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Die ganze Welt sucht Uran

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Die Nachwelt wird die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg vielleicht einmal als Atomzeitalter bezeichnen. Der Rohstoff für die Atomenergie ist aber das Uran, und deshalb sehen wir jetzt, wie eine regelrechte Jagd nach diesem Mineral über den ganzen Erdball hinweggeht.

Als Geburtsstätte des Urans können wir den Bergort Joachimstal im böhmischsächsischen Erzgebirge bezeichnen, denn dort wurde dieses Element zuerst von Klaproth 1789 in dem Mineral Pechblende entdeckt. Seine geheimnisvolle Kraft schlummerte aber bis zum Jahre 1898, in welchem es Frau Curie gelang, aus 7000 Kilogramm reinster Pechblende knapp ein Gramm Radium zu gewinnen und herzustellen.

Die Zahl der Erze, welche Uran führen, mag an die hundert heranreichen. An erster Stelle steht aber noch immer die Pechblende. Neben dieser tritt das Mineral Carnotit immer mehr in den Vordergrund, und in neuerer Zeit scheint auch der Monazit Bedeutung zu erlangen, ein Mineral, das bisher wegen des Gehaltes an „seltenen Erden“, wie Thor und Zer, abgebaut wurde, aber auch Mesothorium, einen Radiumersatz, liefert.

Gegenwärtig gibt es nur vier wichtige Urangewinnungsstätten auf der Erde, soweit bekannt, da ja die Sowjetrepubliken nicht hinter den Eisernen Vorhang blicken lassen. An erster Stelle mag hier wieder Joachimstal genannt werden, das jedoch mehr historischen Wert zu besitzen scheint. Es ist zwar bekannt, daß von russischer Seite hier eine sehr rege bergmännische Tätigkeit betrieben wird, und man weiß, daß in der Umgebung dieser Stadt zum Beispiel statt der früheren drei Schächte nun etwa dreißig in Betrieb stehen. Von fachlicher Seite wird aber angezweifelt, daß der Ertrag nennenswert wäre.

Die Monopolstellung von Joachimstal wurde durch die Auffindung des neuen radioaktiven Minerals Carnotit, das sich im KoloradoplateaU in sehr ausgedehnten Flächen gewinnen läßt, gebrochen. Wenn es auch nicht so ergiebig ist wie die Pechblende, so gleicht dies die leichtere Verarbeitung und das Auftreten in verhältnismäßig großen Mengen aus. Als dritte Stätte reiht sich das Pechblendevorkommen in Kanada an, das anfangs des Jahrhunderts am Großen Bärensee unter dem Polarkreis entdeckt und zu Beginn der dreißiger Jahre, trotz der riesigen Entfernung von der nächsten Bahnstation, 1300 Kilometer Luftlinie, durch die seither berühmt gewordene Eldoradomine in Betrieb genommen wurde, welche in ihrer Produktion jener des Koloradoplateaus ungefähr gleichkommt. Die größten Mengen von Uranerzen stammen jedoch aus Belgisch-Kongo, wo Im Katangaabschnitt am Kongo die Shinkolobwegrube betrieben wird, welche zirka 60 Prozent der jährlichen Uranförderung der Welt bestreitet, indem sie bisher 12.000 Tonnen hochwertiger Uranerze pro Jahr an die Vereinigten Staaten Amerikas lieferte.

Heute ziehen die Prospektoren mit einer modernen Wünschelrute hinaus, dem von zwei deutschen Physikern erfundenen und nach ihnen benannten Geiger-Müller-Zähler, der, mit einem Kopfhörer verbunden, in der Nähe radioaktiver Substanzen Klopftöne hören läßt. Dieser Apparat wird bereits in einer größeren Zahl von Modellen den Prospektoren auf den Weg mitgegeben. Überdies wurde sowohl in den USA wie in Kanada eine Anleitung zur Handhabung des Apparats sowie für die Art der Untersuchung in Form eines kleinen

Büchleins den Schürfern übergeben und deren Eifer durch die Aussetzung eines Preises von 10.000 Dollar für den Nach-weis jedes neuen größeren Vorkommens und die Einsendung von 20 Tonnen 20prozentigen Uranerzes als Beleg angereizt. So ist es nicht überraschend, daß in den letzten Jahren neue Vorkommen in verhältnismäßig großer Zahl der Energiekommission in New York angemeldet wurden.

Die Prospektoren schwärmten meist zunächst von den bekannten Fundstellen nach allen Richtungen aus, und so wurde zum Beispiel bald festgestellt, daß sich die Carnotitvorkommen weit über die Grenzen des Staates K o 1 o r a d o ausdehnen und sich auch im westlich an-genzenden Staate Utah wie im nördlich angrenzenden Wyoming nachweisen lassen. Besonderes Aufsehen erregte die Entdeckung von Pechblende im Staate Michigan nahe der kanadischen Grenze, welche einen starken Zustrom von Schürfern zur Folge hatte. Aber auch im Süden verriet der GM-Zähler, daß ein Bergbau in Arizona, der dort schon sehr lange auf Kupfer und Silber betrieben wurde, Uranerze als Begleiter besitze.

