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KLÄRSCHLAMM-JA, ABER...

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FURCHE: Wachsende Mengen an Klärschlamm sind zu entsorgen. Die Landwirtschaft verhält sich eher ablehnend. Experten halten eine Ausbringungfür vertretbar. Woher rührt diese unterschiedliche Sichtweise?

RICHARD DIETRICH: Die Vertreter der Landwirtschaft weisen darauf hin, daß aufgrund der Vielfalt der im Klärschlamm enthaltenen Schadstoffe seine Ausbringung auf landwirtschaftlich genutzte Böden nicht vertretbar sei. Tatsächlich ist die Vielfalt groß. Auch kann man nicht alles und das ständig kontrollieren. Und bei organischen Schadstoffen sind die Kontrollmethoden sehr aufwendig. Hier bestehen Risken. Außerdem wird daraufhingewiesen, daß die Gesetze strenger werden und die Belastungsgrenzen für landwirtschaft-liche Böden voraussichtlich herabgesetzt werden. Böden könnten dann aus der Produktion fallen. Davor haben die Bauern Angst.

FURCHE: Ist eine solche Entwicklung tatsächlich absehbar?

DIETRICH: Ja, durchaus. Man wird Standards an Pflanzen legen und deren Belastung begrenzen. Böden, die stärker belastete Produkte liefern, werden aus der Produktion genommen werden müssen. Einige Linzer Stadtgärten sind schon so belastet, daß ihre Pflanzen erhöhte Konzentrationen aufweisen. Derzeit aber ist die Bodenbelastung aber noch weit von gefährlichen Werten entfernt.

FURCHE: Und die Experten meinen . der Klärschlamm sei gar nicht so stark mit Giftstoffen belastet?

DIETRICH: Es gibt jede Menge von Untersuchungen, auch solche, aus denen die Entwicklung des Schwermetallgehaltes über längere Zeiträume (etwa von 1979 bis 1989) abzulesen sind. Dabei zeigt sich, daß der Schadstoffgehalt des Klärschlamms sich eigentlich verringert hat - und zwar bedeutend. Der Gipfel ist schon überschritten.

FURCHE: Die Tendenz ist also fallend. Gilt das allgemein?

DIETRICH: Ja. Wir bewegen uns auf einen Zustand zu, in dem die Belastung des Klärschlammes etwa in der Größenordnung jener der Böden liegt. Das Aufbringen von Klärschlamm erzeugt dann keine zusätzliche Anreicherung von Schwermetallen im Boden.

FURCHE: Wie ist dann aber die Haltung der Bauern zu verstehen?

DIETRICH: Da muß man zugeben, daß derzeit noch eine Anreicherung der Böden mit Schwermetallen stattfindet. Nur der Trend geht in Richtung Anglei-chung. Außerdem will die Landwirtschaft erreichen, daß die Qualität des Klärschlammes besser wird. Sie übt dazu Druck aus. Eines aber muß man sagen: Die zur Ausbringung geeignete Klärschlammmenge liegt deutlich höher als jene, die tatsächlich ausgebracht wird.

FURCHE: Gibt es für die Ausbringung gesetzliche Regelungen?

DIETRICH: Gerade eben habe ich das neueste oberösterreichische Gesetz bekommen. Hier wird ein Weg gegangen, der die Ausbringung nicht gänzlich unterbindet, aber einen relativ großen Sicherheitsraum einhält. So wird meines Wissens nach zum ersten Mal die Ausbringung auf Grünflächen gänzlich verboten. Erstmals wurde in diesem Gesetz auch die Haftung der Allgemeinheit für Schäden, die durch Klärschlammaufbringung entstehen können, festgeschrieben.

FURCHE: Warum nicht auf Grünland''

DIETRICH: Es wird zwar gefordert , daß der Schlamm „hygienisiert" wird, also etwa unter Luftausschluß, anaerob, vergoren. Beim Grünland aber gibt es trotzdem Bedenken wegen der Hygiene, weil die Tiere ja das Futter direkt auf der Wiese fressen. Das ist eine sehr direkte Nutzung.

FURCHE: Sonst darf Klärschlamm überallhin ausgebracht werden?

