6627698-1956_19_01.jpg
Digital In Arbeit

Gutsbesitzer und Bauer

Werbung
Werbung
Werbung

In der vom Verband landwirtschaftlicher Gutsbetriebe veranstalteten Wintertagung 1956 wurde von Prof A. Steden von der Hochschule für Bodenkultur, dem Gutsbesitzer O. Abens-perg-Traun und Dr. Karl Kummer der Arbeiterkammer Wien das Thema „Qualität und Leistung der landwirtschaftlichen Arbeit“ behandelt. Hierbei wurde einstimmig die Notwendigkeit dargelegt, die menschlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu pflegen, da auch in der Landwirtschaft ein gesundes Betriebsklima, das Erstarken des sozialen Verantwortungsgefühls auf der Arbeitgeberseite und das Wiedererwachen eines Betriebspatriotismus auf der Arbeitnehmerseite als eine der wichtigsten Voraussetzungen für. höchste Leistung zu gelten hat und nur auf diesem Wege Zufriedenheit auf dem Dorfe und ein Ende der Landflucht gefunden werden kann.

Ohne das in den erwähnten Vorträgen über die Beziehungen zwischen landwirtschaftlichem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer Gesagte zu wiederholen, möge hier einmal auch über die Pflege der Beziehungen zwischen den Gutsbesitzern — wozu wohl auch alle sonstigen Inhaber größerer landwirtschaftlicher Betriebseinheiten zu zählen sind — und deren kleineren bäuerlichen Nachbarn gesprochen werden, da in der Besserung dieser Beziehungen eine nicht minder wichtige weitere Voraussetzung zur Besserung des Dorfklimas ruht.

Das Schlagwort „human relations“, das uns die amerikanischen Soziologen beschert haben, ist keineswegs eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Gerade den Landwirten ist der Begriff des Hausvaters, der um das Wohl aller unter seinem Dache Lebenden besorgt ist, nicht nur eine aus ältester Geschichte übernommene Tradition, sondern erfreulicherweise noch heute vielfach lebendige Gegenwart. So wäre es auch eine falsche Geschichtsauffassung, wollte man in den Beziehungen zwischen den seinerzeitigen Herrschaftsbesitzern und den Bauern, die unter ihrer gerichtlichen Hoheit und wirtschaftlichen Abhängigkeit standen, nichts Verbindendes erblicken. Gerade das Zusammenleben der Großen mit den Kleinen der damaligen Gesell Schaftsordnung kann und müßte als ein Vorbild fruchtbarer „human relations“ bezeichnet werden. Die großen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen dieser Zeit wurden ermöglicht, weil eben damals ein christlich-verantwortliches Herz und nicht ein kalter Paragraph sprach.

Wir benötigen wieder jene organische Gemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer früherer Zeiten, aber auch in der Landwirtschaft muß der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit der großen und kleinen Besitzer wieder zum Wohle beider erstarken, da nur auf diesem Wege die Leistungen gesteigert und die Wirtschaften gefestigt werden können, daß sie gegen die Versuche jeder Schattierung einer Kolchosbildung immun sind.

Dabei könnte der Einwand laut werden, daß der größere land- und forstwirtschaftliche Betrieb in Gemeinschaft der Urproduzenten ohnedies heute als der einseitig Gebende erscheint. Es werden die durch die verschiedenen Gesetze vorgeschriebenen Belastungen des größeren, buchführenden Landwirtes hervorgehoben und im Hinblick auf dessen Steueraufbringung, Beitragsleistung und die Verteilung von Subventionen die berechtigte Frage gestellt, warum auch in Oesterreich mit einem zweifachen Maße gewogen wird. Auch kann hier an die dem Großbetrieb gegenüber verfügten Beschränkungen, zum Beispiel der Schweinehaltung, an die Mastverpflichtung der Zuckerrübenbetriebe, an die Grundverkehrsgesetze und an andere agrarpoliti-sche Maßnahmen, erinnert werden, in denen mit einer zur Selbstverständlichkeit gewordenen Konsequenz zum Schutze der wirtschaftlich schwächeren Landwirte dem Großbetrieb immer neue direkte oder indirekte Lasten zugedacht werden.

