Gemeinschaft, die sich auch rentiert

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Eine hohe Auslastung bei Urlaub am Bauernhof und Umsatzsteigerungen in Millionenhöhe in Gewerbe und Industrie sind das Ergebnis einer Initiative in Kärnten. Siewurde kürzlich preisgekrönt.

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Eine hohe Auslastung bei Urlaub am Bauernhof und Umsatzsteigerungen in Millionenhöhe in Gewerbe und Industrie sind das Ergebnis einer Initiative in Kärnten. Siewurde kürzlich preisgekrönt.

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Welchen Nutzen kann sich die Firma "Blaas Textilwerke" im Kärntner Feldkirchen von einer Kooperation mit bäuerlichen Vermietern in den Nockbergen erwarten? "Wir haben die Idee der Naturkreisbetriebe von Beginn an unterstützt", erzählt Anna Sommer, PR-Verantwortliche und Initiatorin des angeschlossenen Tisch- und Bettwäscheshops. "Grundüberlegung: als Erzeuger von naturnahen Stoffen, vor allem Leinen aus ökologisch angebautem Flachs, haben wir eigentlich genau die gleiche Zielgruppe wie ein Biobauer, der Gäste beherbergt und sie für naturnahes Essen, Wohnen und Kleiden sensibilisiert".

Mit den Blaas-Werken gingen elf weitere Kärntner Gewerbebetriebe eine Kooperation mit den Naturkreisbauern ein: Steinprodukte aus Kärntner Marmor, Holzspielzeug, ökologische Gartengestaltung, auro-Naturfarben, Kräuterschnäpse, Mondphasentees, Schafwollprodukte, ökologische Mousepads, Naturforellen, und das Parksystem Duo-Park, das es mittels Versenkung erlaubt, zwei Autos übereinander zu parken.

Als Mitglieder des "äußeren Naturkreises" sponserten sie den entstehenden "inneren Naturkreis" - zwölf bäuerliche Vermieter in der näheren Umgebung - und statteten die Betriebe zum Teil auch mit ihren Produkten aus. Private und Geschäftsgäste werden nach Möglichkeit bei den Bauern untergebracht.

Im Gegenzug verpflichten sich die Bauern, unter ihren Urlaubern "Stimmung für die Firmen" zu machen, was meistens ganz natürlich geschieht: Wer beim Biohof Seidl in Bad Kleinkirchheim tagsüber das Flachsfeld bewundert und des Nachts in der wunderbaren Leinenbettwäsche schläft, kriegt einfach Lust, im Rahmen einer Exkursion auch die Erzeugung mitzuerleben und sich im Shop ein bißchen "Natur" einpacken zu lassen.

Erfolgreiche Kreise Ähnliches gilt für das Lenoble-Holzspielzeug, das die Kinder nicht mehr hergeben wollen oder den Sonnthurn- Kräutertee, der aus der Teekanne der Bäuerin so vorzüglich mundet und bestimmt genug Kraft hätte, auch im Wiener oder Berliner Alltag wieder Lebensgeister zu wecken.

Günter Zeilinger, Ideenfinder, Einreicher des Projekts und selbst Betriebsleiter auf dem Feriengut "Lassen" in Himmelberg, ist vom Erfolg seiner "Kreise" überzeugt. "Wenn der Kärntner Durchschnittsvermieter es gerade auf 54 Vollbelegstage bringt, dürfen wir vom "Inneren Naturkreis" auf die doppelte Zahl wohl stolz sein - unser Spitzenbetrieb schafft sogar 262 Tage! Das gibt Mut, trotz den stark spürbaren Strukturanpassungen in der Landwirtschaft durchzuhalten und in unsere Betriebe soviel zu investieren, daß auch unsere Kinder eine Zukunft in ihnen finden". Seit dem Zusammenschluß vor vier Jahren hat es ausnahmslos Wachstumssteigerungen gegeben. Da Marketing und Einkäufe gemeinsam in Angriff genommen werden, können pro landwirtschaftlichem Betrieb zusätzlich über 40.000 Schilling (2.900 Euro) pro Jahr eingespart werden.

Noch wichtiger als der materielle Erfolg ist für Zeilinger allerdings das Erleben, daß Gemeinschaft funktionieren kann. "Wir diskutieren alles aus und sind selber immer wieder überrascht, welche unglaubliche Synergien sich in der Gruppe entwickeln". Jeder der zwölf Naturkreisbauern ist verpflichtet, die eigens formulierten "10 Gebote" einzuhalten, die sich vor allem auf eine naturnahe Arbeits- und Lebensweise beziehen, die den Gästen als Vorbild dienen kann.

Kreisläufe schließen Traditionen sollen bewahrt werden, der landwirtschaftliche Kreislauf möglichst geschlossen und die Gästezimmer mit umweltschonenden Materialen ausgestattet sein; das Essen soll soweit es geht aus dem Gemüsegarten, dem Getreideacker und dem eigenen Stall kommen. Alle Betriebe sind Mitglieder bei Bioverbänden und werden über diese eigens kontrolliert.

Weiterer Pluspunkt: Die "Naturkreis-Card". Vorzeigen genügt, schon wird man als Gast einer der Partnerbetriebe auf jedem der zwölf Bauernhöfe ebenso willkommen geheißen und eingeladen, an den speziellen Aktivitäten teilzunehmen, die die Höfe voneinander unterscheiden.

Beim Lassenbauer ist das der "Barfußweg": Günter Zeilinger hat einen Zwei-Kilometer-Naturpfad errichtet, der den blassen Städterfuß zuerst durch ein liebliches Bächlein, dann über runde Steine, Wiesen- und Waldboden und zuletzt über eine Schottermassage führt - nicht nur Kinder sind begeistert, was sich so alles zwischen den Zehen erleben läßt!

Abenteuer Bewegung Naturkosmetik und Ponytrekking gibt's auf dem Kinderbauernhof Wichele, der Hinteregger in Bad Kleinkirchheim bietet ein "Frisch- und g'sund"-Programm und der Matlhof lädt ein, die Tradition eines 250 Jahre alten Bauernhauses zu erkunden. Auf 1063 m Seehöhe darf man mit der Bäuerin Brot backen und sich auf die hofeigenen Almen führen lassen.

"Abenteuer Bewegung" heißt das Motto beim Demeterbetrieb Erian bei St. Veit an der Glan. Die Bäuerin ist ausgebildete Heilmasseurin und veranstaltet Wirbelsäulengymnastik, Tänze und jede Menge Spiele für die Kinder. Daß letztere auf allen Höfen Heuhüpfen dürfen, bei Kälbergeburten assistieren und den Hühnern beim Eierlegen zuschauen, ist ungeschriebenes Gesetz.

Der sich daraus für die Bauern ergebende Mehraufwand rechnet sich durch die zufriedenen Gäste. Immer mehr werden zu Stammgästen des Kreises, können also Abwechslung mit Urlaubertreue verbinden und sicher sein, den hohen Qualitätsstandard auch bei den anderen Bauern der Kooperation wiederzufinden.

Die Naturkreiskarte ermöglicht es schließlich, auf sämtlichen Betrieben des Äußeren Naturkreises mit Rabatt einzukaufen, was auch eifrig genützt wird und den Partnern zu spürbaren Umsatzsteigerungen verholfen hat.

Die Autorin ist Consultant bei Focus-Management ZUM THEMA Agrar.Projekt.Preis Der "Agrar.Projekt.Preis" ist ein bundesweiter Wettbewerb, der erfolgreiche Einzelprojekte und Kooperationen, die einen Bezug zur Landwirtschaft haben, prämiert und jährlich unter dem Titel "Das beste Beispiel" der Öffentlichkeit vorstellt. Ausschlaggebend für die Jury ist vor allem der Faktor Wirtschaftlichkeit, daneben sollten Originalität, ein gutes Marketingkonzept und Umweltrelevanz bewiesen werden. Einreichunterlagen sind ab Jänner 2000 unter: HYPERLINK http://www.agrarprojektpreis.at beziehungsweise unter 01/587 21 78 abzurufen. Das aktuelle Handbuch "Die Projekte 99" kann unter derselben Nummer bestellt werden.

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