Auch in Kanada schwärmten die Prospektoren mit ihren Apparaten von der Eldoradomine am Großen Bärensee unter dem Polarkreis bis zum Großen

Sklavensee, ja selbst bis zum Athabaska-see unter dem 59. Breitegrad aus. Dann aber ging die Suche erst recht noch kreuz und quer durch das ganze weite Gebiet und man spürte in immer niedrigeren Breiten die Lagerstätten auf. So an der Grenze der Staaten Manitoba und Sas-katschewan und sogar in der Nähe des Oberen Sees und wieder weiter östlich an der Grenze von Ontario gegen Quebeck. All diese Entdeckungen sind um so aussichtsreicher, als es sich hier durchaus um Pechblende handelt.

Auch iii den anderen zur politischen Westhälfte der Erde gehörenden Ländern macht die Uransuche große Fortschritte. England durchforscht seine seit der Römerzeit und schon früher betriebenen Zinnbergbaue nach Anreicherungsstellen von Uranerzen und hat sich außerdem seit 1949 den vierten Teil der Förderung der Shinkolobwegruben gesichert. Kürzlich hat auch der Wirtschaftsminister der Südafrikanischen Union die Mitteilung gemacht, daß dieses Land die „größten Uranvorkommen der ganzen Welt“ besitze. In den Australischen Alpen wird zur Kraftgewinnung ein ganzes Flußsystem umgestaltet, das die in Errichtung begriffene unterirdische Atomfabrik speisen wird, die ihren Rohstoff in nächster Umgebung gewinnen soll. Auch in den Wüstengebieten von Westaustralien sind aussichtsreiche Uranfunde gemacht worden.

Frankreich besitzt seit 1948bereits eine Atomenergieanlage, welche aus drei Uranlagern, die im Lande ausgebeutet werden, versorgt werden konnte. Außerdem lieferte aber auch Madagaskar und besonders Algier solche Erze. In letzter Zeit stellte sich heraus, daß ein in der Gegend von Limoges in Mittelfrankreich seit einem Jahre betriebener Bergbau sehr reiche Uranerze erschloß; er wird gegenwärtig als reichste Uranfundstelle Europas angesehen. Die Schweiz hat in dem südlichsten Zipfel des nach Italien eindringenden Kantons Tessin ausgedehnte Uranlagerstätten aufgefunden. Uber kleine Vorkommen in Portugal ist noch wenig bekannt, dagegen überrascht Skandinavien durch seinen Reichtum, besonders in Norwegen. Schweden berichtet von einer ganz abseitigen Gewinnungsart von Uran, indem dort festgestellt wurde, daß bei der Destillierung der dort auftretenden Schieferöle ganz erhebliche Mengen von Uran gewonnen werden können.

Soweit die westliche Hälfte der Welt. Was die östlictfe Hälfte, also die UdSSR und die russischen Satellitenstaaten, dem gegenüber zu bieten hat, ist nur bis zum Stande des Jahres 1944 bekannt geworden; alle späteren Funde und Entdeckungen verbergen sich hinter dem Eisernen Vorhang. Damals war das bedeutendste Uranvorkommen in der Gegend von Ferghana in Russisch-Turke-sfän bekannt gewesen. Viel verspricht man sich von Lagerstätten südlich des Baikalsees und im Ural, wo sich zahlreiche radioaktive Quellen finden, aber auch in der Ukraine, in der Nähe von Charkow, wurden Funde angegeben, ebenso in letzter Zeit im karelisch-finnischen Grenzgebiete.

Die Satelliten wollen natürlich nicht nachstehen. Führend ist da das böhmisch-sächsische Erzgebirge mit dem altberühmten Joachimstal, doch soll, in neuester Zeit auch südlich von Prag ein neues Uranvorkommen erkundet worden sein. In Schlesien bauen die Polen, etwa 100 Kilometer von Breslau, ein Vorkommen ab, und auch Bulgarien meldet Uranfunde.

Es bleibt noch Südamerika zu erwähnen; hier weiß man von Vorkommen in Argentinien und Chile. Brasilien ist sehr zurückhaltend mit Nachrichten. Mexiko hat einen alten Bergbau, dessen Uranführung erkannt worden ist, unter militärischen Schutz gestellt.

Was die Monazitfunde anlangt, die in ungeheurer Ausdehnung sich an der Südspitze Vorderindiens, in Travan-core, und ebenso im Südteil von Ceylon, aber auch in Brasilien und Madagaskar finden, so ist noch nicht erprobt, inwieweit sich dieses Mineral über das daraus erzeugte Mesothorium praktisch zur Urangewinnung eignen wird.

Eines aber ist sicher, die Anzahl der bekannten Uranvorkommen auf der Erde wächst von Monat zu Monat, und sie statt der Zerstörung dem Wohle der Menschheit dienstbar zu machen, wäre wohl des Schweißes der Edlen wert.

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