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Oberösterreichs Landwirtschaft

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Ein urtümliches, kraftvolles und selbstbewußtes Bauerntum auf Vierkanthöfen, wie Burgen inmitten wogender Fefder und Fluren hausend, das ist zumindett die idealisierende, etwas romantische Kennzeichnung für das Bauernland Oberösterreich bis in unser 20. Jahrhundert hinein gewesen. Seither hat sich allerdings vieles gewandelt. Während um 1870 herum die bäuerliche Bevölkerung mit 57 Prozent der Gesamtbevölkerung noch tonangebend war, sank ihr Anteil bis 1951 auf 26 Prozent und seither noch, weiter. Oberösterreich ist ein Industrieland geworden. Aber nicht nur der Bevölkerungszuwachs des Landvolkes ist in der Industriewirtschaft untergekommen, auch der Bestand der bäuerlichen Bevölkerung hat von 413.000 Personen im Jahre 1869 auf 286.000 Personen 1951 abgenommen, während die gesamte Bevölkerung des Landes in der gleichen Zeit von 731.000 auf 1,108.000 zugenommen hat. Die Abnahme der landwirtschaftlichen Bevölkerung um 30 Prozent und auch die Abnahme der Kinderfreudigkeit der Landbevölkerung hat die Höfe, die früher ein zahlreiches Gesinde beschäftigten, leer gemacht. Die Zahl der pflichtversicherten Landerbeiter hat von 64.000 im Jahre 1948 auf 35.700 1957 abgenommen. Die Familienwirtschaft mit zwei bis drei vollbeschäftigten Arbeitskräften gilt heute als Leitbild eines produktiven landwirtschaftliche Betriebes. Am Stelle der menschlichen wie tierischen Arbeitskraft sind die PS der Maschinen getreten, und die Fortschritte in der Pflanzen- und Tierzüchtung haben immer höhere Erträge je Hektar und je Tier mit sich gebracht. Hier hat sich eine besonders tiefgreifende Wandlung vollzogen. Während die Landwirtschaft früher nicht nur Nahrungsmittel und Rohstoffe für das Gewerbe erzeugen mußte, sondern auch die hierzu erforderlichen Hand- und Zugarbeitskräfte aufziehen und erhalten mußte, werden ihr bei dem immer weitergehenden arbeitsteiligen Einbau der Landwirtschaft in die Volkswirtschaft heute in den Maschinen und Treibstoffen, Düngemitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln, Haushaltsartikeln usw. die erforderlichen Kraftleistungen in viel stärkerem Ausmaß als früher von der Industriewirtschaft beigestellt, wodurch sie in die Lage kommt, eine viel größere Erzeugung an Nahrungsmitteln je Fläche zu erzeugen und viel mehr Menschen von derselben Fläche zu ernähren. Allerdings geht das nicht ohne Kosten ab, die man früher nicht kannte.

Einige Zahlen können dies deutlich machen. Der Düngerverbrauch stieg von 1.77 Kilogramm Reinnährstoff je Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche im Jahre 1946 auf 48.32 Kilogramm 1956/57. Traktoren waren 1939 in der Landwirtschaft erst 292 Stück gezählt worden, 1946 waren 1858 vorhanden und 1957 erhöhte sich die Zahl auf 23.413. Seilzüge und Mähdrescher waren zu Ende des Krieges überhaupt noch keine da, 1957 waren es 1426 und 815 Stück. Selbst die Elektromotoren vermehrten sich von 24.300 im Jahre 1939 auf 49.039 Stück; so zeigt sich bei allen Maschinen und technischen Einrichtungen eine gewaltige und rasche Zunahme in den letzten beiden Jahrzehnten.

Auch die Produktionsleistungen haben stark zugenommen. Während 1945/46 wegen der Kriegsfolgen nur 46.400 Tonnen Brotgetreide auf den Markt gebracht wurden, konnten bei der guten Ernte 1956/57 112.000 Tonnen abgeliefert werden. Die Milchproduktion ieg von t21.000 Tonnen 1946 auf 708.000 Tonnen, die Marktleistung von 163.000 Tonnen 1947 auf 387.000 Tonnen 1957. Auch der Schweinebestand, der 1938 589.000 Stück betrug und 1946 auf 320.000 Stück gefallen war, erhöhte ich 1957 auf 701.000 Stück. Dagegen sank naturgemäß der Pferde- und Zugochsenbestand beträchtlich ab.

Absatzschwierigkeiten zeigten sich in letzter Zeit vor allem bei Milchprodukten, zeitweise bei Schweinen, während für Nutz- und Schlachtvieh noch der Absatz ins Ausland funktionierte. Freilich waren noch gewisse Produktionsreserven vorhanden, besonders bei Futtergetreide, das noch in reichlichem Maße in Oesterreich importiert wird, und bei pflanzlichen Fetten, die besonders die Milchprodukte konkurrenzieren; 51 Prozent des Fettverbrauche in Oesterreich stammen aus Importen. Aus preislichen Gründen war aber hier bisher keine Abhilfe möglich.

Für die städtische Masse der Bevölkerung scheint damit alles in Ordnung zu lein. Die Landwirtschaft ist in die Lage gekommen, mit viel weniger Arbeitskräften und bei einem Rückgang ihrer Kulturflächen viel mehr zu produzieren als früher. Die vom Land abwandernde

Bevölkerung hat in Industrie und Stadt ihr vielleicht besseres Einkommen gefunden.

Aber bei näherem Zusehen ist es anders, und die Landwirtschaft selbst spürt eine Reihe von Schwierigkeiten und Nachteilen in dieser Entwicklung. Vor allem sind es zwei große Probleme, die ihr Sorge machen.

Große Teile der Landwirtschaft des Landes wirtschaften auf armen Böden, im Bergland und unter ungünstigen Klimaverhältnissen. Alle Technik und sonstigen Fortschritte sind nur sehr begrenzt anwendbar, wenn überhaupt.

Entsiedelungen von Höfen und Extensivierung der Kulturflächen, Aufforstung landwirtschaftlicher Nutzflächen sind schon aktuelle und bedenkliche Folgen dieser Entwicklung in den Berglagen auch in Oberösterreich geworden.

Das andere Problem zeigt sich im deutlichen Zurückbleiben des landwirtschaftlichen Einkommens hinter dem der übrigen Wirtschaft, besonders in den letzten Jahren der industriellen Hochkonjunktur, an der die Landwirtschaft kaum teilhaben konnte.

Ihre hohen Leistungen und Fortschritte hat der Bauer nur mit größten Anstrengungen erzielt, die er machen mußte, nicht nur, um den Hof zu erhalten, sondern auch die notwendigen Anschaffungen an Maschinen und baulichen Verbesserungen durchführen zu können.

Dies konnte aber vielfach nur unter Hintansetzung aller persönlichen Wünsche der Bauernfamilien nach einem besseren und leichteren Leben erreicht werden.

Das Gleichgewicht in der Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft, von Stadt und Land ist irgendwie gestört. Boden, Pflanzen und Tiere sind Lebewesen und keine Maschinen. Daher zeigen sich dem Tieferblickenden schwere Schatten hinter der glänzenden Fassade fortschrittlicher und immer leistungsfähigerer Landwirtschaft.

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