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Bakterien gegen die Ölpest?

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Im Persischen Golf treiben Millionen Liter Rohöl, vom Irak als „Kriegswaffe" eingesetzt. Die Experten stehen dieser gigantischen Umweltkatastrophe ratlos gegenüber. Auch ölfressen-de Bakterien können hier nicht helfen, die Entwicklung scheint noch unausgereift.

In den USA gibt es derzeit 200 Firmen, die sich mit dem Einsatz von Mikroben zur Beseitigung von Müll und Schmutz befassen. Die Forschung hat auf diesem Sektor in den letzten fünf Jahren intensive Recherchen unternommen. Kein Wunder: müssen doch jährlich 30 Milliarden Dollar für die Abfallbe-'seitigung ausgegeben werden; die

Wegwerfgesellschaft ist bald nicht mehr finanzierbar.

Mikroben und Mikroorganismen, die seit drei Milliarden Jahren auf unserer Erde präsent sind, haben die Fähigkeit, sich an neue Molekülkombinationen anzupassen und diese zu verwerten. Das Hauptaugenmerk der Forschung konzentriert sich darauf, wie die natürlich vorkommenden Organismen höhere Kapazitäten erreichen können -etwa durch den Zusatz von bestimmten Nährlösungen.

Derzeit unterscheidet man bei der Müllverarbeitung durch Mikroorganismen mehrere Methoden: Die erste Richtung versucht bislang unbekannte Mikroben aufzuspüren, die fähig sind, mit hartnäckigem Schmutz fertig zu werden. Die Wome Biotechnology Group in New Jersey hat 2.000 Arten solcher Bakterien gefunden. Die kleinen Abfallfresser entwickeln sich gemäß dem Selektionsprinzip am besten in Gebieten mit spezifischen Belastungen. Bakterien beispielsweise, die in den heißen Quellen des Yellowstone Nationalparks gefunden wurden, haben die Fähigkeit, Schwefel von Kohle zu entfernen, indem sie diesen in gasförmigen Schwefelwasserstoff umsetzen.

Die andere Richtung beschäftigt sich mit der Züchtung von mikrobischen Kombinationen, sogenannten „Konsortien" oder „mikrobischen Öko-Systemen": Eine Mikrobe kann vielleicht nur eine oder zwei Phasen des mehrstufigen Umwandlungsprozesses bewältigen. Dann muß ein zweiter Organismus die Schichtarbeit fortsetzen.

Die zweite Mikrobenart sorgt für den Lebensunterhalt der ersten, quasi eine bewegliche „Tankstelle". Ein großer Teich in Portland war so von Herbiziden, Pestiziden und Streusalz verunreinigt, daß die dort ansässigen Tiere verendeten. Durch den Einsatz einer solchen integrierten Kombination von Mikroorganismen konnte letzten Sommer das Gewässer wieder auf Trinkwasserqualität gebracht werden. In Ohio konstruiert die Lamb-da Bioremediation Systems Inc. Konsortien, die toxische Metalle aus den Gewässern filtern. Dieses Sy-

stem ist stabil, erneuert sich von selbst und ist kostensparend. Grundvoraussetzung für das Funktionieren ist, daß der Auftraggeber über die Zusammensetzung des Abfalls präzise Daten vorlegt, denn die Konsortien müssen für jedes Arbeitsgebiet „ maßgeschneidert" werden.

Es gibt auch schon einige erfolgreiche Anwendungen: Die Bleiminen in Missouri verwenden spezielle Züchtungen, die Blei und Zink aus den Abwässern der Minen filtern. In den Goldminen Süd-Dakotas werden mikrobische Kombinationen eingesetzt,, die Zyanide in harmlose Stoffe umwandeln.

Die selektive Züchtung von besonders tüchtigen Müllmikroben ist der dritte Weg: Große Mengen von Mikroben werden alle paar Generationen mit einer Erhöhung der Schmutzkonzentration konfrontiert. Die tüchtigsten Anpasser werden ausgewählt und gesondert

weitervermehrt. Diese Methode ist zwar zeitaufwendig, aber relativ kostengünstig. Mit ihrer Hilfe konnten schon TNT-verseuchte Areale gesäubert werden.

Die Launen der Konsumgesellschaft erfordern also laufend Innovationen auch auf diesem Sektor. Auch die Gentechnik liefert sie. Bisher wurden diesbezüglich zwei Wege beschritten. Der eine bedient sich dabei des Plasmatransfers. Der Vorteil der Plasmatransfer-Züchtung ist, daß dabei nur erprobte Gene zum Einsatz kommen. Mit dieser Methode konnte an der Universität von Illinois eine „ölfres-sende" Bakterie geschaffen werden. Obwohl diese Bakterie schon seit 13 Jahren existiert, wurde sie bislang nicht kommerziell ausgewertet. Vor allem deshalb nicht, weil die Patentierung rigorose und teure Testmethoden vorschreibt. Auch die Anwendung selbst ist zeitraubend. So muß für jede Klimazone eine eigene Type geschaffen werden. Die eisige Arktis, die tropische Küste, der Persische Golf - sie alle erfordern „Spezialisten".

Im Vorjahr konnte die Firma Alpha Enviromental/Texas eine gemischte Kombination testweise einsetzen. Der „Systemcocktail" hatte die Ölschicht binnen 24 Stunden gänzlich beseitigt. Schon nach acht Stunden war es den Forschern fast unmöglich, die Testflächen für die Probenahme zu bestimmen. Die Fauna und Flora des Meeres blieb ungeschoren. Bei einem Tankerunglück im Juni im Golf von Mexico kam das Gemisch erstmals im Ernstfall zum Einsatz.

Aber die Situation im Golf ist weitaus schwieriger. Erstens fehlen generell die Erfahrungen mit einer derartigen Ölpest. Zweitens, meinte auch kürzlich Professor Wilfried Gunkel im „Rheinischen Merkur", kann man die Abbaumechanismen der Bakterien nicht abschätzen. Der Persische Golf bietet ihnen nur wenig Sauerstoff und Nährstoffe. Er ist, ähnlich wie die Ostsee, fast ein Binnenmeer. Durch die enge Straße von Hormus gibt es nur wenig Wasseraustausch.

Ähnlich dem Plasmatransfer, aber äußerst kostspielig, ist das rekombinierte DNA-Kloning. Dabei werden einzelne Gene operativ in einen neuen Träger eingepflanzt. Dies ist möglich bei artspezifisch höchst unterschiedlichen Mikroorganismen. Die Chancen, ein brauchbares Produkt auf den Markt zu bringen, werden vielleicht erst im nächsten Jahrhundert möglich sein.

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