Guter Wille allein ist zu wenig

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Oft schon wurde gegen das Angebot/Nachfrage-Gesetz angekämpft. Erfolge sind mir nicht bekannt, Schäden schon.

Goethe, genauer: ein "Faust"-Zitat, kam mir in den Sinn, als ich erstmals von TransFair und dem Verlangen nach "gerechten" Produzentenpreisen hörte: "Ein Geist, der stets das Gute will und doch Arges schafft." Zuerst muss man fragen, was ist ein gerechter Preis? Ist er gerecht, wenn er alle Kosten plus ein angemessenes Einkommen deckt? Welcher Preis ist gerecht, wenn das Pro-Kopf-Durchschnittseinkommen in Äthiopien bei 130 US-Dollar pro Jahr liegt, in Brasilien aber bei 3.400. In beiden Ländern gibt es Kaffeepflanzer. Der kleine Pflanzer in Afrika konnte, wegen relativ niedriger Lebenshaltungskosten, bis heute überleben, sonst gäbe es dort keine Kaffeeproduktion mehr. Erhält er nun einen gerechten Preis?

Kaffee ist ein Hauptanliegen von TransFair. Eine bedeutende Überproduktion steht dabei aber der Preisentwicklung auf den internationalen Kaffeemärkten entgegen. Der starke Preisauftrieb bei Genussmitteln nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders stark ausgeprägt durch Hortungskäufe im Gefolge des Korea-Konflikts, führte zu einer rasanten Ausweitung der Kaffeeanbauflächen. In kurzer Zeit entstanden nicht vermarktbare Überschüsse und ein Preisverfall.

Der einzige wirkungsvolle Regulator ist und bleibt der Markt. Es soll nicht vergessen werden, dass der Kaffeekonsum seit den sechziger Jahren kaum mehr zugenommen hat. Was war die Konsequenz? Der Konsum in Europa/Nordamerika - neunzig Prozent der Kaffeeausfuhren gehen in diesen Raum - wuchs bis heute nur im Einklang mit der Bevölkerungszunahme, und die lag bei maximal 40 Prozent in den letzten vier Dekaden. Die Produktion ist aber im selben Zeitraum um mehr als 100 Prozent gestiegen.

Welche Auswirkung auf den Kaffeeweltmarkt und die Produktion kann man nun aber durch die - sicherlich gut gemeinte - Intervention von TransFair erwarten? Auf der Konsumseite vielleicht einen Verbrauchsrückgang: Kaffee zählt, volkswirtschaftlich gesehen, zu den "nachfrageelastischen" Produkten, im Gegensatz zu Brot oder Milch. Höhere Kaffeepreise könnten dazu führen, dass bei der Espressomaschine etwas weniger verwendet wird. Oder dass zum Teil auf Tee umgestiegen wird.

Viel gefährlicher kann es aber dann werden, wenn die ausgewählten Kaffeefarmer, mit einem höheren Einkommen aus ihren Verkäufen konfrontiert, sich auf eine Produktionsausweitung einlassen. Statt billigen Mais für den Selbstverbrauch anzubauen, könnten diese Ackerflächen mit Kaffee ausgepflanzt werden, und damit würde die Überschussproblematik weiter angeheizt. Denn wer würde dann den zusätzlich produzierten Kaffee konsumieren?

Wir brauchen gar nicht weit zu gehen, um das zu sehen. Auch in Österreich gibt es eine vergleichbare Situation auf dem Milchsektor. Produzenten in oder nahe bei Tourismuszentren können - und tun es auch - ihre Milch preisgünstig bei der Hotellerie direkt absetzen. Vielleicht etwas unter dem Supermarktpreis, aber doch um das Doppelte des Molkereipreises. Und der Bauer im hintersten Graben ohne eine Möglichkeit der Direktvermarktung kommt wirtschaftlich immer mehr unter die Räder. TransFair verwirklicht einen höheren Preis für einige Kaffeefarmer. Analog zu den österreichischen Milchproduzenten werden sie ihre Produktion ausweiten - zum Schaden der nicht in TransFair organisierten Pflanzer. Das ist aber die große Mehrheit.

In den siebziger und achtziger Jahren wurde von der Weltbank oder regionalen Entwicklungsbanken die Armutsbekämpfung in der Dritten Welt zur Priorität erklärt. Weil in diesen Ländern bis zu 90 Prozent in und von der Landwirtschaft lebten, kam man zum Schluss, dass eine Förderung der landwirtschaftlichen Produktion der Schlüssel zur Armutsbekämpfung sei. Während diese Annahme in Staaten mit Hungerproblemen und nicht exportorientierter Landwirtschaft wie Indien richtig war - seit Jahrzehnten gibt es dort keine Millionen Hungertoten durch Missernten mehr -, scheiterte diese Politik, wenn sie auf Verbesserung der Agrarexporte hinarbeitete.

Saturierte Verbraucher in Nordamerika, Europa, Japan mit einem Bevölkerungswachstum von unter einem Prozent können Agrarüberschüsse in Entwicklungsländern nicht absorbieren. Es ist ihnen nicht möglich, die wachsende Armut der Dritten Welt durch Agrarimporte zu bekämpfen.

In früheren Diskussionen zum Kapitel TransFair wurde mir die Frage gestellt, ob man in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Kleinbauern überhaupt nichts machen sollte. Nein, im Gegenteil, es gäbe soviele - produktionsneutrale - Möglichkeiten, den Unterprivilegierten der Dritten Welt zu helfen. Das Fehlen von einwandfreiem Trinkwasser verdammt Millionen von Kleinkindern zu einem frühen Tod. Medizinische Versorgung ist in weiten Teilen dieser Länder fast nicht existent. Der Analphabetismus ist noch sehr hoch. Da kann man durch NGOs viel erreichen - ohne die wirtschaftliche Existenz anderer Bauern zu gefährden. Ankämpfen gegen das Angebot/Nachfrage-Gesetz wurde schon oft versucht. Erfolge sind mir nicht bekannt, Schäden schon.

Der Autor war Angestellter der Weltbank.

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