Melange aus "fair" und "bio"

Werbung
Werbung
Werbung

Außenministerin Ursula Plassnik hat angekündigt, dem fairen Handel während der eu-Präsidentschaft besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Klaus Höfler hat in Guatemala am Beispiel Kaffee recherchiert, wie fair Fairtrade wirklich ist.

Durchschnittlich 45 Morde. Pro Woche. Allein in der Hauptstadt. Auch neun Jahre nach dem Friedensabkommen zwischen Guerilla und Militär ragt die Bürgerkriegsvergangenheit noch schroff in die Gegenwart Guatemalas. Der Armut der vielen steht der Reichtum der wenigen gegenüber. Das Land scheint in einem Sumpf aus Korruption und Kriminalität zu versinken. Die Tageszeitung "El Periodico" veröffentlicht mittlerweile täglich Mordstatistiken für die Hauptstadt Guatemala-Ciudad. Allein im vergangenen Oktober gab es 186 Todesopfer. Das österreichische Außenministerium spricht von einer "prekären Sicherheitslage".

Direkter Handel

Vor dieser Wirklichkeit wirkt La Union im Südosten des mittelamerikanischen Landes wie eine verschlafene Oase des Friedens. Aus dem wolkenleeren, stahlblauen Himmel stürzen sich Greifvögel in die sanft dahinrollende Hügellandschaft. Pferde und Kühe grasen die Abhänge ab, die die erst seit fünf Jahren asphaltierte Zufahrtsstraße begleiten. Der Ort selbst liegt versteckt auf tausend Metern Seehöhe. In Sichtweite zur honduranischen Grenze wächst hier jener Arabica Hochlandkaffee, der in Österreich als eza Bio-Kaffee "Mundo" in Weltläden und Naturkostgeschäften, aber auch in großen Supermarktketten wie Billa oder Spar verkauft wird.

eza ist die älteste und größte österreichische Importorganisation, die sich dem fairen Handel verschrieben hat. Seit dem Jahr 1975 knüpft sie möglichst direkte Wirtschaftskontakte zwischen mittlerweile rund hundert Produzenten in dreißig Herstellerländern in Afrika, Asien und Lateinamerika und den österreichischen Konsumenten. Die Kriterien dafür sind streng und werden von "Fairtrade", der weltweit größten Zertifizierungsorganisation für sozialen Handel, laufend kontrolliert. Allein für Kaffee füllen die Umweltschutz- und Sozialrichtlinien sowie die Liste der erlaubten Dünge- und Pflanzenschutzmittel 16 din A4-Seiten.

Der "Mundo"-Kaffee entspricht all diesen Vorgaben. Auf der Packung beruhigt deshalb ein schwarz-weißes "Fairtrade"-Emblem das Gewissen des Konsumenten, mit dem Kauf dieses Produkts die Bauern in den Herkunftsländern der Bohnen unterstützt zu haben.

Stimmt das aber auch? Wie gerecht ist eigentlich der sich selbst als "fair" zertifizierende und vermarktende Handel mit Waren aus Entwicklungsländern - ob Orangen aus Brasilien, Kakao aus Ghana, Bananen aus Ecuador oder Fußbällen aus Pakistan? Bekommen die dortigen Produzenten für ihre Waren tatsächlich mehr als am freien Markt? Wie nachhaltig ist das "Fairtrade"-System?

In La Union bekommt man entsprechende Antworten. Von den 25.000 vorwiegend indigenen Einwohnern leben rund 4000 vom Kaffee-Anbau - durch den dramatischen Verfall der Rohstoffpreise für das "braune Gold" seit dem Jahr 2000 ein noch härteres Unterfangen, als es davor ohnehin schon war. Nicht nur für die Lohnarbeiter auf den 70 Kaffee-Fincas in der Umgebung La Unions, auch und vor allem für die Klein- und Kleinstproduzenten ist der Preisverfall längst existenzbedrohend.

Spürbar entschärft wird die Situation für die Kaffeebauern in La Union durch das Zentrum für alternative Produktion und Vermarktung, "Cecapro" (Centro de Comercializacion Alternative y Proyeccion Organiza). 140 Mitglieder hat die Kooperative mittlerweile. Seit 16 Jahren liefert sie die Bohnen für den eza-"Mundo"-Kaffee.

Preise ohne Auf und Ab

eza zahlt dafür einen vom Weltmarktniveau (derzeit 108 us-Dollar) unabhängigen Mindestpreis von aktuell 121 (für konventionellen Kaffee) bis 136 Dollar (für Biokaffee) pro Quintal (45,5 Kilo). Dazu kommt eine zweckgebundene Extraprämie von fünf Dollar pro Quintal für Entwicklungsprojekte im Gesundheits- oder Bildungsbereich. Cecapro gibt vom so eingenommenen Geld knapp zwei Drittel an die Bauern weiter. "Dieser Fixpreis erleichtert uns die Planung und Kalkulation und ist eine Chance, eine nachhaltige Zukunftsperspektive zu entwickeln", unterstreicht Cecapro-Geschäftsführer Bruno Alvarez die Vorteile.

Ein Viertel für die Bauern

Vom tatsächlichen Verkaufspreis in Österreich (um die drei Euro für eine 250-Gramm-Packung) bekommen die Bauern so umgerechnet ein Viertel. Der Rest geht an eza als Importorganisation (28 Prozent), Lizenzgebühren, Steuern und Zoll (knapp über 20 Prozent, Transport und Verpackung (zehn Prozent) und den Wiederverkäufer (16 Prozent).

