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Das verdrängte Problem

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Nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen anderen europäischen Staaten, stellt die Abfallbehandlung einen der rückständigsten Bereiche des Umweltschutzes dar. Einer der Gründe dafür ist der lautstarke Bürgerprotest gegen jede Art von Aufbereitungs-, Deponie- oder Verbrennungsanlagen. Doch anders ist das Müllproblem nicht lösbar.

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Nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen anderen europäischen Staaten, stellt die Abfallbehandlung einen der rückständigsten Bereiche des Umweltschutzes dar. Einer der Gründe dafür ist der lautstarke Bürgerprotest gegen jede Art von Aufbereitungs-, Deponie- oder Verbrennungsanlagen. Doch anders ist das Müllproblem nicht lösbar.

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Neue Technologien, zum Beispiel die Biotechnologie, versprechen bei der Herstellung vieler Produkte, die heute noch mit großem Abfallanfall verbunden ist, in Zukunft die Entstehung von Abfall fast zur Gänze vermeiden zu können. Solange jedoch Rohstoffe (aus natürlichen Vorkommen) verunreinigt sind, wünschenswerte Techniken und biologische Fragen in vielen Bereichen noch nicht entwickelt sind, müssen wir mit Abfällen rechnen und sie so umweltfreundlich wie möglich unter voller Zurechnung aller hierbei für eine aufwendige Unschädlichmachung anfallender Kosten - soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar - verwerten oder beseitigen.

Das kommende Abfallwirtschaftsgesetz soll so weit wie möglich ökologisch und wirtschaftspolitisch ausgewogene Ziele vorgeben, die Verwirklichung aber den Betrieben und Wirtschaftszweigen zur freien Gestaltung überlasseh, denn nur im Betrieb befindet sich jenes Sachwissen, das es ermöglicht, mit dem geringsten Kostenaufwand die größten Erfolge zu erzielen. Starre dirigistische Vorschreibungen bedeuten nicht nur zusätzlichen betrieblichen Aufwand, der letztlich vom Konsumenten zu tragen ist, sondern auch eine Verschlechterung der internationalen Wettbewerbssituation.

Vordringlich ist nicht die Schaffung neuer gesetzlicher Bestimmungen, sondern vielmehr die Erweiterung der inländischen Entsorgungskapazität, wobei in der Vergangenheit vor allem die Auffassungsunterschiede zwischen den Bundesländerkompetenzen und der Bundeskompetenz dazu geführt haben, daß kaum Deponien für betriebliche Abfälle neu errichtet wurden.

Es gibt insbesondere für Industrie-und Gewerbeabfälle (Sonderabfall) zuwenig öffentlich zugängige Deponien.

Die Abfallvermeidung und Abfallverwertung ist in der produzierenden Wirtschaft weit entwickelt. Es werden von 6 Mio. Tonnen Sonderabfall etwa 1,6 Mio. Tonnen verbrannt. Damit werden 17 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs der Industrie (1987) gedeckt.

Für den Gesamtenergieverbrauch Österreichs bedeutet es, daß ebenfalls für 1987 8,2 Prozent durch Abfall und sonstige Energieträger gedeckt werden. Aber auch auf die Abfallvermeidung durch neue Produktionsverfahren - sogenannte saubere Technologien - und die Abfallverwertung im eigenen Betrieb, etwa die Mehrfachverwendung von Gießereisanden, die Abiaugenverbrennung in der Zell-

stoffindustrie, die Rückgewinnung von Schwermetallen aus der Photoausarbeitung ist zu verweisen. Auch Bauschutt und Asphaltrecycling werden vielfach gehandhabt, die Auf arbeitung von Frischbetonresten ist Stand der Technik.

Verwertet werden in Österreich etwa 1,2 Mio. Tonnen Abfälle.Wenn man berücksichtigt, was durch Vermeidung und Mehrfachverwendung und interne Aufarbeitung sowie durch gezielte Änderung der Produktionsverfahren an Abfall gar nicht mehr anfällt, kann man davon ausgehen, daß die Abfallmenge in Österreich etwa das Doppelte des derzeit anfallenden Abfalls ausmachen würde.

