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Auch Kleinbauern können überleben

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Ein Wettlauf hat begonnen: Die agrar-industriellen Typen sind schnell unterwegs. Sie wollen kurzfristig ihren Ertrag maximieren -nach dem Motto: wachsen oder weichen, ein Spiel, bei dem alle verlieren: Die Umwelt, die Lebensmittelqualität, die ländlichen Strukturen, der Arbeitsmarkt und letztendlich die Betreiber selbst.

Der ökosoziale oder bäuerliche Weg zielt auf langfristiges Optimieren mit ganzheitlicher Sichtweise nach dem Motto: leben und leben lassen, ein Spiel, bei dem alle Gewinner sind. Die Frage ist: Wer bestimmt die Entwicklung?

Drei Einflußgrößen bestimmen den Weg in die Zukunft:

■ Die Konsumenten entscheiden Tag für Tag darüber, ob Europa zur Agrar-wüste oder zur bäuerlichen Kulturlandschaft wird, durch ihren Stimmzettel Geldschein bei ihrem Einkauf.

■ Die Agrarpolitik entscheidet darüber, ob sie auf das liberale Rezept (freie Bahn dem Tüchtigen ohne Bücksicht auf Folgeschäden) oder auf den Schutz der Lebensgrundlagen setzt.

■ Die Bauern entscheiden auch mit: Entweder resignieren wir oder versuchen wir im Wettlauf des agrarindu-striellen Verdrängungskampfes die Nase vorn zu haben oder wir gehen den langfristig sinnvollen, öko-kultu-rellen Weg. Diesen Weg einzuschlagen, ist auch heute möglich.

Schlierbach in Oberösterreich hat sich den Ruf erworben, Zentrum für eine ökologische, innovative, bäuerliche Landwirtschaft zu sein.

Lange vor der Diskussion über den EU-Beitritt hat man dort begonnen, langfristige und ganzheitliche Projekte zur Sicherung der Lebensgrundlagen zu starten.

Zentrum einer geistigen Neuorientierung ist das vor acht Jahren gegründete „SPES-Seminarhaus".

„Spes" (lateinisch für Hoffnung) soll auf allen Ebenen menschlichen Lebens realistisch vermittelt werden. Durch eine wissenschaftliche und christliche Wertebasis einerseits und den praktischen, erlebbaren Modellen andererseits soll Umkehr und Neuorientierung gefördert werden.

Wir haben in unserem Einflußbereich die größte Anzahl von Biobauern, die zeigen, daß durch Innovation bäuerliches Überleben möglich ist. Dazu tragen vor allem unsere Märkte bei: Direktabsatz, Bauernmarkt, Bauernläden, Kooperation mit dem regionalen Gewerbe, all das läuft gut. Als Anerkennung bekam das Modell im Vorjahr den oberösterreichischen Umweltschutzpreis.

Auf dem Sektor Landwirtschaft haben wir mit vielen Bauern interessante Vorzeigemodelle, etwa den Schlierbacher Bauernmarkt:

Mitten im Dorfzentrum errichteten 15 Bauern eine im ländlichen Stil aus Holz gestaltete Bauernmarktstube. Jeden Samstag Vormittag ist Bauernmarkt. 300 verschiedenartige Produkte locken seit sechs Jahren immer mehr bewußte Konsumenten an. 90 Prozent der Anbieter sind Biobauern. Das Angebot reicht vom Dinkelreis bis zum Bauernspeck, von Joghurt und Kefir bis zum bäuerlichen Edelbrand, vom Biofreilandei bis zum Forellenfilet.

Das Markterlebnis wird durch den Kleintierwohnwagen und Ponys fürs Kinderreiten bereichert. Während im allgemeinen das Spannungsfeld Gewerbe - Bauern wächst (Konkurrenzverhältnis), sind die Schlierbacher eine Kooperation mit dem Dorffleischhauer und dem Gastwirt eingegangen. Das erfreuliche Ergebnis: Im Bezirk Kirchdorf gibt es die geringsten Klagen über das Verhältnis von Gewerbe und Bauern.

Durch viele Exkursionen und Schulungen soll dieses Modell multipliziert werden.

Erfolgreich ist auch der Bauernladen Kremstal: Stadtgemeinde, Gewerbetreibende und Konsumenten ergriffen die Initiative zur Gründung eines Lebensmittelgeschäftes.

Seit zwei Jahren gibt es den von denselben Schlierbacher Bauern betriebenen Bauernladen Kremstal. In einer aufgelassenen Fleischhauerei wurde ebenfalls im ländlichen Stil ein attraktiver Laden errichtet. 500 verschiedene Produkte werden den Kremstaler Konsumenten täglich von einer Fachkraft angeboten.

Zum wirtschaftlichen Überleben ist ein Jahresumsatz von 2,5 Millionen Schilling nötig. Die Rentabilitätsgrenze wurde nach zwei Jahren erreicht. Ein erfreuliches Problem ergibt sich dadurch, daß es fallweise sogar zu einem Engpaß in der Anlieferung verschiedener Produkte kommt.

Weiters wurde eine eigene Hofmarke entwickelt. Sie garantiert den Konsumenten, daß die von den Biobauern gelieferten Waren eine kontrollierte Qualität aufweisen. Beim Patentamt in Wien wurde eine Wort-Bild-Marke, die „Hofmarke" angemeldet und geschützt. Auch Bauern aus anderen Bundesländern können - bei Einhaltung der hohen QualitätsVorschriften und Kontrolle -Markenpartner werden.

Zur Förderung der regionalen Küche für Einheimische und Touristen wurde von den Touristexperten und Bauern die Initiative „Jedem Gastwirt sein Landwirt" gestartet: Zehn Bauern und zehn Gastwirte und Lebensmittelläden sind eine Kooperation eingegangen. Das Projekt ist längerfristig angelegt und steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Probleme mit der termingerechten Belieferung und der Umstellung der Speisekarten sind noch auszuräumen.

Ganz allgemein gibt es auf verschiedenen Ebenen erfolgreiche Kooperationen: Marktstände bei Fleischhauern und Dorfgeschäften entstehen zur Zufriedenheit aller Beteiligten, ein „Biomobil" fährt wöchentlich 200 Haushalte - es werden laufend mehr - in Wien, Salzburg und Linz an. Kooperation gibt es auch mit kleineren Käsereien und Fleischhauern zur Erzeugung von biologischen Spezialprodukten. 1996 wird ein Bus-Programm für Bauernhofbesuche angeboten, um Stadt und Land, Konsumenten und Bauern näher zu verbinden.

Insgesamt sollen die breit gefächerten Initiativen für und nicht gegen etwas gerichtet sein:

■ für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen,

■ für die Gesundheit von" Umwelt, Tier und Mensch,

■ für die ländliche Struktur der Dörfer und die Erhaltung vieler Arbeitsplätze,

■ für das Ökoland Österreich

Das Angebot von Schlierbach wird gerne angenommen - nicht zuletzt deshalb, weil es bei klarem Verstand keine Alternative zur ökologischen Wirtschafts- und Denkweise gibt!

Der Autor ist

Biobauer mit einer (acht Hektar) kleinen Landwirtschaft, Nebenerwerbslehrer an einer landwirtschaftlichen Fachschule und Obmann des Vereines SPES.

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