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200.000 Arbeitsplätze und die Sanierung des Klimas

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Welchen Stellenwert wird die Biomasse in Österreichs künftiger Energieversorgung haben? In zehn Jahren sollten 50 Prozent der gesamten Energie aus nachwachsenden Bohstoffen stammen, meint der, Autor.

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Welchen Stellenwert wird die Biomasse in Österreichs künftiger Energieversorgung haben? In zehn Jahren sollten 50 Prozent der gesamten Energie aus nachwachsenden Bohstoffen stammen, meint der, Autor.

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Ich bin überzeugt, daß die Biomasse in den nächsten drei bis vier Jahren mindestens 20 Prozent der Gesamtenergie in Österreich ausmachen wird (derzeit zehn). Und in zehn Jahren werden es 50 Prozent sein. In den Händen der Bauern wird nicht nur die Bereitstellung gesunder Lebensmittel liegen, sondern auch die von Strom und Wärme. Der Bauer wird nicht nur Bioenergie-Spezialist werden, sondern auch Unternehmer. Er wird in benachbarte Häuser Biomasseheizungen einbauen, diese bestens betreuen, mit hochwertigen Biomassebrennstoffen versorgen und über den Wärme- und später auch Stromverkauf ein gutes, gerechtes und sicheres Einkommen haben.

Jene, die heute noch sehr gut vom Verkauf fossiler Energien leben, sollen über meine Ansichten ruhig mitleidig lächeln. Ich bin trotzdem von dieser explosionsartigen Entwicklung der Biomasseenergie überzeugt.

Aus drei Gründen wird die Biomasse bereits in naher Zukunft bei der Verdrängung von Öl, Gas, Kohle und Atom erfolgreich sein:

■ Arbeitslosigkeit: In keinem anderen Bereich können so rasch und einfach so viele Arbeitsplätze geschaffen werden, wie bei der Bereitstellung von Biomasse für Heizzwecke aus der Land- und Forstwirtschaft. Statt unsere inländische Biomasse verrotten und unsere Bauern verarmen zu lassen, könnten wir mit dem Geld, das wir derzeit für Öl, Gas und Kohle an das Ausland zahlen, 200.000 Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft, in der Gebäudesanierung und in Produktion und Vertrieb von Biomasseheizanlagen sichern.

Diese immer offensichtlicher werdende Dummheit, Energie zu importieren und die erneuerbaren Bessour-cen aus der eigenen Land- und Forstwirtschaft nicht zu nutzen, können wir uns einfach nicht mehr leisten; Die österreichische Energiepolitik ist vergleichbar mit einer Hausfrau, die ihren eigenen, herrlichen Salat im Garten verrotten läßt, weil gerade Salat am Markt billig angeboten wird.

■ Klimaveränderung: Die jährlich zunehmenden Sturmschäden sind in Wirklichkeit schon lange nicht mehr finanzierbar. Die Zunahme extremer Wetterverhältnisse verstärkt den Druck auf die Politiker, Lösungen für die Klimaprobleme zu finden.

Nun wird leider noch allgemein das Klimaproblem der Freisetzung von CO,, aus Öl, Gas und Kohle allein zugeschoben. Es mehren sich allerdings im Bereich der Wissenschaft die Stimmen, die meinen, mehr C02 in der Atmosphäre müßte positive Auswirkungen haben: So könnten Pflanzen besser wachsen und die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln wäre mit mehr C02 in der Atmosphäre sicherer zu erreichen.

Mehr C02 und höhere Temperaturen (durch den Treibhauseffekt) begünstigen das Pflanzenwachstum mit Sicherheit. Warum sprechen wir aber dann von einem C02-Problem?

Offensichtlich sind die Grundzusammenhänge noch nicht ganz durchschaut. Damit Pflanzen mehr C02 verarbeiten, das heißt stärker wachsen können, muß auch mehr Wasser für den Nährstofftransport in der Pflanze und zur Verdunstung über die Blätter vorhanden sein. Pflanzen können also auf mehr C02 und höhere Temperaturen nur positiv reagieren, wenn sie genug Wasser zur Verfügung haben.

Nun haben wir übersehen, daß die weltweit über 50 Jahre betriebene chemische Landwirtschaft das Bodenleben ge- und zerstört hat, was zur Bodenverdichtung und zu immer stärkerer Bodenbearbeitung geführt hat. Auf diese Art wurde zu viel Sauerstoff zu jahrtausendalten Humusschichten gebracht und der Humus wegoxidiert. In den Intensivackerflächen der Welt wurde der Humus von fünf bis acht Prozent auf ein bis zwei Prozent reduziert.

Humus hat die Aufgabe, Wasser zu speichern und jederzeit ausreichend für die Pflanze zur Verfügung zu stellen. Fehlen nun Humusschichten, so können Pflanzen nicht mehr auf erhöhten C02-Gehalt und höhere Lufttemperaturen durch mehr Wachstum und erhöhte Verdunstungskühlung reagieren, weil ihnen das Wasser fehlt.

Weil also das Zuviel an C02 eben nicht nur aus Öl, Gas, Kohle stammt, sondern auch aus den Humusschichten, wird kein Wasser mehr gehalten, Pflanzen können nicht mehr positiv auf mehr C02 reagieren, die Erträge sinken (Trockenschäden), die Verwüstung nimmt weltweit zu, der Grundwasserspiegel sinkt.

