Therapiegarten - © Foto: Christof Erben (3)

Ein Garten für die Heilung

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Therapiegärten sollen das körperliche und seelische Wohlbefinden steigern und Menschen in schwierigen Lebensphasen eine neue Aufgabe geben. Ein Lokalaugenschein.

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Therapiegärten sollen das körperliche und seelische Wohlbefinden steigern und Menschen in schwierigen Lebensphasen eine neue Aufgabe geben. Ein Lokalaugenschein.

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Es duftet nach Rosen, verschiedenen Kräutern und frisch gemähtem Gras. Bienen und Hummeln schwirren von Blüte zu Blüte. An einer Wand im Glashaus lehnen Rechen und Schaufeln. Kleine und große Gießkannen stehen neben dem Beet ordentlich aneinandergereiht. Im Therapiegarten am Gelände der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik im Wiener 13. Bezirk, ist nichts dem Zufall überlassen. Denn hier sollen nicht nur Pflanzen und Obst gedeihen, der Garten ist auch Teil eines Forschungsprojekts. Das Ziel ist es herauszufinden, wie man mit Gartenanlagen das menschliche Wohlbefinden bestmöglich steigern kann.

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Immer häufiger werden Therapiegärten, etwa von Krankenhäusern, Pflegezentren oder Seniorenwohnheimen, eingesetzt, um die körperliche und physische Rehabilitation voranzutreiben. Im Zentrum steht aber nicht nur der Spaziergang in der Gartenanlage, sondern auch das aktive Garteln. Durch diese Form der Arbeit wird eine neue Beziehung zu den Pflanzen aufgebaut. Professionelle Gartentherapeuten unterstützen diesen Vorgang. „Jeder Therapiegarten ist komplett anders“, sagt die Garten- und Landschaftsplanerin Sylvia Siedler. In den vergangenen Jahren hat sie mehrere Therapiegärten in verschiedenen Einrichtungen geplant und umgesetzt. Oft entstanden diese in enger Abstimmung mit den Verantwortlichen vor Ort, da sie immer an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden mussten. Zum Beispiel eigenen sich Hochbeete hervorragend für ältere Personen, aber weniger für Kinder, erklärt sie. „Was ist euch wichtig? Worauf sollen wir aufpassen? Und was ist das Ziel des Gartens?“ – diese entscheidenden Fragen stellt Siedler den Auftraggebern, bevor sie mit der Planung beginnt.

„Setze ich etwa einen Therapiegarten in einem Seniorenheim um, möchte ich den Menschen einen Raum geben, in dem sie sich vor allem mit anderen austauschen können“, sagt Siedler. Die sozialen Aspekte zu berücksichtigen, ist der Planerin wichtig. Die Gärten sind für sie Orte, in die sich die Nutzer nicht nur zurückziehen können. Hier legen sie Hand an, setzen Pflanzen, gießen Blumen, verkosten Kräuter. Außerdem beobachten sie das Wachstum der Natur. Die Ergebnisse sind sichtbar und können geerntet werden. „Das motiviere viele Besucher und sporne sie an“, sagt die Gartenplanerin, „dadurch gewinnen sie auch wieder mehr Selbstvertrauen.“ Künstlich geschaffene Barrieren oder längere Wege sollen in bestimmten Gärten ebenso überwunden werden. Die Klienten lernen dabei, längere Strecken zu Fuß zurückzulegen und ähnliche Hindernisse auch im Alltag wieder leichter zu bewältigen. „Ich plane bewusst Ziele im Garten ein“, erklärt Siedler.

Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsdefiziten, Menschen mit Burn-out, aber auch Demenzkranke finden in Therapiegärten Ruhe und vor allem eine neue Aufgabe.

Therapiegärten können vielfältig eingesetzt werden. Die Zielgruppen sind dabei sehr unterschiedlich: Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsdefiziten, Suchtkranke, Menschen mit Burn-out, aber auch an Demenz erkrankte Personen können in den therapeutischen Gärten Ruhe und vor allem eine neue Aufgabe finden. Sie alle sollen im Grünen aktiv werden und sich mit der Natur in verschiedener Weise auseinandersetzen und verbinden.

Deutsch lernen beim Garteln

Dass Therapiegärten immer beliebter werden, haben auch die Forscher der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik erfahren dürfen. Ihr 300 Quadratmeter großer Nutzgarten wurde im Jahr 2006 erstmals angelegt. Das geerntete Obst werde verarbeitet und verkauft, erklärt Roswitha Wolf, die dieses Projekt als Lehrende an der Hochschule begleitet und den Therapiegarten wissenschaftlich betreut. Waren es anfangs Klienten der Geriatrieeinrichtung am Wienerwald, die hierher kamen, so sind es heute vor allem Studierende der Hochschule sowie angehende Lehrer und Kindergartenpädagogen, die während ihrer Ausbildung den Garten besuchen. Auch zehn Asylwerber garteln zweimal wöchentlich im Rahmen des Projekts „GartenWerk“, erzählt Wolf. Zusätzlich erhalten sie „gärtnerischen Sprachunterricht“. Das heißt, dass sie beim Garteln gleichzeitig ihre deutschen Sprachkenntnisse verfeinern. Neben dem Sprachunterricht kann ein Garten auch dazu dienen, die Sinne, etwa durch den Anbau verschiedener Kräuter anzuregen, oder kreativen Gestaltungsspielraum zu bieten. Die Größe eines Therapiegartens sei dabei nicht entscheidend, sagt die Gartenplanerin. Es hänge vielmehr davon ab, was man aus ihm macht.

Thomas Haase - Thomas Haase, Direktor der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien. - © Foto: Christopher Erben
© Foto: Christopher Erben

Thomas Haase, Direktor der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien.

Reza - Reza ist einer von zehn Asylwerbern, die im Rahmen des Projekts „GartenWerk“ im Therapiegarten Hand anlegen und Deutsch lernen. - © Foto: Christopher Erben
© Foto: Christopher Erben

Reza ist einer von zehn Asylwerbern, die im Rahmen des Projekts „GartenWerk“ im Therapiegarten Hand anlegen und Deutsch lernen.

Neben der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, an der Gartentherapeuten universitär ausgebildet werden, gibt es auch Vereine, die Gartentherapien, zum Beispiel in Kooperation mit Landwirtschaftsbetrieben anbieten. Einer davon ist der Verein „Green Care Österreich“. Der Verein wurde 2015 gegründet und wird seither von den neun Landwirtschaftskammern und dem Landwirtschaftsministerium beauftragt. Die Zusammenarbeit mit den Betrieben verspreche zusätzliche Einnahmen für die Landwirte, erklärt Nicole Prop, Geschäftsführerin des Vereins. Green Care Öster­reich umfasst zusätzlich zur Gartentherapie mehrere Fachgebiete: darunter die Erlebnis- und Gartenpädagogik, die Gartentherapie, die Soziale Landwirtschaft und die tiergestützte Therapie. Über 45 zertifizierte landwirtschaftliche Betriebe gehören mittlerweile der Vereinigung Green Care Österreich an, erklärt Prop. Oft seien es Jugendwerkstätten, Pflegeheime oder sozialökonomische Betriebe, die heute mit dem Verein kooperieren. „Menschen mit Behinderungen, Langzeitarbeitslose, ältere Menschen – sie ernten etwa in einem Gemüsebetrieb oder helfen in einem Stall mit“, erzählt die Geschäftsführerin.

Lehre und Garten verbinden

Der Begriff „Green Care“ kommt aus der Wissenschaft und umfasst alle Interaktionen zwischen Tieren, Menschen und der Natur, die sich positiv auf das Wohl der Menschen auswirken. Neben der Ausbildung zum Gartentherapeuten kann man sich an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik auch zum „Green Care“-Experten ausbilden lassen. „Die universitäre Ausbildung von Gartentherapeuten und Green-Care-Experten ist bei uns österreichweit einzigartig“, sagt Thomas Haase, Rektor der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien. Pro Lehrgang werden rund 20 Personen aufgenommen. Die Ausbildung dauert vier oder sechs Semester. Durch die Ausbildung, die unter anderem auch von der Donau-Universität Krems, der Österreichischen Gartenbaugesellschaft und anderen angeboten wird, ist die nötige Professionalität für die Gartenbetreuung geboten.

Solveig Kelber war vor mehr als zehn Jahren eine der ersten, die den Gartentherapielehrgang an der Donau-Universität Krems absolvierte. Über Umwege fand die gebürtige Hamburgerin zu diesem Beruf. Zuerst studierte sie Germanistik in Berlin, danach absolvierte sie eine Floristenlehre. Heute unterstützt Kelber Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, bei der Rehabilitation. In Seminaren lässt sie diese an Blumen und Kräutern riechen. Je nach Saison bindet sie gemeinsam mit den Klienten Kränze, um ihre sensomotorischen Fähigkeiten zu fördern. Kelber wünscht sich, dass viel mehr Menschen den Beruf des Gartentherapeuten ergreifen. Obwohl die positiven Wirkungen von Therapiegär­ten auf Geist und Seele längst erforscht sind, sei die Gartentherapie noch nicht in allen Pflegeplänen als Therapieform aufgenommen, erklärt Kelber: „Hier gibt es noch Luft nach oben.“ Davon sei sie überzeugt.

Christopher Erben

Der Autor ist freier Journalist.

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