Diesen und anderen auf den Großbetrieben lastenden Bürden, die wegen ihrer Einseitigkeit niemals als echte Beziehungen bezeichnet werden können — jede menschliche Beziehung, ob in der kleinsten Zelle, der. Ehe, oder zwischen den größeren Gemeinschaften, muß beidseitig sein —, sollten Formen echter Beziehungen zwischen dem Gutsbesitzer und seinem bäuerlichen Nachbarn gegenübertreten.

Ein Beispiel: der von der gesamten Landwirtschaft geführte Kampf um den kostendeckenden Milchpreis. Ein Nachziehen des Milchpreises wird in erster Linie den mit familieneigenen Arbeitskräften ausgestatteten klein- und mittelbäuerlichen Betrieben zugute kommen; die Milchviehhaltung hat sich bekanntlich mehr und mehr von den größeren Betrieben in die Familienbetriebe verlagert. Die einer Milchpreisregelung höchstwahrscheinlich folgenden Lohnerhöhungen der Landarbeiter werden im Großbetrieb nicht nur den Mehrerlös abschöpfen, sondern sogar zu neuen Bürden führen. Aber dennoch macht sich der Gutsbesitzer auch in der Milchpreisfrage zum Anwalt seiner bäuerlichen Nachbarn, weil er eben erkennt, daß der gerechte Milchpreis zur Gesundung seiner bäuerlichen Nachbarn und für den sozialen Fortschritt des Dorfes eine Notwendigkeit ist.

Die moderne Landwirtschaft, die vom Prinzip der Selbstversorgung immer mehr zur Marktwirtschaft übergehen muß, sieht eine Aufteilung der einzelnen Produktionszweige nicht nur zwischen den Produktionsgebieten — alpine und Flachlandwirtschaft —, sondern auch zwischen den verschiedenen Betriebsgrößen als Ziel. Die Milchwirtschaft, die Rinder- und Schweinezucht wie auch der intensive Hackfruchtbau gehören in die mittleren und kleineren Betriebe, der Getreidebau, allenfalls die Zuckerrübe, die durch den Maschineneinsatz rationalisierbar sind, wie auch die Mästung sind die Produktionszweige der Großen. Je kleiner der Betrieb, desto arbeitsintensiver seien die von ihm erzeugten Produkte, da , ja der Arbeitsertrag im kleinen Betrieb das Hauptteil des landwirtschaftlichen Einkommens ausmacht.

Jede Störung des Preisgefüges zwischen den arbeitsextensiven und den arbeitsintensiven Produkten führt zu einer Störung der Harmonie zwischen den Betriebsgrößen. So hat auch der zu niedrige Milchpreis, die Unterbewertung dieses wichtigsten arbeitsintensiven Produktes, zur Folge, daß auch kleinere Betriebe von der Viehhaltung abgehen und sich in einer ungesunden „Traktoritis“ der Feldwirtschaft zuwenden wollen. Dies vor allem in Ostösterreich, wo dem Bauern im Gegensatz zu den alpinen Gebieten dieses Ausweichen in die Feldwirtschaft klimatisch ermöglicht ist. Da aber der Traktor und hon g&r ein Mähdrescher ein gewisses Mindestmaß an Fläche erfordern, um rationell eingesetzt werden1 zu können, ist jener Bodenhunger die Folge, der, weil er nicht befriedigt werden kann, zum Keim des ländlichen Unfriedens wird.

Das Interesse an dem Wirtschaftserfolg der bäuerlichen Nachbarschaft kann für den Gutsbesitzer somit zu einer echten Beziehung werden, wenn es auf der Erkenntnis fußt, daß jedes egoistische Desinteresse an den Bedürfnissen des anderen sich wie ein Bumerang auf denjenigen auswirkt, der meint, mit den Belangen des anderen nichts zu schaffen zu haben.