Die fehlende Pflanzenverdunstung am Land (Verdunstungskühlung) führt zur Erhöhung der Lufttemperatur über dem Land gegenüber der Lufttemperatur über dem Meer, und es kommt unweigerlich zu Ausgleichsströmungen, also Stürmen, in Meeresnähe.

Das Klima kann meiner Meinung nach nur durch eine humusaufbauende ökologische Kreislauflandwirtschaft in Ordnung gebracht werden. Da ist wieder der Bauer gefordert, er hat das Überleben der Menschheit in bezug auf Nahrung und Klima in der Hand. Auch hier ist Österreich mit über 23.000 ökologisch wirtschaftenden Bauern Vorbild.

Die Überlebensstrategie lautet: Ökologisierung der Landwirtschaft,

sodaß der C02-Ausstoß der Landwirt schaft selbst vermieden wird; Aufbau der Humusschichten durch diese neue Landwirtschaft, sodaß überschüssiges C02 wieder im Boden eingebunden wird und Bereitstellung von so viel Biobrennstoffen, daß Öl, Gas und Kohle komplett verdrängt werden können, womit auch kein CÖ2 mehr in die Luft gerät.

Der Siegeszug der Bioenergie findet mit derselben Geschwindigkeit statt, mit der sich in der Bevölkerung die Kenntnis von den Ursachen der Klimaveränderung und das Wissen um die riesige Chance, dieses Problem durch eine neue Landwirtschaft und die konsequente Einführung der Bioenergie zu lösen, verbreiten.

■Gift in den Lebensmitteln und chronische Krankheiten: 100 Jahre organische Chlorchemie haben höchst giftige, langlebige, organische Chlorverbindungen in unsere Umwelt freigesetzt. Praktisch in jedem Kubikzentimeter Luft, Wasser und Boden können diese Beststoffe nachgewiesen werden. Organische Chlorverbindungen sind meist fettlöslich und reichern sich im Lebensmittelzyklus extrem an. Im Schnitt nimmt ein Mensch pro Tag und Kilogramm Körpergewicht bis zu zehn Pikogramm organische Chlorverbindungen zu sich. Das amerikanische Gesundheitsamt weist schon bei 0,006 Pikogramm eindeutige Krebsgefährdung nach. Unsere Babys trinken mit der Muttermilch etwa den 20.000fachen erlaubten Grenzwert!

Auch wenn wir heute mit der Freisetzung organisch chlorierter Giftstoffe aufhören, sind diese noch über Zehntausende von Jahren in der Biosphäre vorhanden. Die Giftigkeit des Tetrachlordibenzodioxins zum Beispiel hat eine Halbwertszeit von 10.000 Jahren.

Immer mehr Wissenschafter bringen die Zivilisationskrankheiten mit organisch chlorierten Nebenprodukten in Verbindung. Leider ist man allgemein machtlos und hat keine Vorstellungen, wie man diesem Problem begegnen könnte.

Die weltweite Einführung der Bioenergie wäre in meinen Augen die beste Möglichkeit, das Gesundheitsproblem in den Griff zu bekommen: Da Pflanzen zur Klimaregulierung etwa 100 mal mehr Wasser aufnehmen und verdunsten, als sie zum Aufbau ihrer eigenen Substanz brauchen, nehmen sie auch diese Giftstoffe aus dem Boden lOOmal stärker auf.

Der Vegetarier nimmt also Lebensmittel zu sich, die diese Giftstoffe mit einem Faktor 100 angereichert haben. Beim Fleischesser sind sie bereits mit einem Faktor 1.000 angereichert und beim Muttermilchtrinker mit einem Faktor 30.000 bis 100.000. Vergleichsuntersuchungen zeigen aber, daß die lOOfache Anreicherung bei vegetarischer Ernährung vom Menschen noch verkraftet wird.

Die einzige Chance, die land- und forstwirtschaftlichen Böden von den Giftstoffen zu befreien, ist, nicht die gesamte landwirtschaftliche Produktion zu Lebensmitteln zu verarbeiten, sondern nur etwa ein Drittel und zwei Drittel in den Verbrennungszyklus zu bringen und nur mehr Biomasse zu verheizen.

Bei etwa 600 bis 1.000 Grad Verbrennungstemperatur wird das Chlor aus den Giftstoffen herausgeschleudert und zu ungiftigen anorganischen Kreislaufprodukten (Kochsalz und Salzsäure) umgewandelt. Wir können so erwarten, daß unsere Lebensmittel in etwa zehn bis 100 Jahren - vorausgesetzt es ist Schluß mit der weiteren Freisetzung organischer Giftstoffe -wieder giftfrei sind. Die Zunahme dieses Wissens wird den Siegeszug der Biomasse beschleunigen.

Von den Politikern erwarte ich mir, daß sie sich in Zukunft für die Biomasse ebenso einsetzen, wie sie sich ungerechterweise bisher für den unsinnigen Gasausbau engagiert haben! Wann werden wir uns im Fernsehen Werbung für Bioenergie analog der Werbung für Gas etwa wie folgt leisten können?:

„Stellen Sie sich grüne Wälder und saftige Wiesen und Felder vor. Bauern bringen Ihnen ihre reinen Naturprodukte auf den lisch, in den Heizraum und in den Tank Ihres Autos. Sehen Sie, Sie haben gerade die Biomasse entdeckt. Sie ist rein, inländisch, schafft über 200.000 Arbeitsplätze, löst die Klima- und Gesundheitsprobleme und macht uns alle reich und glücklich.”

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