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Konzerne um Patente bedroht unsere Welt

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ernste Bedenken gegen Freilandversuche mit den Produkten ihrer Manipulationen. Es galt die Regel, nur in abgeschlossenen Laboratorien zu experimentieren und dabei nur solche Bakterien oder Viren zu verwenden, die - sollten sie durch einen Unfall ins Freie gelangen -sofort absterben würden. Kommerziell genutzt wurden nur die Stoffe, die von den gentechnisch manipulierten Wesen produziert worden waren. „Freigesetzt“ wurden also nur chemische Produkte, nicht aber Lebewesen.

Nun, seither hat sich das geändert. Angefangen haben die USA. Am 24. April 1987 wurde im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ der erste Freilandversuch mit manipulierten Bakterien durchgeführt: In Kalifornien versprühten Wissenschafter in einer Nährflüssigkeit enthaltene Bakterien auf ein Erdbeerfeld. Dabei wollte man erreichen, daß die Pflanzen resistenter gegen Nachtfröste würden. Es war das erste offiziell genehmigte Experiment dieser Art. Vorher hatte „Advanced Genetics Sciences“ schon (mindestens) einen illegalen Test durchgeführt und dafür (bereitwillig) eine Strafe von 20.000 Dollar bezahlt.

Und nun ziehen die Europäer nach: Das deutsche Forschungsministerium steckt jährlich eine Milliarde Mark in die Bio-Forschung und auch die EG hat im Rahmen des „Bio-technology Action Programme“

rund 950 Millionen Schilling in diesen Sektor gesteckt. Das Ziel des Programms: „Engpässe auszuräumen, die verhindern, daß Industrie und Landwirtschaft die Materialien und Methoden der modernen Biologie ausbeuten.“

Das Ergebnis war, wie „natur“ (8/ 1989) schreibt: „Die EG-Kommission hat 1988 eine Richtlinie entworfen, die dafür sorgen soll, daß die Freisetzer Terminprobleme nicht mehr fürchten müssen. Vorgesehen ist, Freisetzung nach Anmeldung grundsätzlich zu erlauben. Binnen 90 Tagen können die Behörden zusätzliche Informationen verlangen oder Auflagen verfügen - ansonsten findet der Versuch statt wie geplant. Die Öffentlichkeit wird nicht gehört.“ Wieder einmal ziehen Wettbewerbsargumente stärker als Umweltbedenken.

Welches sind nun die Vorteile, die man sich von der Gentechnik erhofft?

Im Bereich der Medizin soll die Herstellung körpereigener Wirkstoffe in großen Mengen stattfinden (etwa Insulin oder Wachstumshormone). Man erhofft sich auch die Entwicklung neuer Methoden der Krebsbekämpfung und neuer Impfstoffe.

Im Interesse des Umweltschutzes soll die Entwicklung gentechnisch behandelter Mikroben, die Gifte „fressen“, stehen. In der chemischen Industrie soll der Einsatz von Bakterien bei der Produktion von Che-

mikalien eine Abkehr von der unfallträchtigen Hochtemperatur- und Hochdrucktechnik ermöglichen. Schließlich soll „food-design“ die Ernährung revolutionieren und die Herstellung von Grundnahrungsmitteln aus billigen Grundstoffen ermöglichen.

In der Landwirtschaft steht die Entwicklung neuer Wunderpflanzen, ertragreicherer, resistenterer auf dem Programm. So will man Nutzpflanzen etwa gegen Unkrautvertilgungsmittel immunisieren. Der „Vorteil“ scheint auf der Hand zu liegen: Man könnte nach Lust und Laune mit Chemie auf die Unkräuter losgehen, dabei den Nutzpflanzen jedoch keinen unmittelbaren Schaden zufügen.

Auf diesem Öektor hat bereits ein Wettrennen eingesetzt. Dazu „natur“ : „Wer als erster auf dem Markt ist mit einem Resistenzgen gegen das eigene Herbizid, hat die besten Chancen im Kampf um die Anteile an einem Markt, der jährlich sechs Milliarden Dollar umsetzt.“

Ähnlich gelagert sind die Bemühungen, die in Massentierhaltung stehenden Nutztiere - sie sind besonders krankheitsanfällig - einer Immunisierung zuzuführen.

Weltweit wird die Biotechnologie also kräftig „gepusht“. Gentechnologie, biotechnische Materialforschung oder in den Biotechnologie-Sektor fallende Pharma-Bereiche gelten als Schlüsselindustrien für hochindustrialisierte Staaten. Auch Österreich setzt daher auf diesem Gebiet auch seit einigen Jahren einen gewissen Schwerpunkt staatlicher Forschungs- und Technologieförderung. Dennoch zählen österreichische Unternehmen nicht zu den Spitzenreitern.

Worin bestehen aber die besonderen Gefahren der Gentechnik? • Sie produziert Lebewesen: Diese haben eine Eigendynamik und sind daher noch weniger kontrollierbar als chemische Stoffe. Selbst bei

diesen durchschaut der Mensch keineswegs alle Folgewirkungen auf unseren Lebensraum. Es ist grundsätzlich unvorhersehbar, mit welchen anderen Stoffen sie reagieren und welche Eigenschaften die dabei entstehenden neuen Stoffe haben werden.

Immerhin muß man bedenken, daß bisher (laut „Umweltreport Österreich“) rund drei Millionen chemische Stoffe synthetisiert worden sind und daß jährlich etwa 250.000 dazukommen. Im industriellen Maßstab, (also in großen Mengen) werden angeblich immerhin 45.000 Stoffe und Stoffgemische hergestellt.

Und zu diesem gigantischen, restlos undurchschaubaren Experiment mit unserem Lebensraum soll jetzt ein weiteres, noch gefährlicheres hinzukommen!

• Lebewesen können sich reprodu-

zieren. Sie können auch mutieren, sich also spontan verändern und sie können auch selbständig wandern.

• Einmal losgelassen sind Lebewesen einfach nicht rückholbar. Wenn man nach einer gewissen Zeit entdecken sollte, daß ihre Eigenschaften doch anders waren, als man erwartet hatte, läßt sich das Geschehen nicht rückgängig machen. Auch sind die Folgen nicht dadurch begrenzbar, daß man auf weitere Freisetzung verzichtet. Die in den Lebensraum entlassenen Wesen sind nun einmal da. Sie leben.

• Die negativen Wirkungen sind lange Zeit unauffällig. Vielfach wird man auch gar nicht genau wissen, was man alles beobachten sollte. Katastrophen mit genetisch manipulierten Wesen werden - im Ge-

gensatz zu Atomkatastrophen -lange Zeit unbemerkt bleiben. Damit ähneln sie den Langzeitfolgen von Chemikalien (erst nach 23 Jahren massiven Einsatzes erkannte man die Gefahr von DDT und den Grad seiner Verbreitung). Daß die Bio-Technik durchaus gefährlich sein kann, zeigt das Schicksal der Forscher, die in den siebziger Jahren gemeinsam an einem gentechnischen Projekt im Pasteur-Institut in Paris gearbeitet hatten: Am 5. April 1989 verstarb William Roskam an Krebs. Er war bereits der vierte Krebstote von den sieben Mitarbeitern der Gruppe. 1985,1986 und 1988 waren drei andere Kollegen an Krebs gestorben.

• Schließlich wird es - ebenfalls wie bei den Chemikalien - nur äußerst schwer möglich sein, Ursachen und Wirkungen eindeutig miteinander in Beziehung zu setzen und - bei feststehenden negativen Folgen - geeignete Gegenstrategien zu entwickeln.

Die trotz weltweitem Forschungseinsatz immer noch herrschende Ratlosigkeit in der Bekämpfung von Aids sollte da ein nicht zu übersehendes Alarmzeichen sein!

• Da Lebewesen grundsätzlich immer noch undurchschaubar sind, ist jedes neue Experiment ein neues Abenteuer .Typisch für die unbelehrbare Haltung unserer Gesellschaft ist auch der Abschlußbericht der Enquete-Kommission „Chance und Risiko der Gentechnologie“ im deutschen Bundestag.

Da hieß es: „Es besteht für die Produktion mit gentechnisch veränderten Organismen ein nicht auszuschließendes Restrisiko. Angesichts der... Kette von Sicherheitsfaktoren und des erwarteten Nutzens ist dieses nicht auszuschließende Restrisiko für die Kommission akzeptabel.“

Man muß bedenken, in welchem Umfeld eine solche Aussage gemacht wird: In einer Gesellschaft, die in materiellem Überfluß lebt, also wahrhaftig nicht weitere Effizienzsteigerungen der Produktion benötigt, und in einer Umwelt, die von allen Seiten her Zeichen bedrohlichen Zusammenbruches von sich gibt!

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