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Israels häusliche Amazonen

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POLIZISTINNEN IM STRASSEN- VERKEHR, Mädchen in Militäruniformen, junge Frauen als Taxifahrerinnen, Teenager in Miniminiröcken, zarthüftige Jeminitinnen in ihren langen Röcken und in bunter Nationaltracht, Araberinnen mit Schleier, schwarze Irakerinnen,

kraushaarige Afrikanerinnen mit dem Baby auf dem Rücken; Scharen von Mädchen auf den Feldern bei der Kukuruzemte; Mädchen und junge Frauen in Kinderheimen und Spitälern, in Büros, Geschäftslokalen und auf den Universitäten; Mädchen aller Schattierungen, Sprachen, Nationalitäten — Frauen in Israel!

Frauen in einem Land, wo die Männer in der Überzahl sind. Frauen in einem Land, wo Wissen und Können und vor allem Wille zur Arbeit und freudige Einsatzbereitschaft Voraussetzungen für die Existenz sind. Frauen, die Seite an Seite mit den Männern arbeiten — in Fabriken und Werkshallen, in den Orangenplantagen und Baumwollfeldern, hinter den Schreibtischen der Ämter und Behörden — sie sind geschätzt und geachtet, ja sie sind unentbehrlich geworden.

DIE ISRAELISCHE FRAU sieht Ihre neue Heimat — denn für viele ist sie neu, nur die „Sabres“ sind hier geboren — mit völlig anderen Augen, mit den Augen einer Eigentümerin, die wohlgefällig und mit Stolz ihre Blicke über dieses Land schweifen läßt. Unübersehbar ist dieses Land nicht, und so kann sie es sozusagen aus einem Atemzug heraus lieben. Sie weiß, wo es Hilfe nötig hat, und springt in die Bresche. Dieses Land ist wie eine große Familie für sie. Für sie, die es „großgezogen“ hat, die mit jedem Stein — und deren gibt es hier unzählige — einen Kampf ausgefochten hat, ist dieses Stückchen Erde lebendig.

Wie sie es versteht, den Tisch festlich zu schmücken, so versteht sie es auch, diesem Land ein hübsches Aussehen zu verleihen. Die karge Landschaft — die steinigen Hügel und sandigen Ebenen — ist durch viele Bäume aufgelockert und das gleißend weiße Sonnenlicht, das das Auge ermüdet, wird durch bunte Sonnenschirme auf Baikonen der Häuser und in den Gärten gemildert.

Audi die Feste, die religiösen Feiertage ebenso wie die Nationalfeiertage, werden meistens von den Frauen gestaltet und geprägt.

Zum Fest der Thorafreude, etwa um die Zeit unserer Weihnachten, sind alle Häuser mit Kerzen geschmückt

Oder zur Zeit des Purims — zur Zeit des israelischen Faschings — sind die Straßen voll mit lustig angezogenen Kindern und verkleideten Erwachsenen. Sogar die Beduinen aus der Negevwüste beteiligen sich daran und ziehen hoch zu „Kamel“ durch die Straßen Tel Avivs.

Besonders schön sind die Frühlingsfeste, blumenbekränzte Mädchen tanzen den Frühling ein, und kleine Buben streuen Blüten. Die Kinder aus den Schulen und Horten werden dazu angehalten, jedes Jahr einen Baum zu pflanzen, den sie dann betreuen müssen. Eine weise Einrichtung für ein Land, das beinahe nur aus Stein und Sand besteht.

Hier wirken Frauen im stillen. Man merkt, daß sie da sind, doch treten sie nicht in Erscheinung. Viel Kleinarbeit wird geleistet.

IN DEN KRABBELSTUBEN, IN DEN KINDERGÄRTEN, Schulen und Jugendorganisationen wird der Samen gelegt für die Zukunft dieses Landes.

Nur die hervorragendsten Kräfte werden in der Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt. Denn hier liegt das Kapital von morgen. Die Erziehung und Ausbildung steht an erster Stelle in diesem Staat.

„Lernen“ steht hoch im Kurs, und Lernen muß praktisch jeder ununterbrochen. Sind doch viele eingewandert, die vollkommen neu anfangen mußten, neue Berufe ergreifen mußten. Wenn ein Fachmann fehlte, so mußte jemand einsprdngen, und so wurden neue Spezialisten geooren.

Jeder mußte Hebräisch lernen. Das allein schon wäre für manchen von uns eine Lebensaufgabe und ist es auch für die Israeli selbst.

Viele ältere Leute beherrschen diese Sprache nicht — sie können sich nur mühsam verständigen. Sie können oft nicht einmal die Zeitungen lesen oder die Nachrichten im Radio verfolgen. So haben sie ihre eigenen Zeitungen, ihre Zirkel und Klubs, wo sie sich „zu Hause“ fühlen. In der neuen Heimat haben sie oft noch nicht Fuß gefaßt, haben noch keinen Anschluß gefunden. Frauenorganisationen bemühen sich um diese Leute — um die Neueinwanderer und Heimatsuchenden. Sie sind ihnen behilflich bei der Suche nach Wohnungen, nach Arbeit und organisieren Zusammenkünfte der einzelnen Nationalitäten.

