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OFFENE OHREN FÜR KONSUMENTENWÜNSCHE

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Die Steiermark ist ein von der Natur gesegnetes Land. Hoch vom Dachstein an bis zur Grenze im Süden hat die Land- und Forstwirtschaft vielfältige Chancen. In den rauhen Klimazonen herrschen Wald, Grünland und Rinderzucht vor, in den warmen Regionen der Ost-, West- und Südsteiermark gedeihen Obst und Wein, Gemüsesorten aller Art, Mais, Sonnenblumen und Kürbisse. Hier ist auch der gute Boden für die Schweinehaltung.

In keinem anderen Bundesland Österreichs gibt es soviele Sonderkulturen. Wo immer neue Konsumentenwünsche auftauchen, suchen und nützen die Steirer diese Nischen. Der Bogen spannt sich vom Apfelmost bis zu Blütenpollen, vom Kastanienhonig bis zu Heilkräutern, vom Stei-rerkäs bis zum Milchmastkalb, vom Polenta bis zu Bachforellen. Auch Hirse und Dinkel sind wieder gefragt, Leinsamenbrot und Grammelschmalz, Freilandeier und Einlegegurken, Bauernbutter und Dörrzwetschken.

Beim Feldgemüse sind mit dem Chinakohl und dem „Grazer Krauthäuptel" besondere Würfe gelungen. Die Marktforschung zeigt, daß für ein derartiges Angebot auch in München gute Absatzmöglichkeiten bestehen, der Ausbau der Pyhrnautobahn rückt die Steiermark näher an die bayrische Metropole.

Ganz an der Spitze steht seit einigen Jahren der steirische Wein. Einst als „Direktträger" und später als „Zuk-kerwasser" abgewertet, begann in den sechziger Jahren durch Hochkultur und erstklassige Kellertechnik ein ungeahnter Siegeszug. Der aus Niederösterreich stammende, leider allzufrüh verstorbene Weinbaudirektor Viktor Vogt hat an dieser Qualitätssteigerung und der Förderung der Spezialsorte „Schilcher" einen hohen Anteil. Das Motto „Der Sonne am nächsten" entspricht den steilen Südhängen, speziell die Weißweinsorten, vom reschen Welschriesling bis zum würzigen Traminer, gelten heute als „guter Tropfen" von europäischem Rang. Die Inhaber von Vinotheken betonen den weiß-grünen Trend: 800 Buschenschanken entlang der vier Weinstraßen verwöhnen die Gäste.

Europareife besitzt längt schon der steirische Apfel, der mit dem Markenzeichen „frisch - saftig - stei-risch" jeder Konkurrenz standhält. Die Kulturen liegen im Alpenvorland, der Geschmack ist dank der warmen Tage und der kühlen Nächte besonders ausgeprägt. In der Steiermark werden 75 Prozent der österreichischen Tafeläpfel erzeugt, sie trotzen der Konkurrenz von Bananen, Südfrüchten und exotischen Importen. Vor der Haustüre der EG stehend, haben sich rund 1.200 Obst- und Gemüsebauern in der „Steirerfrucht" eine professionelle Infrastruktur für die Vermarktung geschaffen. Die Palette umfaßt Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Salat und Gurken. Im Sinne Friedrich Wilhelm Raiffeisens entscheiden die Bauern selbst über Investitionen und Logistik. Die „Steirerfrucht" mit der sehenswerten Zentrale in Wollsdorf bei Gleisdorf, versorgt unter anderem auch alle großen Handelsketten.

Die Grüne Mark erregt seit einigen Jahren durch drei Markennamen auch bei Fleisch Aufsehen. 700 Schweinebauern haben sich zur Qualitätslinie „Porki" entschlossen. Die Kreuzung von weißem Edelschwein und Pie-train ist die Grundlage. Dazu kommen eine spezielle Fütterung, natürlicher Auslauf und Vorrang für Ställe mit Stroh. ProfessorLeibetseder, Veterinärmedizinische Universität Wien, hat mit strengen Untersuchungen nachgewiesen, daß Porkifleisch sowohl einen niedrigen Fett- als auch Cholesteringehalt aufweist. Für den hohen Standard ist mitentscheidend, daß die Betriebe im Durchschnitt nur etwa zwölf Muttersauen und 200 Mastschweine besitzen, während in Agrarfabriken der USA, Hollands und Belgiens die Massenhaltung von 500 Muttersauen und 3.000 Mastschweinen dominiert. Noch ein Aspekt: Chemische und antibiotische Leistungsförderer sind strikt verboten.

