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Steigerung der pflanzlichen — Verminderung der Tierproduktion

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Da nicht anzunehmen ist, daß eine entscheidende Steigerung der Weltpflanzenproduktion zu erwarten sein wird, die bedeutend günstigere Aussichten für die Zukunft der Welternährung erhoffen lassen könnte, so steht es um die Tierproduktion nicht anders. Die landwirtsdiaftliche Tierproduktion steigt und fällt mit der Höhe der pflanzlichen Erzeugung. Da das Tier alle für menschlichen Genuß verwertbaren Nährwerte ungleich schlechter ausnützt und diese dem Menschen über das Tier nur zu einem Bruchteil zurückgeliefert werden, wird mit zunehmender Einengung des Nährraumes nicht nur jeder Boden womöglich für den Anbau menschlich unmittelbar verwertbarer Produkte herangezogen werden müssen, sondern auch die Ver-fütterung genußtauglicher Nährwerte an das Vieh immer mehr verringert werden müssen oder sogar das, was heute nur das Vieh verwerten kann, durch chemische Verarbeitung zur Menschennahrung gemacht werden muß. Je mehr die Zahl der Menschen ansteigt, um so niederer wird die Tierhaltung sein müssen, damit aber auch um so niederer die Erzeugung von tierisdiem Eiweiß und von tierischem Fett, und damit wird der Fleisch-und Fettkonsum herabgedrückt werden. Auch auf Ertragsmehrung seitens der freilebenden Tiere ist nicht zu redinen. Deren Ausrottung schreitet ständig fort, dies gilt besonders von den Walen, und audi die Erträge aus dem Fischfang scheinen in stetem Rückgang begriffen.

Nun wäre noch anderer Faktoren zu gedenken, die die Nahrungsmittelproduktion bestimmen. Die Leistung der Böden beruht in ihrer Gänze auf der Höhe der zugestrahlten Sonnenenergie. Eine Abnahme um nur ein hundertstel Prozent würde bereits einen katastrophalen Rückgang des Wachstums bedingen, ja selbst eine geringe Änderung im Verlaufe des Golfstromes hätte schon schwerst/wiegende Folgen. Denkt man an den Ersatz von Sonnenenergie durch irdische Kraftquellen und an die Erzeugung von Nahrungsmitteln aus solcher Energie, so muß man sich darüber im klaren sein, daß von der Sonne 40 Billionen Kalorien in der Sekunde auf die Erde strahlen, daß aber die gesamte in Europa zur Erzeugung gelangende Jahresenergie aus Kraftquellen nicht einmal einer Minute Sonnenstrahlung gleichzusetzen ist. Ob es einmal gelingen wird, die ungeheueren Werte der kosmischen Energie nutzbar zu machen oder ob eine wirtschaftlich ökonomische und tragbare Ausnützung der Atomenergie der Lebensmittelsynthese wird dienstbar gemacht werden können, sind Probleme, in denen man derzeit wohl nur die Phantasie spielen lassen kann.

