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Pflug und Traktor

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Nach den Vorbereitungen zu schließen, verspricht auch die heurige Wiener' Frühjahrsmesse auf dem landwirtschaftlichen Gebiet ihrer doppelten Aufgabe als Verkaufs- und als Lehrveranstaltung zu dienen, voll gerecht zu werden und damit eine bedeutende Aufgabe zu erfüllen.

Im freien Gelände werden die Landm,aschinen-bauer und -händler wieder eine reich beschickte Schau veranstalten, die dem Landwirt eine Ueberfülle der Erzeugnisse bietet, aber auch für den Nichtfachmann von Interesse ist: er sieht da Maschinen und Geräte von derartig vollkommener Ausführung, daß man von einem Abschluß der Entwicklung sprechen kann, die aber zugleich auch noch, mehr oder weniger deutlich, die Urform erkennen läßt. Da ist einmal der gute, alte Pflug, heute ein Meisterstück des Stahlbaues, der aber — im Grunde genommen — doch wieder nichts anderes ist als — eben in neuzeitliche Form gebracht — das gabelförmige Stück Holz, mit dem der Urmensch den Boden bearbeitete: das kürzere Stück wurde in die Erde gepreßt und riß den Boden auf, während das längere von Menschen oder Tieren vorwärtsgezogen wurde. Freilich: sein Nachkomme wenciet den Boden sauber und gründlich und legt ihn sorgfältig in langen Streifen nebenan.

Noch interessanter und vielfältiger sind die Maschinen und Geräte, deren Entwicklung wohl schon weit vorgeschritten, aber noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Da ist vor allem einmal das Heer der verschiedenen Traktoren. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren dies Ungetüme mit unbefriedigender Leistung, bestenfalls in einzelnen Großbetrieben verwendbar. Diest Schlepper werden immer kleiner, wendiger, leichter zu handhaben und dabei aber ständig leistungs- und anpassungsfähiger, vor allem auch im bäuerlichen Betrieb, wo sie immer mehr den Zugochsen und nun auch schon das Pferd verdrängen. Wie sehr die Schlepper gerade hier schon Eingang fanden, zeigt die Tatsache, daß zum Beispiel die Steyr-Werke den Ausstoß ihres „kleinen“ Traktors von 4271 im Jahre 1954 auf 9319 im vergangenen Jahre steigerten, ohne der drängenden Nachfrage voll gerecht werden zu können. Eine noch raschere Entwicklung zeigt —r um noch ein Beispiel anzuführen — der Mäh drescher, der in einem Arbeitsgang das Getreide mäht, drischt, das Korn reinigt sowie in Säcke füllt und das Stroh bindet; vor einigen Jahren noch ein bestaunter Riese auf zwei Höfen in ganz Oesterreich — heute ein unentbehrlich gewordener Helfer in vielen hunderten Betriebenl Diese und so viele andere Maschinen können auch vom strengen Kritiker schon als vollkommen bezeichnet werden.

In der Halle XII hat die niederösterreichische I.andwirtschaftskammer einen neuzeitlichen Wirtschaftshof aufgebaut und zeigt an einem Musterbeispiel, wie alle die auf dem freien Gelände gezeigten Maschinen und. Geräte im Bauernhaus verwendet werden können und im Interesse der überbelasteten Bäuerin auch verwendet werden sollen. Wenn in den übrigen Teilen der Messe zum Beispiel Kühlschränke und elektrische Kocher der verschiedensten Bauarten und für die unterschiedlichen Verwendungszwecke gezeigt werden, so sieht man sie hier in der bäuerlichen Küche wieder, wie sie dort im gewohnten Rahmen unter all den anderen bekannten Geräten und Einrichtungsstellen ihren Platz finden, um möglichst vielfältigen Dienst zu leisten.

Auch dieser Teil der Messe, eine richtige Lehrveranstaltung, verdient das Interesse eines jeden Besuchers, denn gerade auf dem Gebiet der Haus- und Hofwirtschaft, das bis vor kurzem vollkommen vernachlässigt war, drängen sich nachgeradezu die Neuerungen, die ihren vielfältigen Zwecken immer besser gerecht werden. Wenn man bis vor gar nicht allzu langer Zeit den Technikern den Vorwurf machen mußte, daß sie dieses große Gebiet der menschlichen Tätigkeit vollkommen vernachlässigen, so muß man heute — will man gerecht sein — ihnen uneingeschränkt Lob sagen.

In drei Hallen wird wieder Vieh zu sehen sein, das ein Bild von der Leistungsfähigkeit unserer Zucht und Mast vermitteln und zugleich zeigen wird, daß auch auf diesem Gebiet Oesterreich die Schäden und Rückschläge der Kriegsjahre glücklich überwunden hat und die in., den heimischen Viehrassen schlummernden Entwicklungs- und Leistungsmöglichkeiten zu nutzen weiß.

Die Vielfalt und Reichhaltigkeit des gerade auf diesem Teil der Messe Gezeigten sowie das große Interesse, das sie unter den Landwirten findet, läßt die große Bedeutung des Bauern nicht nur als Belieferer unserer Lebensmittelmärkte, sondern auch als Einkäufer, als Abnehmer vieler Erzeugnisse der Industrie und des Gewerbes erkennen, weiter die Wichtigkeit der Pflege der Zusammenarbeit der einzelnen Zweige der Wirtschaft, die sich die Wiener Messe in erfreulicher Weise zur Aufgabe gemacht hat.

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