DIE GEWERKSCHAFTLICHE FRAUENORGANISATION, der Rat der arbeitenden Frauen, sucht stets den Kontakt mit der Bevölkerung. In Israel sind fast alle Frauen gewerkschaftlich organisiert, verständlich, da die Gewerkschaft zugleich Krankenkasse und Pensionsanstalt ist. Sie tritt als Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung in einem auf. Denn als Israel noch von den Engländern besetzt beziehungsweise verwaltet wurde, schlossen sieh die eingewanderten Juden zusammen, um ihre Interessen selbst zu vertreten. Es wurden so die ersten Krankenkassen gegründet und Hilfsorganisationen. die dem einzelnen mit Rat und Tat beistanden. Als dann Jahrzehnte später Israel ein eigener selbständiger Staat wurde, war bereits eine gut funktionierende Organisation da, die Kapital, Grund und Boden, Fabriken und Gesehäfls- lokale besaß.

Neben der gewerkschaftlichen gibt es noch eine Menge anderer Frauen- organisationen, wie etwa die Wizo, eine der größten „freien“ Hilfsorganisationen, dann die religiösen Vereinigungen, die sich vor allem um die Jugend annehmen sowie den Bau von Synagogen und neuen Siedlungen unterstützen. Daneben gibt cs die Pionierjugendbewegungen, die ebenfalls von den Frauenorganisationen geführt werden.

Alle diese Organisationen werden vom Ausland beziehungsweise von Juden im Ausland finanziert.

OBWOHL ISRAEL SELBST FINANZIELLE und wirtschaftliche

Hilfe benötigt, ist es dennoch maßgeblich bei der Unterstützung der unterentwickelten Länder beteiligt. Viele junge Leute werden in Israel geschult, vor allem Mädchen innerhalb der Militärausbildung, um der afrikanischen Bevölkerung in verschiedenster Weise beistehen zu können. Sie gehen in SDitäler und bilden ihrerseits junge afrikanische Kolleginnen heran, sie zeigen ihnen, wie man den Boden am ertragre:ch- sten bewirtschaftet, sie helfen mit am Bau von Schulen und Krankenhäusern, sie unterrichten die Negerkinder und leben einige Zeit mit ihren dunkelhäutigen Brüdern und Schwestern. Doch auch viele afrikanische Burschen und Mädchen besuchen Israel als Gastschüler. Sie lernen in Fabriken und Werkstätten, sie lernen den Umgang mit Maschinen und Werkzeugen. Auch auf den höheren Schulen und Universitäten findet man genug junge Menschen aus dem benachbarten Erdteil.

Der in Israel herrschende Pioniergeist hat die Entwicklungsländer angesteckt. Nun versuchen auch sie auf alle mögliche Arten das Beste aus ihrem eigenen Land herauszuholen, am Beispiel Israels inspiriert, das aus den ausgedehnten Wüsten- und Sumpfgebieten einen fruchtbaren

Boden „erarbeitet“ hat. Die klimatischen und topographischen Bedingungen sind in beiden Kontinenten ähnlich, und so kann Afrika teilhaben an den Ergebnissen von landwirtschaftlichen Experimenten. Stark beeindruckt sind die jungen unabhängigen Staaten von dem starken Gemeinschaftsgefühl, das sie in Israel verspüren, und sie staunen über die Toleranz, der sie in diesem Land begegnen. Keine ideologischen Schranken stehen einem fruchtbaren Austausch von Erfahrungen und einer guten Zusammenarbeit im Wege.

Vor allem auf den Universitäten herrscht ein freier Geist. Den jungen Leuten werden alle erdenklichen Hilfen geboten, ihr Studium den neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften angepaßt und technische Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, die eine qualifizierte Ausbildung gewährleisten. Nach dem Motto „Investitionen, wenn sie noch so hoch sind, machen sich auf jeden Pall bezahlt“ strebt dieses Land einer Zukunft entgegen, der es gewachsen sein will.

ÜBER ALLE DIESE ERRUNGENSCHAFTEN hält die israelische Frau schützend ihre Hand, da sie weiß, daß ihre Kinder die beste Erziehung und Schulung erfahren werden. Sc ist es für sie auch eine Selbstverständlichkeit, daß sie die Militärdienstleistung ihrer Kinder befürwortet. Denn dort erhalten sie den letzten „Schliff“, der ihnen vielleicht noch fehlt, um im Leben zu taugen. Die Konfrontation mit Situationen, die Mut und Entschlußkraft verlangen, wo es die eigene Bequemlichkeit und den Egoismus zu überwinden gilt, wo es auf überlegtes Handeln ankommt, bildet den Charakter.

Und ist es wieder einmal „ernst“ geworden und haben die Grenzen zu wackeln begonnen, dann zieht das Volk aus, um das Land zu verteidigen. Dann gibt es keine Hand, die untätig wäre. Auch die Frauen im Hinterland, die nicht im Militärdienst eingesetzt sind, leisten das Ihre. Sie melden sich als Krankenhilfskräfte, sie arbeiten in Nähstuben und Großküchen, sie leisten gegenseitige Schützenhilfe.

Verständnis und gegenseitige Hilfe sind das Leitmotiv in diesem Land; denn will man zusammen leben, so muß man sich nicht nur gegenseitig achten, sondern auch einander helfen. Und dies ist den Israelis — nicht zuletzt durch das „Wirken“ ihrer Frauen — gelungen.

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