6644587-1958_16_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Ernte ist reif, aber es fehlt an Schnittern

Werbung
Werbung
Werbung

Afrika zählt heute bei 224 Millionen Bewohnern 24 Millionen Katholiken und etwa 21 Millionen andersgläubige Christen. 85 bis 90 Millionen sind mohammedanisch, der Rest ist heidnisch. Um ihn geht das fieberhafte Ringen der großen Religionen, die aber wiederum von Kommunismus und Materialismus bedroht sind. Für die Katholiken in den Gebieten der Propaganda wirken 11.199 Priester, davon 1811 Afrikaner. Für die Betreuung' der Getauften fehlen demnach (Verhältnis 1:1000) 6500 Priester. Die Zahl der Bekehrungen zeigt im Berichtsjahr 1956/57 (immer Propagandagebiete) ein Wachstum von 1,121.347. Die Zahl der Priester stieg in der gleichen Zeit aber nicht um 1100, sondern nur um 387. Man hat vor Jahren von der Gefahr der Erstickung der Kirche Afrikas gesprochen, eine Gefahr, die heute noch akuter geworden ist. Neben den Priestern stehen 4029 Brüder, 18.550 Schwestern und 80.485 Katecheten, (fropagandagebiete, 30. Juni 1956). Gewaltige Zahlen? Nur scheinbar, wenn man sie mit den Aufgaben vergleicht und feststellt, daß die Bekehrungsziffer wegen des ungenügenden Nachschubs an Kräften relativ geringer geworden ist.

Wo der katholische Missionär die Bekehrung der Schwarzen in Angriff nahm, tat er es in der Regel nicht durch einseitige Verkündigung des Glaubens, sondern in Verbindung mit einer Höherentwicklung der Völkerkulturen, die den Meeschen ein menschenwürdiges Dasein möglich machen soll. Buschschulen, dann Volks- und Mittelschulen, Handwerkerschulen und Haushaltschulen, Ambulatorien und Krankenhäuser zählten von Anfang an zur Missionsmethode in ' Afrika. Aus der Masse der Getauften wählten die Missionäre in sorgfältigem Beobachten junge Schwarze für das Priestertum aus. Zahlenmäßig ist der Klerus aber noch viel zu schwach. Sein Wachstum hält nicht Schritt mit der Zunahme der Gläubigen. In den Propagandagebieten zählte man am 30. Juni 1955 insgesamt 1424 Seminaristen. Ein Jahr später waren es 1458. Verglichen mit der wachsenden Zahl der Gläubigen, sind die Priesterberufe in den großen Seminarien sogar zurückgegangen. Heute entfällt auf durchschnittlich 11.449 Katholiken ein Seminarist. Diese schmerzliche Tatsache fällt aber auf die Heimat zurück. Die Felder Afrikas sind überreif zur Ernte, aber es fehlt an Schnittern.

Trotz dieser, menschlich gesprochen, vorerst unüberwindlichen ■ Schwierigkeiten geht die Kirche unbeirrbar ihren Weg. Sie verfolgt mit strenger Konsequenz ihr „höchstes Ziel“ (Pius XII. in der Afrikaenzyklika „Fidei Donum“), die afrikanische Kirche zur Selbständigkeit zu führen. Aus dem „Ortsklerus“ (nicht „einheimischer Klerus“) gingen bis heute 25 schwarze Bischöfe hervor. Zu Beginn des Pontifikates Pius' XII. trug noch kein Schwarzer die Mitra. Ein Zeichen für die Konsolidierung der Kirche Afrikas ist die wachsende Zahl der Klöster beschaulicher Orden wie Trappisten, Benediktiner, Trappistinnen, Karmelitinnen und andere, die begründete Aussicht haben, sich aus den Afrikahern ohne Zuzug von Weißen auffüllen zu können.

Pius XII. sagt in „Fidei Donum“, es genüge heute nicht, das Evangelium als solches in der Welt zu verkündigen. Fraglos wird die Zukunft der afrikanischen Kirche davon abhängen, ob es gelingt, die gesamte Gesellschaftsordnung der schwarzen Völker christlich zu machen. Was geschah zur Verwirklichung dieses Zieles? Die Kirche hat in Afrika das den Verhältnissen am besten angepaßte Schulwesen aufgebaut. Im Kongo allein stehen 17.596 Primärschulen mit 1,250.000 Kindern. In den Lehrerbildungsanstalten bereiten sich 7500 männliche und 3000 weibliche Kräfte auf den Lehrberuf vor. 27.000 Lehrer und 2800 Lehrerinnen stehen in den Schulen. Und das nur im Kongo. Kein Wunder, wenn begehrlicher Neid solch herrliches Werk zerstören möchte. Um den von den Bischöfen sehr energisch geführten Schulkampf im Kongo gegen die freimaurerische belgische Regierung ist es stiller geworden. Dafür ist das katholische Schulwesen in Südafrika fast ruiniert. Im Sudan wurden durch eine Regierungserklärung vom 13. Februar 1957 sämtliche aus öffentlichen Mitteln unterstützten. Privatschulen vom Staat „übernommen“. Zwischen dem 14. April und dem 15. Mai fielen dieser Maßnahme 209 katholische Landschulen, 40 Elementarschulen und drei Lehrerbildungsanstalten im materiellen Wert von drei Millionen Dollar zum Opfer. Zeichen des Schulkampfes sind u. a. in Ghana, Aegypten, Rhodesien unverkennbar.