Das Phosphordefizit

Es kommt für die künftige Lebensmittelproduktion noch deren chemische Seite in Betracht. Es sind vor allem zwei Momente entscheidend. Alles Pflanzenwachstum hängt von der Menge der Luftkohlensäure ab. Diese muß einmal viel größer gewesen sein, wie dies aus der Bildung der ungeheuren Kohlenlager hervorgeht. Eine Abnahme des Kohlensäuregehaltes der Luft um nur ein tausendstel Prozent würde jener Menge gleichkommen, welche die ganze Pflanzenwelt der Erde in einem Jahr aufnimmt. Vorerst ist eine Abnahme des Kohlensäuregehaltes nicht nachweislich gewesen, daß aber eine solche stattfinden dürfte, ist bei der steten Umwandlung von Silikaten in Karbonate und bei dem steten Verschwinden von Kohlensäure in die Meere zu erwarten. Innerhalb absehb? er Zeiten ist von dieser Seite her eine Gef.hr aber nidit zu erwarten. Dagegen ist das Phosphorproblem sehr ernst zu nehmen. Auf der ganzen Erde besteht ein Phosphordefizit. Ungeheure Verschwendung wurde in letztvergangener Zeit mit diesem Element getrieben. Alle Getreideernten der Welt, alle Kartoffel ernten hängen vom Phosphorgehalt der Böden ab. Die Mehrzahl der Böden leidet heute schon Mangel an Phosphaten. Amerika .soll nur mehr für 100 bis 200 Ernten abbauwürdige Phosphorlager besitzen. Allerdings gewann es nun in der Südsee mächtige Phosphatlager. Sehr gut ist Frankreich mit solchen bedacht, Österreich besitzt nahezu gar kein abbauwürdiges Vorkommen und ist fast nur auf Knochenmehl angewiesen, soweit es sich um eigene Erzeugung handelt. Dabei gehen täglich rund tausend Kilo Phosphor in Wien durch die Kanäle in die Donau und sind für uns verloren. In China ist die Entwertung der Böden an Phosphor zu gutem Teil schuld an den Mißernten und den Hungersnöten vieler Distrikte. Immerhin besteht die Hoffnung, daß es möglich sein werde, neue Phosphatlager aufzufinden und daß dadurch das Weltphosphordefizit und das Absinken der Getreide- und Kartoffelernten verhindert werden kann.

Die Folgen der Geburten verminde rung

Wie gestaltet sich nun die andere Seite des Problems: der allfällige Rückgang des Bevölkerungszuwachses?

Eine Minderung der Geburtenzahl hat unausbleiblich eine Uberalterung der Bevölkerung zur Folge. Damit ist ein immer größerei Überwiegen der unproduktiven und sozialer Befürsorgung durch Familie oder öffentliche Faktoren zu Betreuenden die Folge. Geburteneinschränkung ist also um so mehr zu bekämpfen, als die primitiven Völker und die asozialen Elemente immer reichlicher Kinder in die Welt setzen werden. Durch den Ausfall vieler im vollkräftigen Alter Stehender müssen sie auch zu einer weiteren Minderung der Geburtenzahl und einer weiteren Steigerung des Mißverhältnisses führen.

Weder eine zu erhoffende Produktionssteigerung noch Geburtenminderung kann heute die Problemlösung darstellen. Sollte es menschlichem Geiste auch möglich werden, ganz neue Wege der synthetischen Erzeugung von Nahrungsmitteln zu finden, so wird dies doch immer an die Frage der Energie und Rohstoffbeschaffung geknüpft sein, die bei der ungeheuren Menge erforderlicher Nahrungsmittel nicht zu lösen sein wird.

Gäbe Gott, daß solche Überlegungen nicht zutreffen mögen, wie sie die Wissenschaft auf Grund der ihr verfügbaren Tatsachen anstellt, auf Grund derzeitigen Wissens anstellen muß. Die Spanne Zeit, die gegeben ist, bis die Grenze der Ernährungsmöglichkeit für die angewadisene Bevölkerung erreicht ist, beträgt bei jetzigem Zuwachs nur 150 bis 200 Jahre! Hoffentlich ist eine soldie Vorhersage ebenso abwegig wie jene von Helmholtz, der vor fünfzig Jahren geglaubt hatte, in exakter Berechnung beweisen zu können, daß der Mensch niemals werde fliegen können. — Im Weltenplan gibt es tausend Wege, die wir nicht kennen.

Der Ackermann: das ist der, welcher seinen eigenen Grund baut, der seines Eigentums versichert ist, nicht derjenige, der nur bittweise überlassene Erde umgräbt, nicht derjenige, der das Feld für einen anderen bestellet, nicht derjenige, der, selbst ein Knecht. Kinder zur Knechtschaft, nicht seiner Arbeit Gehilfen zeugt und erzieht, nicht derjenige, der gleichsam nur der gemeine Fronknecht ist, alle übrigen Klassen mästet und selbst darbt. Eigentum des Bodens und persönliche Freiheit machen ein Volk zu Patrioten. Die Heloten sahen Sparta nicht als ihr Vaterland an.

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