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Der „Grüne Plan” stellt fest

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Aus einer Gegenüberstellung der Ergebnisse der landwirtschaftlichen Betriebszählung vom Jahre 1960 mit jenen der vor zehn Jahren durchgeführten ergibt sich in acht Bundesländern ein Rückgang der Zahl der Betriebe um rund sieben Prozent, von 429.620 auf 399.563. Zur gleichen Zeit wird bekannt, daß in der österreichischen Landwirtschaft nur noch 123.444 familienfremde Arbeitskräfte tätig sind, gegen noch 180.982 vor fünf Jahren. Diese beiden Angaben, die noch durch andere, ebenso beunruhigende, ergänzt werden können, verdienen, beachtet zu werden: Zeigen sie etwa den herannahenden Abschluß einer Jahrtausende währenden Entwicklung an, die Verdrängung des freien Bauern durch die „Getreidefabrik”? Oder handelt es sich doch nur um Veränderungen, die, durch die sich auf allen Gebieten des menschlichen Tuns mit bisher unbekannter Vehemenz vollziehenden Umstellungen venirsacht, überall die alte Ordnung stürzen und Millionen Existenzen bedrohen?

Die erste Frage kann verneint werden: Bei voller Würdigung des Ernstes der Lage müssen wir feststellen, daß doch so viele Tatsachen für den Weiterbestand des freien Bauern in Westeuropa sprechen, komme, was kommen mag: Er erbte ein uraltes Stück Land, das ihm Heimat ist, die Fähigkeit, sich auf diesem gestaltend und schöpferisch zu betätigen, ihm Nahrung abzuringen, auf ihm ein wohnliches und schutzbringendes Dach aufzubauen, die Scholle gegen jeden, der bisher nach ihm griff, zu verteidigen und schließlich sogar einen ganz bescheidenen Wohlstand zu erringen. Er vermochte gerade in der letzten Zeit, wo sich diese Umstellungen besonders bemerkbar machen, seine Leistungen so zu steigern, daß nun Österreich, das durch Jahrhunderte stets auf ausgiebige Lebensmittelzufuhren aus dem Ausland angewiesen war, zu einem agrarischen Exportland wurde.

Wie verhält es sich nun mit dem Rückgang der Zahl der Betriebe?

Tausende Zwerg- und Kleinbauern, die niemals, auch beim besten Willen nicht, in der Lage waren, ihrem Acker auch nur das zum bescheidensten Leben Nötigste abzuringen, denen bei der Enge der Verhältnisse auch jede Möglichkeit fehlte, ihre Wirtschaftsführung den Gegebenheiten der Zeit anzupassen, stoßen nun immer häufiger ihre Grundstücke ab, um sich ganz der Tätigkeit zuzuwenden, der sie bisher hauptsächlich ihre Existenz verdankten; oder sie suchen — was gerade unter den derzeitigen Verhältnissen sehr leicht möglich ist — anderen Orts eine neue, ergiebigere Lebensgrundlage. (Es handelt sich da um eine weltweite Erscheinung, von der Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika sagt: „Wir wissen, daß in der aufsteigenden Landwirtschaft die Zahl der Arbeitskräfte abnimmt.”) Gerade dadurch aber werden nun Bauern durch Ankauf oder Pachtung der freigewordenen Grundstücke in die Lage versetzt, auf dem erweiterten Betrieb Zweckmäßiger und produktiver zu wirtschaften. So steht dem noch lange nicht zu Ende gegangenen Abfall an kleinen und kleinsten Betrieben eine Zunahme größerer, leistungsfähigerer gegenüber. (Genau dasselbe vollzieht sich in allen Staaten: In der Schweiz zum Beispiel ging die Zahl der Betriebe in 50 Jahren von 146.000 auf 84.000, in Deutschland in zehn Jahren um 220.000 zurück.)

Diese Umstellung geht heute ganz still, ohne fremdes Zutun, nicht immer in der vorteilhaftesten und günstigsten Weise, selten reibungslos, immer viele Existenzen berührend, vor sich. (Eine kaum beachtete Folge des Schwindens der Kleinbauern ist — da aus ihren Häusern immer die meisten Landarbeiter kamen — der eingangs erwähnte Rückgang der Zahl der Landarbeiter.) Um eine für alle Beteiligten und vor allem für die Gesamtheit möglichst günstige und zugleich auch eine tunlichst menschliche Lösung der sich aus der im Zuge befindlichen Umstellung ergebenden Fragen zu erreichen, muß angestrebt werden:

1. Eine den Zufall tunlichst ausschließende Arbeitsvermittlung und Hilfe für die durch das Absterben vieler Kleinbetriebe unvermittelt entstandenen Notstandsgebiete, gekennzeichnet durch die große Zahl an Arbeitslosen und das äußerst bescheidene Steueraufkommen, teils durch Überführung des Bevölkerungsüberschusses in Gegenden mit Arbeitermangel, besser, durch Schaffung neuer Verdienstmöglichkeiten im Dorf.

2. Die Schaffung der Voraussetzungen für die wünschenswerte (und im größeren Wirtschaftsgebiet dringend notwendig werdende) Stärkung der Landwirtschaft im allgemeinen, durch Wegebauten, Entwässerungen, Lawinen- und Hochwasserschutz, Grundstückzusammenlegungen usw., wie dies im Landwirtschaftsgesetz vom Jahre 1960 vorgesehen ist.

3. Zu gleicher Zeit muß es dem einzelnen möglich gemacht werden, die „Aufstockung” und die kostspielige Ausgestaltung der nun größer gewordenen Betriebe vorzunehmen, ohne die „Sparkasse Wald” über Gebühr in Anspruch zu nehmen. Das Ziel, den Bauern in die Lage zu versetzen, um „wohl bestehen” und alle seine Verpflichtungen erfüllen zu können, ohne daß die Preise für seine Erzeugnisse sprunghaft erhöht werden, kann nur erreicht werden, wenn ihm die Erfordernisse und in erster Linie Leihgelder zu tragbaren Bedingungen zur Verfügung gestellt werden.

Es ist zu hoffen, daß, dank des zunehmenden gesamtvolkswirtschaftlichen Verständnisses für die besondere Lage der Landwirtschaft, ihr die Mittel, die für die volle Durchführung des „Grünen Planes” erforderlich sind, zur Verfügung gestellt und damit viele alte Versäumnisse gutgemacht werden.

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