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Nur Afrika kann Afrika noch retten

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Am 24. Februar sprach im Wiener Institut fijr Entwicklungsfragen der einstige Koordinationsdirektor der UN-Wirtschaftskommissi-on für Afrika, ein Nigerianer: große Worte in einem kleinen Kreis!

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Am 24. Februar sprach im Wiener Institut fijr Entwicklungsfragen der einstige Koordinationsdirektor der UN-Wirtschaftskommissi-on für Afrika, ein Nigerianer: große Worte in einem kleinen Kreis!

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120 Länder der südlichen Erdhälfte wollen ihre Produkte 20 Industriestaaten des Nordens verkaufen. Seit vielen Jahren versuchen sie das in immer neuen Varianten: mit Monopolgütererzeugung (Kaffee, Tee, Kakao, Baumwolle, Zinn, Kupfer usw.), dann wieder durch Diversifizierung,

mit Hilfe bilateraler, dann wieder durch multilaterale Vereinbarungen.

Es gelingt nicht. Umgekehrt freilich kann jeder Anbieter jeden nur erdenklichen Unsinn in Afrika verkaufen.

Die Afrikaner sitzen auf einem riesigen Berg von Naturreichtümern, Rohstoffen, Bodenschätzen - aber sie reisen in endlosen Delegationen nach Genf, um in endlosen Verhandlungen um ein internationales Kakao- oder Zinnabkommen zu feilschen.

Ich nenne das die Kaffee- oder Tee- oder Kakao- oder Baum-woU- oder Zinn- oder Kupfermentalität. So kommen wir nicht weiter.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Industriestaaten heute eine riesige Uberkapazität an eigenen Erzeugnissen haben und sich untereinander eine scharfe Konkurrenz liefern, um sie loszuwerden.

Ich muß sehr lachen, wenn man uns in dieser Situation in Afrika von den Industriestaaten immer wieder eine Maschine anpreist, die „noch effizienter" als ihre Vorgängerin ist. Was bedeutet schon „Effizienz" für uns in Afrika unter solchen Voraussetzungen?

80 Prozent der Afrikaner wohnen in den Städten mit deren bekannter Sozialstruktur und Einkommensverteilung: Luxus für eine schmale Oberschicht, Armut für die Massen.

Auch im Fernsehen von Lagos werden jeden Abend vier ver-

schiedene Luxusseifen angepriesen, und in rascher Abfolge treten immer neue Produkte an die Stelle früherer: Abstimmung auf den Bedarf einiger weniger…

Auch in den Finanzministerien afrikanischer Staaten sitzen Leute, die vor allem an Zahlungsbilanzen und Technologie-Transfer und internationale Kreditzinsen usw. denken - und nicht an das, was vor allem notwendig wäre: die Umwandlung der eigenen Binnenmärkte in einer Weise, daß mehr Kaufkraft für die Massen geschaffen und dadurch eine erhöhte Nachfrage für lebensnotwendige Güter ausgelöst wird.

Kein afrikanisches Land mit der möglichen Ausnahme Ägyptens ist heute in der Lage, die Bodenschätze des eigenen Landes selbst zu heben. Wann werden wir endlich das einmal lernen?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die westlichen demokratischen Industriestaaten uns nicht helfen werden, weil sie uns mit ihren Wahlen alle vier, fünf Jahre, wo es um die Probleme ihrer eige-

nen Landesbewohner geht, nicht helfen können.

Sie können nicht langfristig planen und handeln. Deshalb setzen sie Kommissionen ein, die unsere Probleme „studieren" und spielen immer neue „Szenarien" durch: Spielereien …

Die Rettung der Dritten Welt liegt in den Händen der Führer der Dritten Welt. Aber in allen Ministerien afrikanischer Staa^-ten sitzen Leute, die die gleiche Uberzeugung haben: daß von irgendwoher irgend jemand kommen und ihre Wirtschaft retten wird, weil man ja „einen Staat nicht zusammenbrechen lassen kann". Und immer wieder schik-ken sie Delegationen in die Industriestaaten und betteln um Geld, Kredite, Geschenke…

Einem Amerikaner, der mich einmal fragte, wie denn die Hilfe der USA für Afrika beschaffen sein müßte, habe ich in aller Offenheit geantwortet: „Am besten wäre es, von ausgesprochener Katastrophenhilfe abgesehen, jede

Unterstützung für fünf Jahre überhaupt zu sperren."

Die Afrikaner müssen endlich damit aufhören, in der ganzen Welt umherzureisen und dann stolz mit Krediten zurückzukommen, von denen sie noch nicht einmal wissen, wofür sie diese verwenden werden - außer zur Rückzahlung alter Kredite oder zur Abzweigung auf Privatkonten… •

Dos sind Worte, die aufhorchen lassen. Daß sie die Situation allzu sehr simplifizieren, wurde in der Debattesofort eingewendet. Auch ließ sich der Vortragende keine konkreten Beispiele von Produkten entlocken, die seiner Meinung nach in afrikanischen Ländern für den heimischen Massenbedarf erzeugt werden sollten. Auch wäre es verhängnisvoll, sich durch solche Thesen in der Meinung bestärken zu lassen, die Dritte Welt gehe uns Titchts an. A ber daß ein bereits eingeleitetes Umdenken in Richtung ,Jiilfe zur Selbsthilfe" viel radikaler fortgesetzt werden muß, liegt nahe.

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