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Gleichgewicht im Zonenhandel

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Für Österreich bleibt das zentrale Problem nach wie vor die Gruppierung der Importe und Exporte nach Herkunft, Bestimmung und Rangordnung der Waren, die fortlaufend Änderungen erfahren. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt obliegt dem Außenhandel die schwierige Aufgabe, im Inland den schwankenden Bedarf zu decken und im Ausland geeignete Märkte zu finden, die zur Aufnahme neuer Erzeugnisse auf lange Frist fähig sind. Eine Analyse der .Warenströme während vier Monaten, von Jänner bis April, vermittelt nun die Erkenntnis, daß die Warenkategorien der großen Staatengruppen — EFTA, EWG und Drittländer — eine verschiedene Zusammensetzung besitzen. Wie die Statistik beweist, ruhen die Importe aus der Wirtschaftsgemeinschaft vorwiegend auf Maschinen und Kraftfahrzeugen, Textilien, Eisen und elektrischen Apparaten; erst in einem weiten Abstand folgen Kohle, Obst, Gemüse und Kunststoffe. Natürlich verzeichnet die ‘EFTA, mit'Ausnahme'~'deŠ&§ek* tors „Häute und Felle“, geringere Lieferungen als die EWG, deren Umfang jedoch bei medizinischen und pharmazeutischen Erzeugnissen nahezu erreicht wird. Dagegen stützen sich die im Integrationskonflikt neutralen Drittländer einschließlich der Vereinigten Staaten wiederum auf Kohle, Maschinen, Getreide, Erze und Baumwolle.

Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Export, der nach den Staaten der Wirtschaftsgemeinschaft in erster Linie Holz, Eisen, Stahl und NE-Metalle, Textilien, Papier und lebende Tiere umfaßt. Magnesit, elektrischer Strom und elektrische Apparate befinden sich annähernd im Gleichgewicht. Im Rahmen der EFTA werden noch viele Positionen ausgebaut, und erst gegen Jahresende dürfte ein zuverlässiger Überblick möglich sein, welche Erfolge die verantwortungsvollen Arbeiten der Handelskammern erzielt haben. Jedenfalls ist Österreich der einzige Zonenstaat, der sich nach der Diskriminierung sofort der neuen Lage angepaßt hat. Zuletzt lehrt die Handelsstatistik, daß im Verkehr mit den Drittländern der Export von Maschinen, elektrischen Apparaten, Metallwaren, KunStstof fen. Aluminium, Feinmechanik,- und Glaswaren durchweg höher ist als' nach der EWG. anderseits die Lieferungen von Eisen und Stahl, Textilien und Papier, Magnesit, Motorrädern und Kau tschukwaren größer als nach der Freihandelszone. Jedenfalls war von Jänner bis April der Handel mit der EFTA einschließlich Finnland im Gleichgewicht, jedoch mit der EWG durch ein Defizit von 2,4 Milliarden Schilling belastet.

Opposition des Commonwealth

Die Gerüchte über einen bedingungslosen Beitritt Großbritanniens zum Vertrag von Rom in seiner gegenwärtigen Gestalt wurden endlich widerlegt. Dabei kam die wichtigste Frage — die Stellung der Wirtschafts-

gemeinschaft zum Agrarproblem — noch gar nicht zur Sprache. Zur Klärung des Sachverhalts genügten schon die Rundfahrten von yier Mitgliedern dės Kabinetts Macmillan. Commonwealthminister Duncan Sandys reiste nach Kanada, Neuseeland und Australien, Arbeitsminister John

Hare nach Ghana, Nigeria, Sierra Leone und der Zentralafrikanischen Föderation, Luftfahrtminister Peter Thorneycroft nach Ceylon, Indien, Pakistan und der Malaiischen Föderation. Lordsiegelbewahrer Edward Heath, der bei dieser Gelegenheit auch zu kurzen Besuchen in' Wien und Athen weilte, erschien außerdem auf Zypern. In der kritischen und ablehnenden Haltung der Dominien gegenüber einem etwaigen Beitritt Großbritanniens zur Wirtschaftsgemeinschaft gab es, den Kommuniques der einzelnen Hauptstädte zufolge, man-

nigfache Abstufungen. Nur Malaya, dessen Export auf Zinn und Kautschuk ruht, verzichtete1 auf ein Veto. Alle anderen Mitglieder des Commonwealth äußerten ernste Bedenken und tiefe Besorgnisse wegen des Verlustes der offenen und traditionellen Märkte in England, Schottland und Nordirland. Manche Länder Asiens drohten sogar mit dem Austritt aus dem Sterlingblock. Eine betont negative Haltung bekundeten Canberra und Montreal. Der australische Premier Menzies steht vor Neuwahlen und der kanadische Ministerpräsident John Diefenbaker verlangt eine eigene Konferenz. Damit ist die Forderung der Brüsseler Zentrale der EWG, Großbritannien müsse sich zu einem bedingungslosen Beitritt entschließen, gescheitert. Die günstigste Interpretation, die diese Ereignisse zulassen, liegt in der Annahme, das konservative Kabinett MacMillan werde detaillierte Bedingungen über die künftigen Rechte des Commonwealth unterbreiten.

Der Zwiespalt Großbritanniens, das sichtlich unter einem gewissen amerikanischen Druck steht, ist leicht verständlich. London ist im Begriff, auf dem Kontinent größere politische Engagements einzugehen, kann aber im ökonomischen Bereich kaum einer direkten Anschluß an die Wirtschaftsgemeinschaft vollziehen, weil die Dominien ihre Gefolgschaft versagen. Das Inselreich hat mit großem diplomatischen Geschick die Umwandlung seiner Kolonien in ein Commonwealth durchgeführt, dessen Mitglieder heute auf die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Mutterland keinesfalls verzichten. Anderseits muß Großbritannien seinen Export nach dem Kontinent sichern und erweitern, wozu die sechs Kleinstaaten der Freihandelszone und das assoziierte Finnland einen ungenügenden Spielraum bieten, wenn infolge der Diskriminierung gleichzeitig der Absatz britische! Waren in Westdeutschland, Frankreich und Italien sinkt. Die Alternative „Entweder-Oder“ bringt keine Lösung. Alle Kräfte wirken vielmehr in der Richtung eines Kompromisses. Die Entscheidung über die Zukunft det wirtschaftlichen Integration fällt daher nicht in London, sondern in Paris und Brüssel, vor allem jedoch in Bonn, aber erst nach den Wahlen zum Deutschen Bundestag, die Adenauer mit Hilfe der Europaparole und der Hochkonjunktur gewinnen will.

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