Auch im Bereich der Verpackung wurde durch Optimierung, etwa bei Konservendosen, Materialeinsparungen erzielt, das Dosen- und Glasrecycling funktioniert weitgehend. Bei Dosen - insbesondere Aluminiumdosen - besteht das Problem der geringen Stückzahl, so daß Sammelsysteme schwer zu stabilisieren und noch unökonomisch sind. Probleme entstehen auch durch vorgefaßte Meinungen im Umwelt- und insbesondere im Abfallbereich, wie etwa der Kampf gegen PET-Flaschen oder Kartonverpackungen bei Milch und Limonaden.

Unser heute bestehendes Entsorgungsproblem bezüglich des Hausmülls ist darauf zurückzuführen, daß in den sechziger Jahren zwar eine wesentliche Verbesserung der Abfallentsorgung durch die Errichtung von regionalen Deponien anstelle Gemeindedeponien erzielt werden konnte, nicht aber rechtzeitig Vorsorge ge-

troffen wurde, daß die heute aufgefüllten Deponien rechtzeitig durch neue Anlagen ersetzt werden. Während es in den sechziger Jahren mehr als 3000 Deponien und damit Gefahrenstellen gab-so bestanden 1983, dem letzten Erhebungsjahr, nur mehr 50QJDepo-nien.

Betrachtet man den reinen Hausmüllanfall pro Kopf und Jahr, so stieg dieser von 179 kg im Jahr 1972 auf 316 kg im Jahre 1983. Dies bedeutet einedurchschnittliche jährliche Zunahme um 1,7 Prozent. Im gleichen Zeitraum von 1972 bis 1983 ist aber die Industrieproduktion im Durchschnitt jährlich um 2,8 Prozent gestiegen. Daraus ist ersichtlich, daß der Müllanfall relativ, gemessen an der Versorgung der Konsumenten mit Verbrauchsgütern, zurückgegangen ist.

Eih ähnliches Bild zeigt sich, vergleicht man den wertmäßigen Anteil der österreichischen Verpackungsproduktion am Bruttoinlandsprodukt. Stieg dieser Prozentsatz - bedingt durch die Entwicklung der Selbstbedienung - von 1,31 Prozent im Jahr 1960 auf 1,55 Prozent im Jahr 1970, so ist ab diesem Zeitpunkt ein stetiger Rückgang festzustellen. 1987 betrug der Anteil der Verpackungsproduktion nur mehr 1,22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Da Verpackung nicht Selbstzweck, sondern wesentlicher funktioneller Bestandteil des Produkts ist, wird Müllvermeidung durch weitere Einsparungen bei Verpackungen nur in marginaler Größenordnung möglich sein. Dies gilt auch für die Diskussion um die Getränkeverpackungen, deren

geringerer Anteil am Hausmüllaufkommen keine relevanten Einsparungsmöglichkeiten eröffnet. Aus all diesen Fakten ergibt sich, daß es zwar einfach aber unrichtig ist, den Verpak-kungen die alleinige Schuld an Müllbergen und kommunalen Entsorgungsproblemen zu geben.

Es ist daher hoch an der Zeit, die Diskussion wieder auf ein sachliches und objektives Niveau zurückzuführen - weg von mit missionarischem Eifer vorgebrachten, rein ideologisch statt fachlich begründeten Vorwürfen und Scheinargumenten. Auch dem Konsumenten muß erkennbar werden, daß Verpackungen nicht erzeugt werden, um die Müllmenge zu vergrößern, sondern vielfältige Funktionen -auch im Interesse der Konsumenten und oft auch zum Schutz der Umwelt - zu erfüllen haben und daß unser Güterverteilungssystem und unser heutiger Lebensstandard ohne eine moderne Verpackungstechnik undenkbar wäre.

Alle nicht dem Hausmüll zuzurechnenden Abfälle aus dem gewerblichen Bereich, von Erdaushub und Bauschutt angefangen über Abfälle aus. der Lebensmittelindustrie, die weitgehend dem Hausmüll entsprechen, bis zu Abfällen der chemischen Industrie und der Metallverarbeitung wie Galvanikabfälle oder hochgiftige Cyanide (das Rohmateril wird aus Deutschland geliefert und dann wieder zurückgeführt), sind in der Gruppe der Sonderabfälle zusammengefaßt.

Infemiation der Vereinigung Österreichischer Industrieller

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