Die beiderseitige Beziehung zum bäuerlichen Nachbarn kann und darf sich jedoch nicht in einer kollegialen Unterstützung bäuerlicher Preisforderungen erschöpfen. „Human relations“ bedeutet nämlich — und dies in erster Linie — eine direkte Beziehung von Mensch zu Mensch. Erst wenn sich die Menschen gefunden haben, wird deren fruchtbares Zusammenwirken ermöglicht. So wird auch der Gutsbesitzer und seine Beamtenschaft, die ja das Rückgrat der landwirtschaftlichen Intelligenz darstellen, sich auch weiterhin um den Fortschritt und die Möglichkeiten der Produktionssteigerung in jenen Er-zeugungssparten bekümmern, die in den Betriebsformen der bäuerlichen Nachbarn zu Hause sind. Auch dann, und erst recht, wenn am Gutsbetrieb diese Produktionssparten aufgelassen wurden, weil sie wegen des Lohnanspruchs der Landarbeiter unrentabel wurden. Es ist klar, daß gerade hierin eine fruchtbare Pflege der menschlichen Beziehungen einen überaus weiten Spielraum erhält, wenn wir zum Beispiel an die so nötige Aufklärung über neue Fütterungsmethoden, Zuchttierwahl, die Errichtung von Grünfuttersilos zur Vergrößerung der Futterbasis oder an die fortschreitenden technischen Möglichkeiten denken, mit denen auch die Hofarbeit erleichtert und rationalisiert werden kann. Wenn die Mitarbeit der landwirtschaftlichen Intelligenz an der rationelleren Ausgestaltung der bäuerlichen Betriebsformen versagt, wirkt sich der Mähdrescher am Gutsbetrieb als ein Stachel des Neides für alle jene aus, die unter der Mähdreschergröße liegen und nicht wissen, wie sie auf ihrer eigenen kleineren Betriebsgröße erfolgreich wirtschaften können.

In vielen Fällen wird der Aussprache zwischen dem Gutsbesitzer und dem Bauern nicht nur eine Beratung und Aufklärung folgen, sondern werden sich auch Möglichkeiten praktischer wirtschaftlicher Beziehungen anknüpfen lassen. So wird der Großbetrieb die Einstell-ferkel seiner Schweinemästung von seinen bäuerlichen Nachbarn beziehen, ihnen zur

Hebung der Qualität die*Einkreuzung wertvoller Vatertiere ermöglichen und für sich selbst den Vorteil ziehen, ein hochwertiges und gleichwertiges Material zu erhalten, das sich von jenem Ferkelmaterial unterscheidet, das durch Aufkäufer gesammelt wird. Aehnliche Wirtschaftsbeziehungen lassen sich auch bei dem Bezug der Mastrinder finden. In vielen Fällen wird das Gespräch zwischen dem großen und dem kleinen Landwirt dazu führen, daß der Maschinenpark des größeren die Feldarbeiten des Nachbarn übernimmt — gegen Entgelt oder auch Lieferung von Stallmist —, wodurch der kleinere, da er sich den Ankauf der teuren Maschinen erspart, die Möglichkeit erhält, Investitionen der Innenwirtschaft, Errichtung von Silos oder den Ankauf von Leistungstieren durchzuführen. Mancherorts schließlich, wo der Böden auch bei Ausschöpfung aller Intensivierungsmöglichkeiten dem Großteil der Bauern keine Existenz zu bieten vermag — dies trifft vor allem in Gegenden früheren Weinbaues und in den sogenannten Realteilungsgebieten des Burgenlandes zu —, wird man den Dorfbewohnern durch die Errichtung kleinerer Industrien oder auch nur gewerblicher Betriebe die Möglichkeit eines zusätzlichen, nichtlandwirtschaftlichen Verdienstes schaffen. Auch hier wird die Initiative beim Gutsbetrieb, beim wirtschaftlich Stärkeren und Beweglicheren, liegen, wenn er diesen Weg als ein Mittel gegen die Landflucht und für die Gesundung seiner bäuerlichen Nachbarn als notwendig erkennt.

Es ist klar, daß alle diese Möglichkeiten von Fall zu Fall, von Gemeinde zu Gemeinde verschieden sind. Grundsätzlich und für alle Fälle gilt jedoch, daß jede Beziehung, soll sie beide Seiten befriedigen, unbedingt Vertrauen und die Kenntnis der Belange des anderen voraussetzt.

„Human relations“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll zur Besserung des Betriebsklimas führen, „human relations“ zwischen Gutsbesitzer und seinen bäuerlichen Nachbarn führt zur Gesundung des Dorfklimas.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung