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Was sind uns die Landwirte wert?

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In Brüssel beginnen in Kürze Verhandlungen über unsere Landwirtschaft. Die Unsicherheit dieses Standes wächst.

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In Brüssel beginnen in Kürze Verhandlungen über unsere Landwirtschaft. Die Unsicherheit dieses Standes wächst.

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Im internationalen Vergleich sind die Kosten unserer landwirtschaftlichen Produktion auf praktisch allen Gebieten zu hoch. Es gibt aber noch weitere Schwachstellen: in der Be- und Verarbeitung der Erzeugnisse, bei der Vermarktung, infolge unzureichender Innovation. Der geschützte Markt hat diese Probleme lange Zeit verdeckt, jetzt werden sie sichtbar:

Die meisten bäuerlichen Betriebe sind zu klein. Die Nutzfläche beträgt bei uns durchschnittlich 13 Hektar, in Deutschland aber fast 17, in Frankreich fast 29 Hektar. Beim Milchvieh werden im Durchschnitt sieben Kühe je Betrieb gehalten, in der EG 17 Kühe. Droht das Ende der Familienbetriebe?

In einer vom Landwirtschaftsministerium herausgegebenen Broschüre wird betont, daß selbst eine erhebliche Aufstockung der durchschnittlichen Betriebsfläche beziehungsweise der Tierbestände den bäuerlichen Charakter unserer Landwirtschaft unverändert ließe. Es ist aber auch eine verstärkte Zusammenarbeit der einzelnen Betriebe denkbar. Bisher gibt es sie erst in Ansätzen bei der Nutzung von Maschinen, aber noch kaum in der Produktion oder in der Vermarktung. Kluges Marketing könnte manche zusätzlichen Exportchancen eröffnen.

In einigen Bereichen ist auch eine bessere Ausnützung des hohen Standards an Wissen, Können, Zuverlässigkeit denkbar. Dabei kann sich eine marktorientierte Spezialisierung empfehlen, wie die gute Zusammenarbeit der Gemüsebauern mit der verarbeitenden Industrie zeigt.

Innovationserfolge könnten auf dem Gebiet biotechnischer Verfahren und in der Gentechnologie erzielt werden. Als interessantes Zukunftsziel gilt die Nutzung

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Stoffs für die Pflanzenbestände. Die alte Forderung „Wer Bauer bleiben will, soll Bauer bleiben können" sollte somit doch in vielen Fällen zu erfüllen sein. Wo jedoch die Landwirtschaft als Haupterwerb kein ausreichendes Einkommen mehr erbringt, muß man wohl an Erwerbskombinationen denken. Bereits jetzt werden 68 Prozent aller land-und forstwirtschaftlichen Anwesen im

Neben- und Zuerwerb bewirtschaftet. Da bietet sich vielleicht häufiger die gewerbliche Verarbeitung der eigenen Produktion an, zum Beispiel der Binder oder Schweine, wobei man freilich in Interessenkonflikte kommen kann, etwa mit den Schlachtbetrieben. Oder beim Holz - rund die Hälfte der österreichischen Waldfläche ist Bauernwald! - mit den Sägewerken.

Die ökologischen Leistungen der Bauern bestehen nicht nur in der Bewahrung der Wälder und Almen, sondern auch im Wasserschutz oder im Verzicht auf Dünge-mittel oder Pestizide. Bisher wurden diese Leistungen kurzerhand über die Produktpreise abgegolten. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Wie sollen dann diese Leistungen künftig bezahlt werden? Wie kann man sie bewerten?

Markus Hochreither von der Universität für Bodenkultur hat errechnet, daß die „ überwirtschaftli -chen Leistungen" der österreichischen Bauern mit 25 Milliarden Schilling jährlich anzusetzen sind. Ein Teil des erforderlichen Einkommensausgleichs wird zweifellos durch Transferzahlungen der öffentlichen Hand, also letztlich von den Steuerzahlern, aufzubringen sein, als Entgelt für die Erhaltung unserer Umwelt.

Der im Bahmen des GATT vorgesehene Abbau der agrarischen Subventionen nimmt ausdrücklich die „grünen Maßnahmen" aus, das sind jene Stützungen, die nicht an der Erzeugung oder an den Produktionsfaktoren ausgerichtet sind und nicht wie Preissubventionen wirken. Sie könnten also bleiben.

Die Erfüllung ökologischer Grundsätze durch die Landwirtsrhaft setzt freilich der

betrieblichen Rationalisierung Grenzen. Hier das gesunde Mittelmaß zu finden, also eine wettbewerbsfähige Struktur zu erreichen, die Einkommen derer, die weiterhin Bauern bleiben wollen, abzusichern und zugleich die Umweltaufgaben erfüllt zu sehen, wird eine schwierige Aufgabe der Agrarpolitik sein.

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