Allgemein ist der Rohstoff für das Bohnengetränk das wichtigste Agrargut im globalen Nord-Süd-Handel und nach Erdöl weltweit der wichtigste Exportrohstoff - mit einem entsprechend labilen Wechselspiel von Angebot und Nachfragen und weltweit verzahnten Abhängigkeitsverhältnissen. Beispielsweise förderten die Vereinten Nationen in Kolumbien und Bolivien Bauern, die vom Coca- auf den Kaffeeanbau umstiegen. Diese Agrarförderprogramme kurbelten allerdings in weiterer Folge die Kaffee-Überproduktion an und ließen den Rohstoffpreis für das "braune Gold" Ende 2001 auf ein historisches Tief sinken. Seither steigt der Preis - wenn auch mit ständigen Auf-und-Abs - wieder kontinuierlich an. "Fairtrade" wirkt in diesem unruhigen Ozean wie eine Fixierboje.

Die Alternative wäre ein brutales Preis-Dumping durch gewinnmaximierungsorientierte Zwischenhändler. Sie sind im typischen "Ab Feld"-Verkauf der Entwicklungsländer das Ende einer Spirale von chronischer Verschuldung und fehlendem Eigenkapital. Diese unscharfe Grenze zur Ausbeutung verläuft an diesem Vormittag entlang einer wildromantischen Bergstraße am Rand von La Union. Der heftige Regen hat die zerfurchte Erdpiste in einen aufgeweichten, ziegelroten Matsch zerfließen lassen, der sich in spitzen Kurven um dicht bewachsene Hügel schlängelt. Ein weißer Klein-Lkw stoppt an einer Kreuzung, an der eine Familie unter einem Bananenblatt Schutz vor dem Niederschlag sucht. Das unwirtliche Wetter verkürzt die Verhandlung zwischen dem Mann und dem Fahrer des Lkw. Wenig später wird ein Sack frisch gepflückter Kaffee auf die Ladefläche gewuchtet. Der Bauer bekommt dafür um gut dreißig Prozent weniger als Cecapro seinen Mitgliedern zahlt.

Bio-Kaffee in La Union

Die Cecapro-Bauern von La Union leben bis zu einem Tagesfußmarsch vom örtlichen Vertriebsbüro entfernt. Juan Escalante hat es nicht ganz so weit. Am Ortsrand von La Union bewirtschaftet der 60-jährige Landwirt zusammen mit seiner Frau América fünf Hektar Grund. Mitten im dichten Nebelwald, versteckt unter Bananenstauden, Orangen- und Mandarinenbäumen und den ausladenden Kronen des guatemaltekischen Nationalbaums Ceiba wachsen hier die buschigen, tiefgrünen Kaffeepflanzen. Je vier bis fünf Kilo der roten Kirschen tragen Escalantes Bäume im Schnitt.

Die Kaffeekirschen werden noch am Tag der Ernte weiterverarbeitet. Mitten im Wald hat Juan Escalante dafür eine kleine Anlage errichtet. Auf einer Fläche etwa in der Größe eines halben Tennisplatzes werden dort die Bohnen zunächst im Fermentationsbecken vom Fruchtfleisch getrennt, dann gewaschen und schließlich zum Trocknen gleichmäßig auf der Betonfläche ausgelegt. "Alles hundert Prozent biologisch", wirbt Juan Escalante. Maschinen sind keine im Einsatz, das Fruchtfleisch wird kompostiert, das Schwemmwasser in Klärbecken umweltfreundlich gereinigt.

In eigenen Verarbeitungsbetrieben wird schließlich die Pergamentschale von den ockergelben Bohnen gelöst und der Rohkaffee exportfertig gemacht. In Schiffscontainern geht es in einer dreiwöchigen Überfahrt von Guatemala nach Holland, wo der Kaffee geröstet wird. Von dort liefern ihn Lkw 14-täglich zur eza-Zentrale nach Salzburg.

Kaffeeland Österreich

410 Tonnen eza-Kaffee haben so allein im vergangenen Geschäftsjahr ihren Weg nach Österreich gefunden. Sie decken 0,8 Prozent des heimischen Röstkaffee-Konsums. Tendenz steigend. So wuchs allein im ersten Halbjahr 2005 der Gesamtabsatz von Fairtrade-Kaffee in Österreich um zwanzig Prozent auf 276,6 Tonnen. Neben dem "Mundo"-Kaffee aus Guatemala gibt es derzeit rund dreißig andere Kaffees mit "Fairtrade"-Gütesiegel. Nicht nur die amerikanische Kaffeehauskette Starbucks bietet ihn in ihren Filialen an, auch die Wiener Traditionsrösterei Julius Meinl und der Grazer Familienbetrieb Hornig verarbeiten und verkaufen "Fairtrade"-Kaffee an die heimische Kundschaft. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 8,1 Kilo pro Jahr gehört Österreich zur europäischen Spitze. Laut Kaffeeverband werden zwischen Boden- und Neusiedlersee jährlich 5,7 Milliarden Tassen Kaffee getrunken. "Fairtrade" wirkt dabei gegen den bisweilen bitteren Nachgeschmack der Globalisierung.

Der Autor ist freier Journalist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung