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Alkohol statt Erdöl

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In etwa zehn Jahren wird bei gleichbleibender Förderung kein Tropfen Erdöl mehr aus heimischen Ölleitungen fließen. Weltweit reichen die Reserven an fossilen Brennstoffen nach Berechnungen der Fachleute noch 67 Jahre.

Der Einsatz erneuerbärer Rohstoffe ist daher, wie Ökologen und Ökonomen meinen, unerläßlich. Die Biotechnologie, die technische Nutzung einfacher biologischer Systeme, wie Pilze, Bakterien, Enzyme, für Produktionszwecke gilt heute schon als Schlüsselindustrie der Zukunft.

Die Chancen und Möglichkeiten der Biotechnologie in Österreich haben die Grazer Biochemiker Hermann Esterbauer und Walter Steiner untersucht und kamen zu dem Ergebnis: Der Aufbau einer Äthanolproduktion ist ein möglicher (keinesfalls der einzige) Weg, um in der Biotechnologie auch international den Anschluß nicht gänzlich zu verpassen.

„In Österreich besteht in der Äthanolgärung ein gewisses Know-how sowohl auf dem Anlagensektor als auch in der Prozeßführung, das den Einstieg in eine großtechnische und modernste Alkoholindustrie erleichtern würde. Die Äthanolerzeugung ermöglicht einen raschen, risikoarmen und sinnvollen Einstieg in die Biotechnologie und könnte als Katalysator für weitere Entwicklungen auf diesem Sektor dienen“, nennt Hermann Esterbauer einige Argumente, die für ein Äthanolprogramm sprechen.

In einem komplizierten Verfahren werden biogene, erneuerbare Rohstoffe wie Zucker, Stärke (aus Getreide, Mais, Kartoffeln) und Cellulose mit Hefepilzen versetzt. Die in den Pilzen enthaltenen Enzyme sorgen für die Gärung, es entsteht dadurch die Äthanollösung (Alkohol).

Weltweit schwören zahlreiche Staaten auf eine Äthanolproduktion, die auch für Österreich sinnvoll wäre. Denn für jeden Liter Alkohol, der aus heimischen er-neuerbareri Rohstoffen hergestellt wird, könnte mindestens ein Liter Erdöl gespart werden. Ein weiterer Vorteil ist die mögliche Verwertung von Agrarüber-schüssen.

Die einmalige Chance für Österreich, mit an der Weltspitze zu sein, ergibt sich in der Cellulo-severwertung, die als zukunftsträchtige Technologie gilt. Denn in zahlreichen Ländern sind Projekte zur Produktion von Cellulo-se-Äthanol bereits sehr weit gediehen.

Hermann Esterbauer: „Glücklicherweise liegt Österreich auf diesem Gebiet in der Forschung und Entwicklung durchaus vergleichbar mit anderen Industrieländern. Die Firmen Steyrermühl AG und VOEST Alpine AG haben in enger Zusammenarbeit mit der Universität Graz und der Technischen Universität Graz die Cellu-losetechnologie so weit entwikkelt, daß eine Produktionsanlage errichtet werden könnte.“

Den Grazer Chemikern erscheint Äthanol in Österreich nicht so wichtig in der Treibstofferzeugung, vielmehr könnte es als Rohstoff in der chemischen Industrie dienen. Und da aus Äthanol Äthylen herstellbar ist, kann es auch als Ausgangsstoff für die gesamte Kunststoffindustrie dienen. Zwar ist die Erzeugung von Äthanol (sowie anderer organischer Substanzen für die industrielle Anwendung) aus Biomasse noch nicht wirtschaftlich — die Herstellung aus Erdöl kommt zur Zeit billiger -, doch muß man die knapper werdenden Ressourcen an fossilen Brennstoffen in Betracht ziehen. Die Natur brauchte nämlich 500.000 Jahre, um jene Menge an Rohstoffen zu bilden, die die Menschheit derzeit in einem einzigen Jahr verbraucht.

Die Tage, da die chemische Industrie auf billiges Erdöl zurückgreifen kann, sind, so die Wissenschafter, gezählt. Biotechnologische Verfahren haben den Vorteil, daß sie bei Temperaturen um 20 bis 50 Grad Celsius ablaufen und so wenig Energie verbrauchen, sie sind umweltfreundlich (keine Abfallstoffe und giftige Nebenprodukte), und nicht zuletzt sind erneuerbare Rohstoffe in fast allen Ländern in ausreichender Menge vorhanden.

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