Bergbauern im Weizerland sind die Pioniere für Almochsenfleisch von besonderer Güte. Es wird als „Almo" angeboten und gilt längst als begehrte Delikatesse. Führende Geschäfte und Spitzenrestaurants werben für dieses gehaltvolle Fleisch, die Landwirte verweisen auf die Alpung in frischer Luft und das mit Kräutern reichlich durchsetzte Futter.

60 Bauernmärkte

Als „Styria-Beef' bezeichnet man jenes zarte Fleisch, das von Jungrindern kommt, die bis zu einem Gewicht von etwa 350 Kilogramm von der Muttermilch leben. Diese Mutterkuhhaltung ist in extremen Berggebieten stark verbreitet; sie erspart den Bauern Arbeit und Transportkosten bei der sonst notwendigen Milchlieferung. „Styria-Beef eignet sich vorzüglich zum Braten.

Das wohlklingende Wort „desser-ta", erfunden von einem Kärntner Molkereigehilfen, steht für steirische Spitzenprodukte bei Butter und Käse. Sie kommen aus dem Agrosserta-Bereich, der sich unter Generaldirektor Josef Pichler über Österreich hinaus einen Namen gemacht hat und nun zur AMF (Austria-Milch-Fleisch) gehört. Bei zahlreichen Prämierungen sind steirische Butter, sowie Käsesorten (auch von Schaf und Ziege) mit höchsten Auszeichnungen bedacht worden.

Großer Beliebtheit erfreut sich die Arbeitsgemeinschaft der bäuerlichen Selbstvermarkter, die unter dem Titel „Frisch vom Bauernhof diverse Spezialitäten für umweit- und gesundheitsbewußte Kunden anbieten. Die Lebensmittel gibt es entweder ab Hof, auf dem Bauernmarkt, in einem rustikalen Fachgeschäft, in der „Öko-Insel" einer Handelskette oder durch Zustellung. Das Einkaufserlebnis auf den 60 Bauernmärkten hat besonderen Stellenwert.

Führend ist die steirische Land- und Forstwirtschaft als Energielieferant. Bauernkammerdirektor Heinz Kopetz kämpft seit Jahren für erneuerbare Energien und kann eine beachtliche „sanfte" Bilanz ziehen. Die Grüne Mark zählt 12.000 Solafanlagen, 2.200 Hackschnitzelheizungen (zum Teil für Fernwärmeversorgung) und 530 Hektar Rapsfläche, die derzeit530.000 Liter Ökodiesel liefert.

Ausländisches Interesse

Die „Rapsraffinerie" in Mureck ist ein Mekka für Bio-Energie, es kamen bereits Delegationen aus 25 Ländern und allen Erdteilen, die BBC hat sogar einen Film über die seit 1986 laufende Erzeugung von Raps-Methylester (RME) gedreht.

Ausgangspunkt für 22 Bauern mit Karl Totter an der Spitze, war eine erschreckende Erkenntnis: „Unsere Tiere fressen Futter aus Amerika, unsere Traktoren werden mit Öl aus arabischen Quellen betrieben - und wir wissen nicht, wie wir unsere einseitige Überschußproduktion loswerden sollen."

Sechs Jahre später heißt es in Mureck: „Unsere Tiere fressen heimisches Eiweißfutter, unsere Traktoren laufen mit Treibstoff vom eigenen Feld - so lösen wir unsere Umwelt-und Überschußprobleme."

Die steirischen Bauern sind auf dem richtigen Weg. Der Autor ist Redakteur der Kleinen Zeitung.

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