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SOLL DER GUSTO AUFS SCHNITZEL VERGEHEN?

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Sind Tierschützer böse? Sind Bauern Tierquäler? Wie billig muß ein Schnitzel sein?

Einige bewußt vereinfachte Fragen sollen Anlaß sein, den Fragenkomplex „Tierhaltung und Tierschutz" vor dem Hintergrund des alltäglichen Spannungsfeldes zwischen Nutztierethologie, tatsächlicher Umsetzung wissenschaftlicher Erkennmisse und ökonomischer Zwänge in der Produktion mit einigen auch für die Landwirtschaft wichtigen Aspekten zu beleuchten.

Helmut Bartussek (siehe Seite 14) meinte anläßlich einer Fachtagung im Jahre 1990, „nur eine umfassende ausgewogene, religiöse Erfahrungen ebenso wie moderne Vernunftansprüche integrierende Weltsicht, liefert die B asis für eine richtige Güterabwägung zwischen der Ehrfurcht vor dem Leben unserer Mitgeschöpfe, dem Anspruch, sie für uns selbst nützen zu dürfen und der Art, wie wir sie -einmal in unsere Obhut genommen -halten müssen."

Ausgehend von der subjektiven Annahme, daß sowohl ein Interessenvertreter aus dem Bereich der Landwirtschaft und des Tierschutzes diese Sichtweise voll unterstützen werden können, muß doch das Faktum davorgestellt werden, daß Tierhalter und Konsument sich in ihrer gegenseitigen Einschätzung immer weiter voneinander entfernen, die öffentliche Auseinandersetzung darüber immer heftiger und in immer drastischeren Bildern geführt wird. (Transport und Schlachtung von Tieren, Legehennenhaltung im Käfig und so weiter.)

Um auf die einleitende Frage hinsichtlich der Haltung näher einzugehen, soll der Bauer gefragt werden:

Wie tiergerecht müssen/können Tiere gehalten werden?

In den meisten europäischen Tierschutzgesetzen findet sich die grundsätzliche Forderung nach Sicherung des Wohlbefindens der Tiere beziehungsweise nach der Vermeidung von unnötigen Schäden, Schmerzen und Leiden.

Diese Empfindungen der Tiere sind

mit naturwissenschaftlichen Methoden vielfach nicht erfaßbar, wenngleich ein bereits umfangreiches Wissen über das Verhalten und Befinden von Tieren viele Vorgaben liefert. Sträubt sich die Landwirtschaft vor der Umsetzung von grundsätzlichen Erkenntnissen ohne nähere Gründe?

Positive Entwicklungen

Es gibt andererseits reihenweise Untersuchungen über die Veränderung der Produktionskosten beispielweise bei geänderten tierfreundlicheren Haltungssystemen, die je nach Interpreten zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, und zwar vorwiegend Verteuerungen, kommen. Bestes Beispiel mag die Bodenhaltung von Legehennen sein, die mit eindeutig höheren Kosten, höherem Arbeitsaufwand bei zögernder Akzeptanz durch den Endverbraucher und damit insgesamt wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert ist.

Dieses generell geforderte Verbot einer bestimmten Haltungsform übersieht einige Ecksteine, die zum heutigen Stand mancher Tierhaltungsform mit beigetragen haben: Möglichst billige Grundnahrungsmittel, die Erhöhung des individuellen Wohlstandes, basierend auf sogar nominellen Preissenkungen etwa bei Geflügel in den letzten zwanzig Jahren, haben jenen durchschnittlichen Landwirt, der von seiner Arbeit im Vollerwerb leben und an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung teilnehmen möchte (Landwirtschaftsgesetz!) zur Ausschöpfung der Rationalisierungsmöglichkeiten gezwungen.

Damit kann natürlich auch in der landwirtschaftlichen Viehhaltung kein Entwicklungsstillstand begründet werden. Billige Nahrungsmittel allein können keine Begründung dafür sein. Die Kostendimensionen für die vorzeitige Umstellung auf ein tierfreundlicheres Haltungssystem (das

heißt vor Ablauf der technischen wirtschaftlichen Nutzungsdauer) werden jedoch meist kraß unterschätzt.

Der Schweizer Bundesrat geht in den Ausführungen seines Agrarbe-richtes 1990 nach einem bereits mehrere Jahre laufenden Investitionsprogramm von weiteren Kosten in Höhe von zwei Milliarden Schweizer Franken aus und empfiehlt bei einzelnen Maßnahmen entsprechend lange Übergangszeiten bei der Verdrängung diverser Haltesysteme.

Dieser Ansatz kann und muß auch in Österreich verfolgt werden, um kontinuierliche Einschleifregelungen mit Hilfe begleitender Förderprogramme des Bundes und der Länder in einer für die Landwirtschaft verträglichen Form zu erreichen.

Wie weit sind drastische nationale Maßnahmen verantwortbar?

Wenn nicht sichergestellt werden kann, daß auch ausländische Produkte gleichen Maßstäben genügen müssen, um nicht die Wettbewerbsfähigkeit in den Produktionen gefährlich zu untergraben?

Endet die Verantwortung des Verbrauchers beim Frischei im Regal, das nach gewissen Richtlinien produziert sein muß oder gilt gleiches für das Ei in Eiernudeln und Schnitzelpanier? Ohne voll wirksame Gleichbehandlung von in- und ausländischer Ware sind einseitige Maßnahmen für die Haltung in Österreich eher langfristig schädigend.

Wo endet Verantwortung?

Ist es für die österreichische Landwirtschaft angesichts des nahenden EG-Beitrittes vorteilhaft, mit deutlich strengeren Auflagen ins Rennen zu gehen, wenn heute schon viele Vorzüge österreichischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse, zum Beispiel eine kleinbäuerlich strukturierte Viehhaltung, nur wenig bis gar nicht als Zusatznutzen verkauft werden können beziehungsweise dies nur für einen bescheidenen Anteil gelingt?

In der Diskussion wird immer wieder das Argument aufgeworfen, warum das Szenario eines EG-Beitrittes strapaziert würde, die österreichische Vieh wirtschaft müßte diesen doch von

vornherein ablehnen und ihren eigenständigen Weg gehen. Es wäre meines Erachtens trotz aller Probleme eher kurzsichtig, nur an dieser Strategie festzuhalten und im „Überraschungsfair des Beitrittes nur auf die Überlegenheit des heimischen Produktes im Gemeinsamen Markt zu setzen. Verkaufserfolg hängt nicht nur von der Produktion ab, und neben Kostenelementen spielen auch diverse andere Marktentwicklungen eine wesentliche Rolle.

Zweck heiligt Mittel?

Heiligt der Zweck, das ist der Schutz des Tieres, die Mittel, die zur Erreichung eines Teilzieles von den Akteuren eingesetzt werden? Ist es „sauber" und fair, die Verladung eines auf einem Hinterbein aufgehängten Rindes auf ein Schiff in Italien im heimischen Patschenkino zu zeigen, und damit dem Zuschauer auf Dauer seinen Gusto zu nehmen, indem man eigentlich ihn für diesen Zustand letztlich verantwortlich macht und andererseits pauschalierend jeden Bauern verurteilt, der Schweine mästet, die wie jene armen Schweine aussehen, deren Leiden möglichst hautnah dargestellt werden? Ist es recht, auch die Bauern pauschalierend zu verurteilen, ohne nähere Hintergründe aufzuzeigen und generell Tierquälerei zu unterstellen?

Die öffentliche Diskussion hiezu hat ihre Sachlichkeit verloren. Die Bereitschaft zum Gespräch und die eingangs erwähnte, Vernunftansprüche integrierende, Weltsicht werden dadurch sicher nicht gewinnen. Es wäre wohl eher notwendig, sich an einigen der aufgeworfenen Fragen zu orientieren, um auch im Bereich der Landwirtschaft eine schließlich auch für das Tier positive Entwicklung zu fördern.

Der Autor ist Referent der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs.

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