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Die Weltmission am Beginn einer neuen Epoche

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Die geistigen Auseinandersetzungen der nächsten Zukunft werden ausgetragen von jenen Richtungen, die auf die Menschheitsfamilie zielen, Weltkirche und Kommunismus. Damit bricht die große Stunde der Weltmission an; es geht um ihr Endziel. Die neue Zeit wird die Zeit der Weltkirche wnd Völkerkirche sein.

Unverkennbar wird durch die vielen grundsätzlichen Änderungen der politischen Lage auch für die Weltmission eine einschneidend neue Stellung geschaffen. Indien hat seine Selbständigkeit erlangt. Nordafrika hebt an, sein Selbstbestimmungsrecht zu fordern. In Madagaskar glüht das Feuer unter der Asche. I-folländische Truppen sind gegen die indonesischen Republikaner eingesetzt. In Hinterindien erhebt sich die einheimische Bevölkerung gegen die französische Herrschaft. Das alte Kolonialsystem der europäischen Mächte ist aus den Fugen gehoben. Mehr und mehr schwindet der Einfluß der Mutterländer.

Es war das Bestreben der Kolonialmächte, Missionäre des eigenen Landes in ihren Kolonien zu haben. Im Schulwesen stehen * heute noch viele Missionen in einer gewissen Abhängigkeit von der Kolonialregierung. Dies alles bringt die Kirche naturgemäß beim Aufrollen der Verselb-ständigungsfrage vor den Eingeborenen in eine peinliche Lage. Jedoch war es immer die Mission, bei der die Eingeborenen in der Reklamierung ihrer Menschenrechte Verständnis und Hilfe fanden. Im Kampfe um ihre Rechte stand die Mission immer auf seiten jener, deren Rechte bedroht erschienen. Es gibt keine Kolonialgeschichte irgendeiner Macht, die nicht von schweren Kämpfen der Mission um die natürlichen Reihte der Eingeborenen berichtet, in denen die katholische Mission aus ihrer grundsätzlichen Einstellung heraus auf seiten der Schwächeren stand. So steht sie auch gerüstet, wie immer sich die Verhältnisse gestalten mögen.

Bei der politischen Neubildung der nicht-christlichen Welt schwebt den gestaltenden Kräften immer das Ideal eines laizistischen und säkularisierten Staates vor Augen. Jedoch wird die Erreichung dieses Ziels große innere Spannungen in der Masse des Volkes heraufbeschwören. Die Religion ist der Halt für das Gefüge der afrikanischen Gesellschaftsordnung. Indiens Denken, gerade in der sozialen Richtung, ist bestimmt durch den Hinduismus und Islam. Der Konfuzianismus bildet das Gerüst der chinesischen Staatsform. Der japanische Staat von gestern suchte seinen Halt im Schintoismus. Mehr oder weniger trägt die Gesellschafts- und Staatsform der nichtchristlichen Länder hierarchischen Charakter.

Mit einer laizistischen Staatsform verlieren aber diese Religionen ihren Einfluß auf den Staat und damit auf breite Massen. Andererseits verzichten die neuen Staatsgebilde auf den moralischen Rückhalt des besseren Teiles der Bevölkerung. Ob sie ohne die religiöse Stütze die innere Kraft zur Neugestaltung haben oder die Völker in ein Chaos führen, niuß_ die Zukunft lehren. Ob die Entwicklung sich zum Voroder Nachteil der katholischen Mission auswirken wird, hängt davon ab, wie die proklamierte Neutralität jeder Religionsform gegenüber gehandhabt und was unter Religionsfreiheit praktisch verstanden wird. Wenn Religionsfreiheit, wie Gandhi sie auffaßt, jede Werbung ausschließen soll, wird damit faktisch jede Missionsarbeit im eigentlichen Sinne lahmgelegt.

In allen Gebieten nichtchristlicher Völker wird zudem der Druck und der Einfluß des Korrtmunismus immer fühlbarer und drohender. Seine Macht ist in dem Maße gewachsen, wie die alten Religionen in der Notzeit versagten. Gerade in den Missionsgebieten hat er sich unverhohlen und offen als der Feind alles Religiösen, auch des Christentums, erwiesen. Die Schäden der Missionen in China und Hinterindien sind in unvergleichlich größerem Maße von den .Kommunisten als von den Kriegsereignissen verursacht. Die materiellen Schäden der katholischen Missionen in China werden nach dem Bericht des Apostolischen Internuntius in Peking (Juni 1947) mit 22 Millionen Dollar angegeben.

So steht die katholische Weltmission am Beginn einer neuen Epoche vor neuen Problemen und schwierigen Aufgaben. Die weitausschauende Missionspolitik der letzten Päpste hat geoffenbart, daß sie der neuen “Zeit gewachsen ist.

