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Der Schatz im Katzensilber

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Unsere' leistungsfähige Elektroindustrie, unsere expörtkräftige Radiotechnik braudit Glimmer!“

.Dem Wanderer ist dieses merkwürdige Mineral ' nidn unbekannt, seine silbrig glänzenden S/chuppen blitzen ihm nicht selten auf. den Bergpfaden in den Zentralalpen entgegen. Die tafelförmigen Kristalle, die Handtellergröße erreichen und noch größer, werden können, lassen sich, allein oqer aufgespalten und durch einen isolierenden tack zu einer Art Pappe verbunden, gut. verarbeiten und haben sich in der Elektrotechnik ein weites Anwendungsgebiet erobert. An die zehntausend Tonnen halbverarbeiteten Nutzglim-mers verschwinden jährlich in den Fabriken unserer Industrieländer und noch immer ist kein Straßenbahntriebwagen, ja kein Elektromotor überhaupt ohne diesen Isolierstoff denkbar, der gerade an einer dem Verschleiß 'besonders ausgesetzten Stelle zur Verwendung gelangt.

, JF,s gibt für den Glimmer noch andere Verwend.unen, Glasersatz — zum Beispiel bei den Füllöfen —, in der Wärmeisoliertechnik, in der 'Tapetenindustrie — wo sein Pulver den Seidenglanz unerhört täuschend nachahmt — oder in der Kosmetik, Verwendungsmöglichkeiten, die aber neben der in der Elektrotechnik eine untergeordnete Rolle .spielen.

In normalen Zeiten kam, was unsere Elcktr,Q.industrie an Glimmer benötigte, über die. Märkte von London, Hamburg, Köln, zu„ uns. . Der Handelsglimmer war kolonialer Herkunft. Er stammte aus Indien, .Südamerika, Süd- und Ostafrika, zum Teil auch aus Kanada; und seine Preise waren .erschwinglich. Der Weltkrieg 1914 bis 19lg brachte uns das erste Mal in Ver-lejjfnheit. Abgeschnitten von der kolonialen Zufuhr, waren die Mittelmächte genötigt, näjhergelegene und ihnen zugängliche Be-zugsgebiete ausfindig zu machen. Damals wuede in. Böhmen die Glimmergrube K.i e.s e n r e i t h bei Plan entdeckt, die einen ausgezeidineten Glimmer lieferte. Ajich in, • Norwegen und Rumänien wurde einiges, aufgebracht, was den dringendsten Bedarf zu. decken, vermochte .

Aber die Glimmerschätze unserer Ostalpen schlummerten weiter. Nach 1918 wurde in dem verkleinerten Österreich der Mangel an diesem Rohstoff drückend. Eine großartige Konjunktur für elektrisdie Heizapparate, Kocher, Bügeleisen und andere glimmerkonsumierende Einrichtungen war angebrochen, und unsere entwertete Krone war nicht imstande, die Londoner Glimmerpreise zu bezahlen. Damals brachten Elektromonteure, denen dieses merkwürdige Mineral bei ihren Arbeiten in der Weststeiermark zu Gesicht gekommen war, den ersten Rohglimmer nach Graz und audi nach Wien. Ein richtiges Schürffieber bradi aus. Im Nu gab es mehrere Gesellschaften, die sich von der Glimmergewinnüng goldene Berge erhofften, und dem Grundeigentümer, dem das Besitzrecht an diesem Bodenschatz zustand, jeden Abbauzins für das Gewinnungsredit bewilligten Diese Be- ■ lastung der Gestehungskosten war damals gänzlich belanglos Der Zusammenschluß der wichtigsten Unternehmungen zu einer Aktiengesellschaft schien die Glimmergewinnung in geregelte Bahnen zu lenken, leider nur scheinbar, denn der Glimmerbergbau ist auf der ganzen Welt ein Kleinbetrieb, dem eine solche Großorganisation nicht angepaßt ist. Ein eingehender Vergleich mit der Glimmergewinnung in den Vereinigten Staaten hat dies zur Genüge dargetan. Es kam das Jahr 1924 und mit ihm das Abflauen der Konjunktur. Die aufgeplusterten Gesellsdiaften mit ihrem kostspieligen Vcrwaltungsapparat mußten liquidieren. Damals hat man auch dem österreichischen Glimmer und nicht — wie es zutreffender gewesen wäre — dem Spekulantentum die Schuld an der Einstellung des ostalpinen Glimmerbergbaues gegeben.

Der Verfasser dieser Zeilen hat sich in Wort und Sdirift um die Ehrenrettung des österreichischen Glimmers bemüht und zu diesem Zwecke eine ziffernmäßige Untersuchung über die ■ Bauwürdigkeitsbedingungen des Gimmerbergbaues in den Vereinigten Staaten angestellt. Nur ein strenger Vergleich mit einem geographisch und wirtschaftlich ähnlich geartetem Gebiet bot die

Möglichkeit, die Kernfrage der österreichischen Glimmergewinnung unparteiisch zu beantworten *.

Diese Gegenüberstellung hinsichtlich Glimmergehalt im Gestein, durchschnittliche Tafelgröße und Anfall an handelsfertigem Produkt hat mit aller wünsdiens-werten Klarheit ergeben, daß die Glimmer vorkommen in den USA durchaus nicht ergiebiger sind als die österreichischen. Und dieses Urteil konnte noch durch Vergleich mit anderen glimmerproduzierenden Ländern erweitert und erhärtet werden.

Freilich in einer anderen, nicht weniger belangreichen Hinsicht ist der Glimmerbergbau in der Union wie in den meisten außereuropäischen Ländern günstiger als bei uns gestellt: der Glimmer wird dort

— gleich wie die Erze oder Kohlen — als ein vollwertiges Bergbauobjekt betrachtet. Er unterliegt einer besonderen Gesetzgebung, die ihn aus dem Besitzrecht des Grundeigentümers herausnimmt. Bei uns heißen solche Bodenschätze „v o r-behaltene Mineralie n“, weil ihre Gewinnung dem Staate vorbehalten ist. Freilich kann dieser ihre Ausbeutung an Zweite unter bestimmten Bedingungen weitergeben. Diese Maßnahme ist nicht allein volkswirtschaftlich wohlbegründet, sie schützt auch den Unternehmer vor ungebührlichen Ansprüchen und Belastungen, zu denen sich der Grundeigentümer

— in Unkenntnis der tatsächlichen Wertverhältnisse — leicht verleiten läßt.

Aber alle Bemühungen, eine ähnliche Stellung für den österreichischen Glimmer durchzusetzen, blieben vergeblich. Erst der zweite Weltkrieg, der dieses Bergbauprodukt neuerlich der Verfügungsgewalt des Grundeigentümers praktisch entzog, brachte den österreichischen Glimmer wieder zu Ehren. Unter wesentlicher Mitarbeit der heutigen Geologischen Bundesanstalt richteten die Philips-Valvo-Werke G. m. b. H. auf der Saualpe in Kärnten unter Aufwand bedeutender Mittel einen mustergültigen Betrieb ein, der binnen kurzem eine M o-na t s f örderung von über 8000 Kilogramm erreichte.

Dieser Bergbau steht noch in Betrieb. Die österreichische Glimmerproduktion könnte aber — bei d^r derzeitigen stürmischen Nachfrage — einen ganz anderen Aufschwung nehmen, wenn sich die maßgebenden Körperschaften entschließen könnten, unser veraltetes Berggesetz denneuzeitlichen Bedürfnissen anzupassen. Die Liste der vorbehaltenen Mineralien sollte endlich einmal ergänzt werden.

Schon in den zwanziger Jahren habe ich auf diese naheliegende Möglichkeit einer Förderung des österreichischen Glimmerbergbaues hingewiesen, und mit der gleichen Begründe ng — leider erfolglos — die Aufnahme des Glimmers unter die vorbehaltenen Mineralien empfohlen. Heute ließe sich eine solche Maßnahme noch durch andere Gedankengänge stützen: der Staat strebt seinen Einfluß auf Objekte von öffentlichem oder Gemeinschaftsinteresse zu verstärken. Und zu diesen Objekten öffentlichen Interesses gehören derzeit zweifellos die Produkte des Bergbaues. Bergbauprodukte sind eines der wichtigsten Kompensationsobjekte, die wir unseren Nachbarstaaten, die uns mit Lebensmittel beliefern, anbieten können. Es liegt deshalb im besonderen Interesse des Staates, die Erzeugung mineralischer Rohstoffe mit allen durch unsere Notlage gebotenen Mitteln zu fördern.

Wie verlautet, beraten unsere Bergbehörden über eine Kodifizierung unseres Bergrechtes. Ich glaube, in diesem Rahmen wäre jetzt im Sinne der dringend .notwendigen Förderung unserer bergbaulichen Rohproduktion Wichtiges nachzuholen. Ganz Mitteleuropa leidet Mangel an diesem Rohprodukt, nicht allein unsere Heimat. Was an bauwürdigen Lagerstätten vorhanden ist, konzentriert sich in Böhmen — um Kiesenreith — und in den Ostalpen, hier in weitaus größerer Verbreitung. Wäre es da nicht angebracht von Staats wegen alles zu tun, um dieses Kompensationsgut nicht allein der Industrie des eigenen Landes, sondern auch dem zwischenstaatlichen Handel zugänglicher zu machen?

* H. Mohr: Der Glimmerbergbau in dep Vereinigten Staaten und seine Bedeutung für die Entwicklung des österreichischen österreichische Monatsschrift für den öffentlicher. Baudienst und das Berg- und Hüttenwesen. Wien, Jahrgang 1923, Heft 8/9.

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