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Auf einen Kaffee ins Café

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Besprechung im Büro meines Verlegers in einem Hochhaus einer westdeutschen Großstadt. Es geht um ein Buchprojekt, einen kleinen Band mit Satiren über deutsche Nationaleigenschaften und -fehler. Wirklich vorhandene und vermeintliche.

Der Verleger, animierend und ermunternd: „Sie als geborener Wiener... Sie bringen das doch locker über!" Er zieht an dem Pfosten von Zigarre, den er sich in den Mundwinkel geklemmt hat, stößt eine übelriechende Rauchwolke aus und fährt fort:

„Euch Österreichern macht es doch Spaß, uns Deutschen am Zeug zu flicken und diese Art von Satire verkauft sich momentan von selbst... liegt irgendwie im Trend... ich könnte mir eine Startauflage von acht- bis zehntausend vorstellen!"

Ich stemme mich aus dem tiefgründigen Lederfauteuil und versuche, ein Fenster zu kippen, um der zu mir wabernden miasmatischen Wolke zu entgehen, vielleicht an atembare Luft zukommen. Vergebens. Vollklimatisiert. 26ste Etage. Kein Fenster zu öffnen. Ich huste demonstrativ.

„Soooo locker sehe ich das alles eigentlich nicht!", gehe ich dann auf den Vorschlag des Verlegers ein. „Was Sie mit dem Ausdruck ,den Deutschen am Zeug flicken' umschreiben, ist doch mehr oder weniger ein bitterernster Kulturkampf, den wir Österreicher führen und den wir aller Voraussicht nach verlieren werden, vielleicht schon längst verloren haben!"

Der Verleger nickt begeistert.

„Das ist schon ein prima Einstieg!... Kulturkampf und so!... Immer total satirisch überspitzt;... dazu ein paar passende Cartoons!... Find ich echt gut!"

Er drückt auf einen der zahlreichen Knöpfe vor sich am Schreibtisch, fragt mich zugleich: „Möchten Sie auch 'ne Tasse Kafffe (er spricht das Wort Kaffee aus wie „Affe", also Kafffe) oder ziehen Sie Kräftigeres vor?" „Nein, nein!... ein Schalerl Kaffee wäre jetzt sehr genehm!" Anscheinend hat seine Vorzimmerdame, ein atemberaubendes Hochgewächs in Naturblond, über die Anlage mitgehört, denn gleich darauf erscheint sie mit Kanne, Tassen und Zubehör, bringt sogar etwas Gebäck mit. Und was ich beim Anblick der Kanne befürchtet habe erweist sich als real existierender Schrecken: der Kaffee schmeckt wirklich wie Kafffe. Zu dünn, zu lau. Mit einem Wort: zu deutsch! Wahrscheinlich, nein sicher, steht er schon geraume Zeit in der Thermokanne parat, hat darin sein Aroma selbstgemordert.

„Sehen Sie", wende ich mich an mein Gegenüber, „das ist auch so ein Punkt in dem alltäglichen Zermür-bungskrieg, den die Deutschen -gewollt oder ungewollt - gegen die hier lebenden Auslandsösterreicher führen: der deutsche Kaffee ist eine Grausamkeit, ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte und die Schlußakte von Helsinki!... Und niemand unternimmt etwas gegen diese Barbarei!... Man sollte wirklich eine UN-Resolution darüber..."

„Sehr gut!... S-e-h-r g-u-t!" unterbricht der Verleger meinen originellen Gedankengang.

„Sie sprühen ja nur so!... Genauso hab ich mir das vorgestellt! ...Ich sehe, Sie werden das schon schaffen! ... Vielleicht sollten wir doch mit einer Erstauf lage von zehn- bis zwölftausend Exemplaren auf den Markt gehen?..."

Er beginnt hektisch auf einem Taschenrechnerherumzuhacken. „Wenn die Werbefritzen gleich lospowern und wir die Schose früh genug über die Rampe drücken, könnten wir noch zur nächsten Buchmesse..."

Der sogenannte Kaffee in meiner Tasse erkaltet vollends. Mein Verleger ist nicht mehr ansprechbar in seinem Enthusiasmus, hört mir längst nicht mehr zu, rechnet offenbar bereits mögliche Profite aus. Ich resigniere in die braune Flüssigkeit vor mir. Später unterzeichne ich den Vorvertrag und im Hinausgehen denke ich beim Anblick des attraktiven Geschöpfs im Vorzimmer, wie kann es nur angehen, daß in einem Land mit solchem Kaffee so schöne Frauen herwachsen. Vermutlich eine Entschädigung vom Lieben Gott, denn an irgendetwas sollen die Deutschen doch auch ihre Freude haben dürfen!

Um beim Thema „Kaffee" zu bleiben und hier ein für allemal klare Verhältnisse zu schaffen; mit welchem Recht sagen die Deutschen beharrlich „Kafffe"? Denn: wird der Kaffee auf die eingedeutschte Art geschrieben, also mit Doppel-F und Doppel-E, berechtigt zwar ersteres, das FF etwas zu akzentuieren, aber das doppelte EE am Ende muß doch jedem Gutwilligen sagen, daß es lang ausgesprochen werden will. K-a-f-fe-e... wie die gute Fee im Märchen! Und genauso - nämlich märchenhaft - muß Kaffee ja auch schmecken! Aber wie soll er das können, wenn er durch papierene Filteroderoffensicht-lich falsch konstruierte Brühmaschinen gejagt, dann in völlig ungeeigneten Thermobehältern aus Kunststoff zwischengelagert wird, um endlich und fast durchweg mit Untertemperatur im Inneren eines beklagenswerten Bundesbürgers zu enden und entsorgt werden zu können! Kaffee muß nicht nur stark und gut, er sollte auch heiß sein! Zumindest wenn er auf den Tisch kommt. So gesehen also kein Wunder, daß der Kaffee in Deutschland fast immer so schmeckt, wie er dort gesprochen wird, eben wie k-alter Kafffe! Das erklärt auch, warum man dazu kein Glas Wasser serviert. Diese dünne Plempe bedarf dessen freilich nicht!

Wird das schöne und aromatische Wort Kaffee hingegen auf die französische Art geschrieben, als „Cafe" mit einem C am Anfang, nur einem F und einem E mit Accent aigu am Ende, gibt es doch auch keine Unklarheiten: C-a-f-e! Ob Kaffee oder

Cafe... egal, aber doch um Kolschitz-kys willen bitte nie... nie: Kafffe! Dieses Wort Kaffee hat - richtig gesprochen und korrekt betont - doch unendlich mehr Charme, als das zynisch-kalte und geschmacklose „Kafffe"! Das ist für den sprachsensiblen Menschen doch ein Unterschied wie zwischen... ja, wie beispielsweise zwischen „erschießen" und „füsilieren". Beim Wort „erschießen" hört und spricht man den Schuß förmlich mit. Brutal und direkt. Wieviel angenehmer ist es da doch, „füsiliert" zu werden! Da seh ich einen feschen Oberleutnant in der wunderschönen alten k.u.k.-Uniform, wie er vor das

Peloton tritt, seine halbgerauchte Memphis lässig wegwirft und sich die Glacehandschuhe mit Nonchalance zuknöpft. Um dann charmant-nasal zu den angetretenen Soldaten zu sagen:

„Alstern, Leutln, gemma!... Sam-ma fesch und tun mir den Herrn Delinquenten da vorn ein bisserl füsilieren!..."

Tot sind dann letztlich beide, der Erschossene so gut wie der Füsilierte; aber vom Stil her trennen sie doch Welten! Auchhiergilt: Der Tonmacht die Musik! Auch, bitteschön, und nicht zuletzt im Kaffeehäferl!

Ich fasse zusammen: Kaffee sollte als solcher getrunken, was red ich, genossen und tunlichst auch so gesprochen werden. Egal, ob in einem Kaffeehaus oder einem Cafe. Egal, ob in Wien oder Berlin, ob in Leipzig oder Salzburg. Und wenn - Gott soll abhüten! - einmal einer in unser sattsam bekanntes „kleines Cafe in Hernais" kommt und dort preußischschnarrend nach einer Tasse Kafffe verlangt, alstern bittschön, HerrOber, sind S' so gut: lassen S' den Herrn ganz schnell füsilieren!

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