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Biogas wird billiger

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Als „Gold der Erde“ bezeichnete Justus von Liebig bereits im 19. Jahrhundert menschliche und tierische Abfallprodukte - beeindruckt vom Umgang der Chinesen mit diesem „Gold“, die schon seit Hunderten Jahren Energie und hochwertigen Dünger daraus gewinnen.

1980 waren in China sieben Millionen Biogasanlagen in Betrieb, in Europa werden Millionen Tonnen Gülle als Abfallprodukt betrachtet. Eine Tatsache, die viele Ökologen angesichts des zunehmenden Bodensterbens, der drohenden Energieengpässe und der wachsenden finanziellen Probleme in der Landwirtschaft als Skandal bezeichnen.

Seit der letzten Ölkrise wird Biogas auch bei uns in Versuchsreihen getestet. Das Prinzip, organische Massen wie Hühner-, Schweine- oder Rindermist einer anaeroben Vergärung (unter Ausschluß von Luft) zuzuführen, bei der als Endprodukt Methan entsteht, ist seit langem bekannt, die Verwendung in größerem Rahmen krankte am Detail.

Heute wird der Bauer als Energie-Selbstversorger und Erzeuger eigener Düngemittel — was bisher mit Großbiogasanlagen nicht realisierbar schien — wieder interessant.

Gernot Graefe, als Ökosystemforscher im Rahmen der Akademie der Wissenschaften seit vielen Jahren in der Erforschung alternativer Energien tätig, hat in seiner Forschungsstelle in Donnerskirchen eine Klein-Biogasan-lage entwickelt, die billig und leicht montierbar ist.

Um eine optimale Vergasung der Gülle sicherzustellen, mußten bisher im Winter 20 bis 50 Prozent des gewonnenen Methans zur Beheizung des Reaktors verwendet werden, um die Temperatur von rund 20 Grad Celsius konstant zu halten. Bei niedrigeren Temperaturen sind die Rotte-Bakterien kaum oder nicht in der Lage, ihre Arbeit zu leisten. In China sind deshalb die meisten Biogasanlagen im Winter stillgelegt.

Graefe löste dieses Problem mit einer einfachen, mitten in den burgenländischen Weinbergen, naheliegenden Idee. Die Klein-Biogasanlage wurde mit einem Mantel aus Traubentrester umgeben, der bei der Verrottung die Wärme für die Anlage liefert. „Jeder Misthaufen erfüllt den gleichen Zweck“, so Graefe, der zur Zeit das Abfallprodukt Biertre-ster aus Brauereien für diese Verwendung in Donnerskirchen testet.

So liefert die Biogasanlage Energie und zwei hochwertige „Abfall“-Produkte: verrotteten Festmistkompost aus der Um-mantelung und ausgearbeitete Biogasgülle aus dem Faulraum. Während Kompost nicht nur im biologischen Landbau als humusaufbauendes, natürliches Düngemittel an Bedeutung gewinnt, wurde die Wirkung der ausgereiften Biogasgülle bisher unterschätzt.

Die Ergebnisse des Agrarchemikers Jose Lutzenberger in Brasilien, daß sich .jeder Bauer, der sich an Biogas ankoppelt, von der Chemie abkoppelt“, bestätigt sich nicht nur auf dem Sektor der Mineralstoffversorgung der Pflanzen, sondern auch im Pflanzenschutz. „Mißt man“, so Jose Lutzenberger, „den Gehalt an Mineralnährstoffen, besteht kaum ein Unterschied zwischen roher Gülle und ausgereifter Biogasgülle. Gleiche Mengen von beiden nebeneinander auf einem Acker aufgebracht, haben trotzdem ganz verschiedene Wirkung: Rohe Gülle wirkt für die Pflanzen ätzend, vertreibt die Regenwürmer und beeinträchtigt das Bodenleben. Rinder, Schafe und Pferde meiden lange eine so gedüngte Weide. Wird Biogasgülle aufgebracht, wird das Bodenleben aktiviert, der Humus aufgebaut, und sogar Rehe bevorzugen diese Weide. Rohe Gülle ist sauer, Biogasgülle reagiert schwach alkalisch.“

Diese Erfahrungen bestätigt auch Direktor Kastner von der landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof bei Zwettl, auf der seit vielen Jahren Biogasversuchsanlagen betrieben werden: „Selbst wenn man die Energie überhaupt nicht benötigte—für die hochwertige ausgegaste Gülle allein müßte man derartige Anlagen betreiben!“

Die Sorge biologisch orientierter Bauern, daß sich die Beschik-kung der Biogasanlagen nur bei Intensiv-Tierhaltung problemlos gestalten könnte, ist mit den neu entwickelten Kleinanlagen nicht mehr aktuell. Auch bei naturnaher Tierhaltung im Kleinbetrieb hat sie sich bewährt. Bei der Entsorgung von Klärschlämmen, die durch die überregionalen GroßKläranlagen in undeponierbaren Mengen anfallen, setzen die Wissenschaftler ebenfalls auf „Vergasung“ als Zukunftsperspektive.

Zur Zeit wird Klärschlamm zum Teü auf Feldern aufgebracht, wirkt dort aber durch die große Schwermetallbelastung eher als Giftmüll denn als Dünger.

Sicher ist, darin sind sich viele Ökologen einig, daß erst höhere Energiepreise den ganzen Wert des „Goldes“, das Mensch und Tier täglich produzieren, für die Landwirtschaft erkennbar machen werden.

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