuberunwesen machten aber bald wieder alle Anstrengungen zunichte. Die Opiumproduktion wurde für die sich bekämpfenden Generäle und Regierungen zur ergiebigsten Geldquelle. In manchen Provinzen wurde der Opiumanbau geradezu erzwungen und Missionäre, die sich weigerten, mit empfindlichen Geldstrafen belegt. Das Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg sah ein ungeahntes Opiumelend. 1923 wurde in China zwölfmal mehr Opium erzeugt als in der ganzen Welt. Man berechnete die Mohnfelder auf 3 Millionen Hektar. Allein in der Umgebung von Chungking gab es gegen 100 Morphiumfabriken. Die Zahl der Opiumraucher schwankte in den einzelnen Gebieten zwischen 50 und 80 Prozent der männlichen Bevölkerung.

Endlich setzte eine nationale Abwehrbewegung ein. 1924 wurde der Anti-Opium-Verband gegründet. Das staatliche Opiummonopol wurde abgeschafft. 1931 wurde die Ausrottung des Lasters beschlossen, und die Zentralregierung unter Tschiangkaischek unternahm viel zur Minderung des Uebels. Opiumschmuggel wurde schwer, zum Teil mit dem Tode bestraft.

Der chinesisch-japanische Krieg ließ das Uebel erneut auflegen. Alle entgegenstehenden Gesetze mißachtend, benutzten die lapaner Opium und Heroin, um das chinesische Volk in seinem Lebensnerv zu treffen und seine Widerstandskraft zu brechen. Der Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten nach dem zweiten Weltkrieg begünstigte erneut den Opiumhandel und -Schmuggel. Opium und andere Narkotika waren für die Kommunisten eine ergiebige Einnahmsquelle, von der sie reichlich Gebrauch machten, vor allem als Mittel zur Bestechung. Nach der Machtergreifung gingen die Kommunisten in China jedoch gegen das Opiumlaster vor, betrieben aber einen schwunghaften Handel ins Ausland. In einem Memorandum der Kommission für Narkotika an die UNO wird mitgeteilt, daß über ein Viertel des Rohopiums und mehr als die Hälfte des verarbeiteten Rauschgiftes, die 1953 beschlagnahmt wurden, vermutlich aus Rotcliina stammen.

In Japan wurde Opiumrauchen schon 1880 mit Gefängnis bestraft, und das Land blieb lange Zeit vom Opiumelend verschont. Dafür aber war Japan führend am Opiumhandel und -Schmuggel nach China, Formosa und Korea beteiligt. Die gefährliche Waffe, die Japan nach dem Krieg gegen China einsetzte, hat sich inzwischen gegen das eigene Land gerichtet: die Rauschgiftsucht wurde eingeschleppt. Nach den Feststellungen des japanischen Wohlfahrtsministeriums gibt es heute bereits 1,5 Millionen Opfer narkotischer Süchtigkeit in Japan.

Indien war lange Zeit eines der Haupterzeugungsländer für Opium und trieb einen schwunghaften Handel und Schmuggel nach China. 1913 wurde der Opiumhandel mit China verboten, aber der Schmuggel blühte weiter. 1926 betrug die staatliche Opiumausfuhr Indiens in einige ostasiatische Länder, mit denen direkte Handelsabkommen getroffen waren — also nur ein Teil der gesamten Opiumausfuhr —, gegen 173.000 Kilogramm. Wenn das Laster auch im Lande um sich griff, so erreichte es doch nie die ungeheuerlichen Ausmaße wie in China. 1927 wurde endlich zur Unterdrückung des Mohnanbaues eine eigene Kommission eingesetzt. Nach dem letzten Weltkrieg wurden die Einschränkungsbestimmungen und die staatliche Kontrolle verschärft. Geheimer Anbau und Genuß sowie blühender Schmuggel trieben weiter ihr Unwesen.

Aus all diesen Zahlen und Angaben starrt ein entsetzlicher Jammer und eine furchtbare Not. Die verabscheuungswürdige Gewinnsucht der interessierten Mächte und Kreise, die aus Gier. Laster und Not ein riesenhaftes Kapital zu schlagen wußten, wird eine der traurigsten Seiten der Geschichte menschlicher Verirrungen bleiben, vorab für einen Westen, der „christlich“ genannt sein wollte. Das hohe Verdienst westlicher Missionäre aber wird es bleiben, stets in vorderster Front im Kampf gegen Alkohol und Opium gestanden zu haben. Rom selbst hat seit 1830 acht Erlässe gegen das Rauschgiftlaster herausgebracht und damit kirchlicherseits ein einheitliches Vorgehen gegen das verheerende Uebel gesichert. Vieles wurde erreicht, vieles bleibt noch zu tun, was nur auf weltweiter Basis bewältigt werden kann.

Heute ist es an den Nationen der Welt, vorab des Westens, durch einheitliches und entschiedenes Vorgehen der Kulturschande des Rauschgiftes ein Ende zu bereiten und eine alte Schuld — gewissermaßen noch in letzter Stunde — wiedergutzumachen.

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