Es erhebt sich aber die Frage, ob die Kirche auch äußerlich füf diese Entscheidung gerüstet ist, ob Kräfte und Mittel in erforderlichem Maße zur Verfügung stehen. Es ist festzustellen, daß nach dem ersten Weltkriege die katholischen Missionen im Laufe ihrer zweitausendjährigen Geschichte ihre glänzendste Entfaltung erlebten. Mitten in diesem hoffnungsreichen Aufstieg wurden sie vom zweiten Weltbrand überrascht. Gerade die Länder mit dem stärksten missionarischen Willen, Frankreich, Italien, Deutschland, Holland und Belgien, wurden durch die Kriegsereignisse am schwersten angeschlagen. Diese Länder stellten insgesamt 78 Prozent des katholischen Missions-peronals. Der Nationalsozialismus hat überall, wo er sich stark genug fühlte, sich auf religiösem Gebiet, gegen die Missionsidee und Missionsarbeit am stärksten und konsequentesten gerichtet. Im Bereich des „Großdeutschen Reiches“ konnte keine der rund 120 Missionsbildungsstätten ihrer Aufgabe weiterdienen. Von den Missionstheologen sind 25 Prozent gefallen. Der Gesamtverlust auf Grund der Kriegseinwirkungen beträgt etwa 60 Prozent. Die Propaganda und die Ideologie haben auf die heranwachsende junge Gymnasialgerieration einen Einfluß ausgeübt, der es befürchten läßt, daß aus ihren Reihen für dje nächste Zeit kaum eine nennenswerte Zahl von Priester-und Missionsberufen zu erwarten ist. Indessen hat sich der Katholizismus der Neuen Welt in verstärktem Maße der Missionen angenommen und sucht die entstandenen Schäden gutzumachen. Das verstärkte Verantwortungsbewußtsein der amerikanischen Völker für die Weltmission schafft ein neues Stadium in der Mobilisierung der christlichen Welt für die Christianisierung der heidnischen Völker.

Jedoch sind auch die direkten Verluste und Ausfälle der letzten zehn Jahre unersetzlich groß. Durch die Kriegsereignisse sind 350 Glaubensboten in den katholischen Missionen zum Opfer gefallen. Bei normaler Entwicklung hätten in diesen Jahren etwa 25.000 Priester, Brüder und Schwestern ihre Reise in die Missionen angetreten, das sind mehr als 40 Prozent des auswärtigen Missionstabes der Propagandamissionen. Nur ein Teil wird den Missionen noch zur Verfügung stehen. Bisher sind seit Kriegsende etwa 4000 Missionskräfte in die Heidenländer abgereist. Doch wurde in den Mis-sionsländern eine erhöhte Zahl einheimischer Priester ausgeweiht. Sie haben voll und ganz den in sie gesetzten Erwartungen entsprochen. Die einheimischen Bischöfe zeigten sich in den schwierigen Situationen als wahre Hirten ihrer Herde. Aber es darf nicht übersehen werden, daß der einheimische Klerus an Zahl und Bedeutung nur langsam wachsen kann und das in der Zeit der drängenden Aufgaben und riesenhaften Entscheidungen.

Das Aufhören der Unterstützung aus den

Heimatländern zwang die Missionen, die Neuchristen stärker wirtschaftlich für den Unterhalt der Station und des Missionars heranzuziehen. Die bisher uns zugekommenen Berichte heben die Opferfreudigkeit der Christen besonders lobend hervor. Als goldene Ähren (epis d'or) ließen die eingeborenen Katholiken von Belgisch-Kongo 1945 dem Hl. Vater 2,6 Millionen belgische Franken für andere bedürftige Missionen überreichen. Auf jeden Neger entfiel ein Beitrag von fast einem Franken. Psychologisch bedeutet die fortschreitende wirtschaftliche Verselbständigung, daß den Christen die Mission zur eigenen Sache geworden, ist und diese sich damit tiefer in den Gemeinden und im Lande verankerte.

Das Erleben des Krieges mit all seinem Schrecken hat den Völkern die Kirche in ihrer ganzen Größe gezeigt. Die karitative Tätigkeit, die sich auf alle, ohne Unterschied der Religion und Farbe, auf Freund und Feind erstreckte, zeigte die katholische Kirche .als die Religion der allumfassenden Liebe in der Welt des Hasses. Hunderttausende fanden Schutz und Rettung in den Missionsstationen Chinas. Fast alle Gebiete berichten von zahlreichen Bekehrungen, die sich bewährt haben. In diesen Tagen der • Drangsale trat den heidnischen Flüchtlingen greifbar vor Augen, daß wahres Christentum den Menschen leidensfähig macht und ihn nicht einem pessimistischen Fatalismus verfallen läßt. Das Beispiel der Katholiken, die mit ihnen das gleiche Los teilten, aber ungebrochenen Mutes blieben, hat viele, besonders maßgebliche Personen, der Kirche zugeführt oder wenigstens nähergebracht. Wenn gemeinsam erlebtes Leid die Menschen aneinanderkettet, dann haben auch die von Christen und Heiden gemeinsam erduldeten Nöte das Christentum und die katholische Mission tiefer in das Volk hineingetragen.

So stehen den Verlusten auch wichtige Aktiven gegenüber, die in das Dunkel von morgen helle Lichtstrahlen werfen. Indessen zwingt uns die Gesamtlage der katholischen Missionen zu folgenden Schlußforderungen:

1. Die geistige und politische Entwicklung der- Menschheit drängt die Mission in d a s entscheidende Stadium. Für die katholische Kirche geht es darum, ob sie Weltkirche oder Diasporakirche faktisch sein wird.

2. Die missionarische Heimat trägt für den Ausgang der Entscheidung die Verantwortung. 'Europa hat noch auf lang Zeit die bevorzugte Sendung, Künderin des Evangeliums für die heidnische Welt zu sein. Es ist Aufgabe der christlichen Völker, aus dem Bewußtsein der ganzen Schwere der Entscheidung mit erhöhter Kraft für Berufe, Mittel und übernatürliche Hilfe zu sorgen. VondemAus-gang der Entscheidung hängt auch das Schicksal der Kirche in der Heimat ab.

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