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Gerechtigkeit für die EFTA

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Die Politisierung sämtlicher Probleme der wirtschaftlichen Integration des freien Europa endete nicht nur mit einer bedenklichen Störung der Zusammenarbeit des Westens, sondern führte auch in Österreich zu einer systematischen Kampagne gegen die Freihandelsassoziation. Diese einseitige Agitation, die ihren Ursprung in der oppositionellen Freiheitlichen Partei hatte, äuL*rte sich in einer feindlichen Hüsterpropaganda bekannten Stiles und in der publizistischen Taktik, die Fortschritte des Handels mit Skandinavien, Großbritannien und der Schweiz totzuschweigen. Zuletzt gelangten die Kritiker sogar zur Schlußfolgerung, die Unterzeichnung der Konvention von Stockholm sei ein Fehler gewesen und habe nur Schaden gestiftet; denn im Fall einer Nachahmung des griechischen Beispieles wäre die Zweite Republik heute aller handelspolitischen Sorgen ledig und im glückhaften Besitz einer Assoziierung mit der Wirtschaftsgemeinschaft. Da diese Argumente auf unrichtigen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen ruhten, wurden die klaren und eindeutigen Daten der Handelsbilanz dilato-

risch behandelt, so daß die gesamte Öffentlichkeit immer stärker in den Bann des Irrtums geriet, die Handelspolitik der Kabinette Raab und Gor-bach I. sei falsch gewesen.

In Wirklichkeit bestand bisher nicht nur gar keine Möglichkeit für ein „Arrangement mit Brüssel“, sondern gerade der Zonenhandel brachte während den vergangenen Jahren eine bedeutende Erhöhung der Exporte nach der Schweiz und die Entdeckung der skandinavischen Märkte, die trotz ihrer Entfernung eine breite Aufnahmefähigkeit für österreichische Waren bewiesen. Natürlich ist der Umfang des EFTA-Handels, der im Vorjahr nur noch ein Passivum von 285,8 Millionen Schilling aufwies, erheblich kleiner als das Volumen des EWG-Handels, der mit einem Importüberschuß von 7,48 Milliarden Schilling abschloß. Da die wirtschaftliche Entwicklung weitgehend von der Struktur des Außenhandels abhängt, ist jedenfalls eine Rückkehr zur Sachlichkeit und eine Entpolitisierung der Integrationsprobleme dringend geboten.

Zur Entwicklung des Zonenhandels

Bei den Zonenimporten, die von Jänner bis Dezember nur 13,1 Prozent der Gesamteinfuhr erreichten, stand mit einem knappen Vorsprung noch immer Großbritannien an erster Stelle, obwohl das Inselreich im laufenden Jahr zweifellos von der Schweiz überflügelt wird. Schweden vermochte den Rückfall bei Ferrochrom durch andere Lieferungen auszugleichen, wie die Entwicklung, der Hochkonjunktur entsprechend, überhaupt beträchtliche Korrekturen in der Struktur der Warengruppen brachte. Im Gegensatz zur Passivität Norwegens bemühte sich Dänemark unter dem massiven Druck der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Vorjahr ernsthaft um den

Absatz in Österreich und errang tatsächlich bedeutende Gewinne. Portugal verdankte seine Importsteigerung natürlich Kork, Fischen und Baumwollgeweben. Bei einer Durchsicht der Warenlisten entdeckt man eigentlich nur Rückfälle bei Wolle, Nickel und Ferrolegierungen, während alle anderen Kategorien wechselnde Erhöhungen aufwiesen, darunter vor allem medizinische und pharmazeutische Produkte; denn die Arzneiwaren aus Dänemark, Großbritannien und der Schweiz erzielten einen regelrechten Durchbruch. Die überraschend hohe Zuwachsrate bei Pflanzenöl — ein neuer Beweis der Entwicklungsfähigkeit des Handels mit Skandinavien — war darauf zurückzuführen, daß Schweden und Dänemark plötzlich als Hauptlieferant von Rüböl und Sojabohnenöl auftraten, in neun Monaten, von Jänner bis September, mit 8743 Tonnen zu 57,9 Millionen Schilling. Schließlich wurden in der gleichen Periode aus der Freihandelszone 19,1 Tonnen Gold und 25,3 Tonnen Silber importiert.

Den besten Beweis, daß die EFTA für Österreich durchaus keine schädliche oder auch nur überflüssige Be-

lastung, sondern im Gegenteil eine wertvolle Stütze darstellt, bildete die ungewöhnlich günstige Entwicklung der Exporte, die im Vorjahr 15,2 Prozent des Gesamtexportes umfaßten.

Infolge des intensiveren Zonenhandels ist unter den Bestimmungsländern jetzt die Schweiz an die dritte Stelle nach Westdeutschland und Italien vorgerückt, so daß sie, aus der österreichischen Perspektive betrachtet, geradezu das Rückgrat der Freihandelszone bildet. Da der Export nach der Schweiz eine Zuwachsrate von 25,7 Prozent erzielte, ist außerdem die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Waren bestätigt, die noch nicht unter der üblichen Qualitätsverschlechterung der Hochkonjunktur leiden, von der bereits viele Staaten Westeuropas befallen sind. Der Rückgang bei Eisen und Stahl, der im Augenblick den Außenhandel des Kontinentes kennzeichnet und auch die Montanunion in Mitleidenschaft zieht, wurde durch Fortschritte bei Maschinen und elektrischen Apparaten nahezu ausgeglichen. Jedenfalls boten neun Warengruppen eine regelrechte Überraschung; denn Exporterhöhungen von 19 bis 47 Prozent hatte wirklich niemand erwartet. Während die NE-Metalle ihren Erfolg natürlich dem Aluminium verdankten, erwiesen sich Textilien, Kleidung und Maschinen als wichtige Faktoren der Expansion, denen sich in den niederen Rängen die Kautschukwaren, Kunststoffe und Motorfahrräder anschlössen. Wenn die großen, aber leider fragwürdigen Hoffnungen auf eine rasche Assoziierung mit der Wirtschaftsgemeinschaft in Wien und den anderen Bundesländern nicht automatisch eine Vernachlässigung der EFTA-Staaten nach sich ziehen sollten, ist mit einem weiteren Aufstieg des Zonenhandels zu rechnen.

Vorschläge ausarbeiten

In Genf haben die Minister der Freihandelsassoziation als Direktive der nächsten Zeit ihre erneuerte „Solida-

rität verkündet, so daß die sieben beteiligten Staaten bis zur Konferenz in Lissabon praktische Vorschläge, zur Intensivierung des Zonenhandels aus-

arbeiten sollen. Dies gilt in erster Linie für den Agrarsektor, da die Landwirtschaft Dänemarks von der Diskriminierung durch die EWG tatsächlich schwer getroffen ist. Der Besuch des schwedischen Ministerpräsidenten Erlander in London bezweckte überhaupt die Anbahnung einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit Skandinaviens mit Großbritannien.

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