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Kaffee ist nicht gleich Kaffee

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Von Martin MaierEs kümmert Sie nicht die Bohne, welchen Kaffee Sie trinken? Das sollte es aber. Je billiger die Tasse, desto ärmer die Bauern in der Dritten Welt.

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Von Martin MaierEs kümmert Sie nicht die Bohne, welchen Kaffee Sie trinken? Das sollte es aber. Je billiger die Tasse, desto ärmer die Bauern in der Dritten Welt.

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Rund 130 Millionen Nächtigungen kann Österreich pro Jahr verzeichnen. Würden die Touristen statt 900 Schilling pro Tag nur noch 360 Schilling ausgeben, dann würden die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr von 117 Milliarden Schilling auf 47 Milliarden fallen. Die Folge: rund 200.000 Arbeitslose mehr, weniger Steuereinnahmen, die Regierung würde permanent Krisensitzungen abhalten”. Dieses Schreckensszenario malt Helmuth Adam von „TransFair Österreich” an die Wand, das für Millionen vom Kaffeeanbau abhängige Menschen in der sogenannten „Dritten Welt” aber bittere Realität ist. Alleine in den vergangenen drei Jahren ist der Welthandelspreis für Kaffee um 60 Prozent gesunken (siehe Grafik).

Damit ist Kaffee nominell billiger als in den dreißiger Jahren. 1977 erhielten die Kaffee-Exporteure rund 230 US-Cents für ein Pfund Kaffee, fünfzehn Jahre später fast nur noch ein Viertel, und zwar 46 Cents! Der Preisverfall durch die Inflation ist noch gar nicht berücksichtigt. Der Weltmarktpreis von 15 bis 17 Schilling pro Kilogramm liegt oft unter den Produktionskosten. In Nikaragua brauchte ein Kaffeebauer aber 21 Schilling pro Kilogramm zum Überleben.

Warum sinkt der Kaffeepreis seit rund dreißig Jahren? Einst von den Kolonialländern groß angelegt, sind Kaffeeplantagen heute für viele Entwicklungsländer eine der wenigen Einnahmequellen, mit denen sie ihre Schulden gegenüber den Industriestaaten abzubauen hoffen. Immer mehr Kaffee wird angebaut, obwohl der jährliche internationale Kaffeeverbrauch stagniert.

Das 1962 in der UNO in New York abgeschlossene, erste internationale Kaffeeabkommen sollte den Preisverfall stoppen. 42 Kaffee-Exportländer und 17 Importländer einigten sich darauf, daß für die weltweiten Kaffee-Exporte eine Globalquote festgelegt und unter den Produzentenländern im Verhältnis der bisherigen Produktion aufgeteilt wird. Sinken die Kaffeepreise für länger als zwei Wochen unter einen festgelegten Mindestwert - derzeit beträgt er 80 Cents pro Pfund - so soll die vierteljährlich geltende Exportquote um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Die Internationale Kaffeeorganisation mit Sitz in London sollte dieses Abkommen überwachen.

Schön war die Theorie, doch in der Praxis hielten sich nicht alle Länder daran. Brasilien etwa wollte seine Exportquoten erhöhen, weil es auf seinen Großplantagen im Flachland den billigeren Robusta-Kaffee anbaut, fast ein Drittel aller Kaffee-

Exporte stellt und seine Schulden durch mehr Export abbauen will. Kolumbien wiederum will mehr vom überwiegend im Hochland von Kleinbauern angebauten Arabica-Kaffee exportieren, weil dieser wegen seines besseren Aromas von den europäischen Konsumenten immer mehr nachgefragt wird.

Zusätzliche Kaffee-Exporte über den freien Markt, den Spotmärkten, ließen den Welthandelspreis in den Keller stürzen.

Zwischenhändler gewinnt

1989 traten die USA, der größte Kaffee-Abnehmer der Welt, aus dem Kaffeeabkommen aus, und die Preise sanken rapide. Innerhalb von drei Jahren um 60 Prozent. Von den schon geringen Welthandelspreisen sehen die Kleinbauern immer weniger. Die Zwischenhändler nutzen es aus, daß nicht in Genossenschaften Zusammengeschlossene den Kaffee weder zu den Exporthäfen transportieren, noch die Kaffeekirschen zu Rohkaffee verarbeiten können. Sie können zwei Drittel des Welthandelspreises kassieren.

In Österreich will die Organsiati-on „TransFair” (siehe nebenstehende Kurzinformation) mit gerecht gebändeltem Kaffee vorerst einen Marktanteil von drei Prozent erringen. Das ist immerhin zehnmal so viel wie bisher über die wenigen Dritte-Welt-Läden und der EZA-Üi-rektversand umgesetzt werden konnten. Andere Produkte wie Tee, Honig und Kakao sollen in Zukunft unter dem Qualitätszeichen „TransFair” in normalen Geschäften für eine Ausweitung der gerechter Handelsbeziehungen sorgen.

„TransFair”-Kaffees sind zwar um bis zu sieben Schilling pro halbes Kilo teurer, sie bieten aber auch eingefleischten Kaffeetrinkern Vorteile. „TransFair”-Kaffee stammt vorwiegend aus Kleinplantagen in Hochländern in einem bestimmten Gebiet und ist daher von besserer Qualität als anonymer Markenkaffee. Dieser wird, um bei der großen Mengen einen einheitlichen Geschmack zu bieten, aus bis zu acht Sorten gemischt.

Kaffee ist in seinem Geschmack von Anbaugebiet, Boden und Pflege abhängig.

Die Genossenschaften, die „TransFair” -Partner sind, sorgen durch Schulung und Investitionen in die bäuerliche Infrastruktur für möglichst wenig Chemie-Einsatz. Durch naturnahen Anbau steigt die Qualität.

Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Österreich über 2.000, zumeist kleine Kaffeeröster. Viele Kaffeehäuser rösteten ihre eigene, individuelle Kaffeemischung. Heute gibt es nur noch einige Dutzend Kaffeeröster und nur mehr ein Kaffeehaus, das „Kaffee Alt Wien” in der

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