DIETRICH: Die Bundesanstalt für Bodenwirtschaft legt Eignungsflächen fest. Beurteilt wird dabei die Hangneigung der Fläche, der Grundwasserstand, der pH-Wert des Bodens, der Zustand des Bodens... Eine Studie im Lavanttal ergab, daß nur etwa zehn Prozent der lanwirtschaft-lich genutzten Fläche geeignet waren. Eine Möglichkeit, diese Fläche zu vergrößern, ergäbe sich bei Kompostierung von Klärschlamm. Dann fiele er in krümmeliger Form an und wäre auch für Hanglagen geeignet.

FURCHE: Bekommt der Klärschlamm bei Lieferung „ein Zeugnis ausgestellt" ?

DIETRICH: Ja. Einerseits wird der Klärschlamm untersucht und andererseits die Fläche, auf die er kommt.

FURCHE.WelcheMengenanKlär-schlamm fallen in Österreich an?

DIETRICH: Etwa 275.000 Kubikmeter (Tonnen) Trockensubstanz pro Jahr. Vergleicht man das mit den 37 Millionen Tonnen tierischer Exkremente, die in Österreich jährlich anfallen, so erkennt man, daß Klärschlamm jedenfalls derzeit kein wirkliches Mengenproblem ist. Davon werden 20 bis 25 Prozent landwirtschaftlich verwertet. Der Trend ist aber fallend. Etwa ein Drittel wird verbrannt, ein Drittel deponiert.

FURCHE: Bekommt der Bauer etwas für die Übernahme?

DIETRICH: Ja. Der Betrag ist sehr unterschiedlich. Er schwankt pro Kubikmeter zwischen 50 und 500 Schilling.

FURCHE: Hängt das von der Schadstoffbelastung ab?

DIETRICH: Nein. Ist der Druck, den Klärschlamm loszuwerden sehr groß, dann sind die Entsorger bereit, mehr zu zahlen. Es gibt auch Landwirte, die sich auf diese Art, etwas dazuverdienen. Ihnen ist der Boden nicht das primäre Anliegen, sondern der Pflanzenwuchs. Und dieser ist ja ganz prächtig. Der Klärschlamm produziert ja einen sehr schönen Boden, dessen natürliche Funktionen sehr angeregt werden.

FURCHE: Also mehr Bodenleben durch Klärschlamm?

DIETRICH: Ja, durchaus. Es entsteht ein aktiver Boden mit hohem organischen Anteil. Ich kenne Böden im Raum Bregenz, die zwar einen etwas höheren Schwermetallgehalt aufweisen, aber eine sehr viel bessere natürliche Bodenfruchtbarkeit. Das kommt vom organischen Anteil, den der Klärschlamm aufweist.

FURCHE: Ist das also das große Plus des Klärschlammes?

DIETRICH: Ja - die Belastung mit Schwermetallen und organischen Schadstoffen das Minus. Zu den organischen Schadstoffen ist allerdings zu sagen: Einerseits gibt es zwar eine unüberschaubare Vielzahl davon. Andererseits aber sind sie über lange Zeiträume doch abbaubar. Es gibt Forscher, die meinen, organische Schadstoffe würden in ihrer Gefährlichkeit überbewertet. Der Boden hat hiereine Filterfunktion. Sie ist umso wirksamer je intensiver das Bodenleben.

FURCHE: Und inwiefern schaden Schwermetallen ?

DIETRICH: Ab einer gewissen Reizschwelle beeinträchtigen sie das Bodenleben. In optimalen Böden werden die Schwermetalle durch die Aktivität der Bakterien in schwerlösliche chemische Substanzen überführt, örtlich gebunden und so weitgehend unschädlich gemacht. In gesunden Böden nehmen Pflanzen Schwermetalle nicht auf. Erst bei Übersäuerung der Böden, bei einem Abbau organischer Masse können Schwermetalle wieder in den Kreislauf gelangen.

FURCHE: Was sollte also mit dem Klärschlamm geschehen?

DIETRICH: Jedenfalls wäre der Schwermetallgehalt zu reduzieren, am wirksamsten dadurch, daß sie gar nicht erst ins Abwasser gelangen.

Dipl. Ing. Richard Dietrich ist Mitarbeiter der Österr. Vereinigung für Agrarwissenschaftli-che Forschung in Wien.

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