Die wachsende Zahl von Schulbesuchern fordert gebieterisch ein immer stärker werdendes Pressewesen. Die Verdienste der katholischen Mission um die Litraturfähigkeit afrikanischer Sprachen ist ungeheuer. Damit sind aber auch den gegnerischen Kräften Voraussetzungen für die Ausnützung dieses wachsenden geistigen Potentials gegeben. Wachsend wird der afrikanische Markt mit Schmutz übelster Sorte überschwemmt. Aehnlich ist es auf dem Gebiet des Films. Die Missionäre haben längst die Notwendigkeit eines katholischen Filmschaffens erkannt. Was sie aber bieten können, ist, verglichen mit der ausländischen Schundproduktion, klein und unbedeutend. Der wachsende Wohlstand vieler Völker macht auch das Radio immer wichtiger. Ueberau entstehen Empfangsstationen. Eigene katholische Sendezeiten werden eingeführt. Wichtiger wären katholische Sender. Eines der größten Probleme Afrikas bei seiner relativ sehr dünnen Bevölkerung ist die Industrialisierung. Durch sie werden ganze Stämme ihrer jungen Männer beraubt. Die Familien werden zerrissen. Nicht selten ist infolge dieser Entwicklungen ein christliches Gemeinschaftsleben nicht mehr möglich. Förderung des Ackerbaus und damit Bindung der Menschen an die Heimat, die ausreichende Möglichkeiten zum Leben bieten kann, sind dringende Bedürfnisse der Stunde. Auch die rapide Entwicklung des Sports zwingt die Kirche zu Maßnahmen, die diese wichtige Er-

Ziehungssparte junger Menschen verchristlicht. Eine Großtat ist die Errichtung des raumreichen Stadions zu Leopoldville durch Missionäre.

In einem heutigen modernen Staat wird ein großer Teil des geistigen und politischen Lebens von Industrie und Wirtschaft bestimmt und kontrolliert. Nicht anders in Afrika. Ohne die Verchristlichung dieser Machtfaktoren des modernen Lebens wird eine Verchristlichung der Gesellschaft unmöglich sein. Man sieht diese Zusammenhänge klar, konnte aber bis heute wenig tun. Ein aufstrebender Kongo braucht heute ebenso notwendig wie Priester Brüder und Schwestern, Wirtschaftsführer, die nach den Lehren der Sozialenzykliken die Wirtschaft der afrikanischen Völker aufbauen. Europäische katholische UnternehmerveTbände müßten wachsend Verantwortungsbewußtsein in sich tragen für diese Gebiete, in denen neue Zentren der Wirtschaft und Industrie entstehen.

Der Christianisierung Afrikas drohen gewaltige, meist von außen kommende Gefahren. Vom Islam hat man geschrieben: „In der Glaubenspropaganda übertrifft der Islam zur Zeit jede andere Religion. Er ist auf dem besten Wege, d i e afrikanische Religion zu werden. Auf jeden, der sich taufen läßt, treffen in Afrika zehn, die der Islam für sich gewinnt.“ Auch das Heidentum ist nicht tot. Die Mau-Mau-Unruhen in Kenya, Schwarmgeisterbewegungen in verschiedenen Gebieten sind Reaktionen des alten Heidentums, vermischt mit nationalistischen, weißenfeindlichen Tendenzen, die vom Kommunismus für seine Ziele geschickt aufgefangen werden. Die Welle des Nationalismus in Afrika hat erst begonnen, Sie strebt noch ihrem Höhepunkt zu. In der spannungsgeladenen Aufwärtsentwicklung Afrikas sieht Moskau eine einmalige Chance. Und. westlich orientierte Menschen, die mit Abscheu auf den Kommunismus schauen, fördern diese Bestrebungen durch den Wahnsinn der Rassengesetze. Vielleicht nicht so in die Augen springend, aber nicht weniger gefährlich, besonders für die biologische Entwicklung des Volkes, ist die unheimliche Zunahme des A1 k o h o 1 i s m u s. In zwei Jahren hat der Bierverbrauch im Kongo um SO Prozent zugenommen. Eine Brauerei nach der anderen entsteht.

Die Kirche macht Fortschritte. Aber ohne wesentliche Hilfe der Heimat können diese nicht gehalten, erst recht nicht ausgebaut werden. Es genügt heute nicht mehr, nur zu predigen und zu taufen. Verchristlichung der Gesellschaft ist Vorbedingung für ein christliches Volksleben. Das kann ohne den Einsatz hochqualifizierter Kräfte aus Europa noch nicht geschehen. Nur so können die ungeheuren Gefahren, die Afrika heute bedrohen, in positiver Weise überwunden werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung