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Überall auf der Welt wird Kaffee konsumiert. Doch warum verbieten viele Eltern ihren Kindern das Kaffee-Trinken? Keine Antwort darauf, dafür andere Antworten lieferte ein Kongress in Wien.

Besucht man als Journalist einen Kongress über "Molecular and physiological effects of bioactive compounds", erhofft man sich neueste Erkenntnisse und klare Antworten. Zum Beispiel auf lebenspraktische Fragen wie: Ist Kaffee wirklich ungesund? Und wenn ja, welches ist der am wenigsten schädliche? (Ganz auf den aromatischen Wachhalter verzichten, möchten viele Menschen wohl eh nicht). Tatsächlich fanden sich am Kongress mehrere Wissenschafter, die die Biochemie des Kaffees erforschten. Doch die Experten sprachen vorzugsweise im Konjunktiv. Nachdem ich das Aufnahmegerät abgedreht hatte, meinte der eben interviewte Toxikologe: "Ich weiß, ich bin Ihrer Frage ausgewichen. Ich hätte gesagt: ,Kaffee ist gesund, aber ...' Jedoch würden Sie über das Aber nicht mehr schreiben." Wissenschafter sind eben vorsichtig. Wen wundert's, die Materie ist schließlich komplex.

Kaffee enthält schätzungsweise mehr als tausend Substanzen. Gewichtsmäßig den größten Teil machen dabei Kohlenhydrate aus. Einige dieser Kohlenhydrate sind Ballaststoffe, haben also eine positive Wirkung auf die Verdauung. Bei anderen, den Mannanen, vermutet Manuel Coimbra von der Universität Aveiro in Portugal eine anti-virale und anti-tumorale Wirkung. Ein paar wenige Prozente sind Proteine.

Viele Unbekannte

Und einen relativ großen Teil machen chemisch nicht charakterisierte Stoffe aus. Nach einer Studie von Coimbra sind das rund 19 Prozent bei einer leicht gerösteten Arabica-Sorte und 33 Prozent bei einer dunkel gerösteten.

Beim Rösten entstehen folglich viele neue Stoffe. Zum Beispiel die Melanoidine, eine Gruppe von chemisch sehr unterschiedlichen Molekülen. Sie machen die schwarze Farbe des Kaffees aus. Ihnen wird auch eine antioxidative Wirkung zugeschrieben. Doch verursachen sie auch gelbe Zähne? Wahrscheinlich (meine Vermutung). Es soll ja Leute geben, die deshalb keinen Kaffee trinken. Dabei gäbe es auch einen positiven Effekt für die Mundflora. Maria Daglia von der Universität Pavia berichtete, wie Kaffee Streptokokken-Bakterien im Mund tötet. Einige dieser Streptokokken gelten als Auslöser von Karies. Daglia konnte auch die zahnschützenden Stoffe im Kaffee finden: Glyoxal und Methylglyoxal. Auch sie entstehen beim Rösten - in Robusta-mehr als in Arabica-Kaffee. Und sie gelten als Zellgifte. Aber: Bekanntlich macht die Dosis das Gift.

Schönstes Beispiel dafür ist das Koffein. Pflanzen entwickelten es ursprünglich, um Fressfeinde abzuhalten. Für den Menschen ist das Nervengift nicht tödlich, zumindest nicht in den üblicherweise konsumierten Mengen. Es wirkt angenehm anregend.

Die detaillierte molekulare Wirkung von zwei anderen Kaffee-Stoffen entschlüsselte Wolfgang Huber von der Medizinischen Universität Wien: Kahweol und Cafestol-kurz: K/C (Wissenschafter lieben es, Molekülen Kürzel zu geben). Beide verhindern, dass PhIP (noch ein Kürzel - der ausgeschriebene Name wäre fünfzig Zeichen lang) sich an DNA binden kann. Diese Bindung kann als erster Schritt bei der Entstehung von Krebs gesehen werden. Aus Tierversuchen weiß man, dass PhIP krebserregend ist. Der Mensch nimmt PhIP über die Nahrung auf. Die schützenden Eigenschaften von K/C bestehen darin, dass sie jene Enzyme, die PhIP in ein DNA-bindendes PhIP umwandeln, deaktivieren. Gleichzeitig werden andere Enzyme, die eine entgiftende Wirkung haben, aktiviert. Der Gehalt an K/C ist in Arabica-Kaffee höher als in Robusta. Weitaus wichtiger als die Bohne ist jedoch die Zubereitung: Filter-und Instantkaffee enthalten nahezu kein K/C. Im Espresso ist der Gehalt niedrig. Lediglich ungefilterter Kaffee enthält viel davon. Ob man deshalb besser ungefilterten Kaffee trinken soll? "Es kommt drauf an. Einen ungefilterten Kaffee zu trinken und Herzrasen zu bekommen, ist auch nicht das Gescheiteste", so der Mediziner. Was er selbst für Kaffee trinke, wollte ich vom Kaffeeforscher wissen: "Ich trinke keinen Kaffee. Aus einem einfachen Grund: Er schmeckt mir nicht."

Bei manchen Menschen löst Kaffeekonsum Sodbrennen aus. Hoffnung auf magenfreundlichere Kaffees könnte die Entdeckung von Veronika Somoza von der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie machen: Als molekulare Übeltäter identifizierte sie 5-Hydroxytryptamide, aber auch Chlorogensäure und verschiedene Katechole. Auch fand sie einen Stoff, der den Magen weniger sauer macht: das N-Methylpyridinium-Ion. Chairman Vincenzo Fogliano meinte, dass damit gezeigt wurde, dass italienischer Espresso das beste für den Magen sei. Somoza widersprach und insistierte, dass normaler Kaffee besser sei.

Schwarzes Gift?

Ein anderes Röstprodukt, das in relativ hohen Mengen in Kaffee vorkommt (nur Karamel hat noch mehr davon) beforscht Hansruedi Glatt vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung: 5-HMF. Das Molekül selbst ist nicht erbgutschädigend, wird aber im Körper so umgewandelt, dass es mutagen wirkt. Welcher Kaffee enthält am wenigsten 5-HMF? "Das weiß ich nicht", bekennt Glatt. Nächste Frage: Trinken Sie Kaffee? Er erzählt, dass er gerne auf verbrannte Pommes verzichtet und auch kein Karamel isst. Ich stelle die Frage nochmals. Diesmal antwortet er: "Ja, ich trinke sogar sehr viel davon." Ist das nicht sehr ungesund? Schulterzucken. Dann meint der Biologe: "Schauen Sie, Kaffee würde heute den Ames-Test (Anmerkung: Test für krebserregende Stoffe) nicht bestehen. Wäre Kaffee also ein neues Lebensmittel, würde es nicht zugelassen werden. Ja, Sie könnten es nicht einmal als Pestizid auf den Markt bringen."

Stimmt da etwas nicht mit den Zulassungsbestimmungen? Jedenfalls würden dies epidemiologische Studien nahelegen, die nicht einzelne Moleküle, sondern die Gesamtwirkung von Kaffee betrachten. Huber stellt dazu fest: "Die Daten für eine krebserregende Wirkung von Kaffee sind widersprüchlich. Am ehesten gibt es einen negativen Effekt für die Bauchspeicheldrüse. Gleichzeitig existieren klar positive Befunde: Kaffee schützt vor Darm-und Leberkrebs."

Beruhigend war, dass die Frage nach dem besten Kaffee nicht mit der Frage nach dem gesündesten gleichgesetzt wurde. Die Lebensmittelchemikerin Diana Gniechwitz etwa meinte: "Den besten Kaffee kenne ich nicht. Ich bin ja keine Aromaexpertin." Die Kongressteilnehmer tranken übrigens viel Kaffee: Instantkaffee.

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