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Sprit vom eigenen Feld

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Erst seit der Bauer Maschinen verwendet, muß er Energie zukaufen. Das Futter für Zügtiere erzeugte er selbst. Könnte er nicht auch „Traktor-Futter“ selbst herstellen?

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Erst seit der Bauer Maschinen verwendet, muß er Energie zukaufen. Das Futter für Zügtiere erzeugte er selbst. Könnte er nicht auch „Traktor-Futter“ selbst herstellen?

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„Unsere Tiere fressen Futter aus Amerika, unsere Traktoren werden aus den arabischen Ländern getränkt, und wir wissen nicht, wie wir unsere einseitige Produktion loswerden“, klagten einige südsteirische Bauern und griffen zur Selbsthilfe.

Sie suchten den Knoten dort zu lösen, wo er einst geknüpft wurde, nämlich beim Bauern als Rohstoff- und Energielieferant. Das Ergebnis ihrer Bemühungen ist die erste bäuerliche Rapspreß-

und Umesterungsanlage Österreichs der „Arbeitsgemeinschaft Rapsmethylester“. 22 Bauern aus dem südsteirischen Grenzland sind in dieser Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen und bauen auf rund 35 Hektar Raps zur Energiegewinnung.

Raps bietet sich wegen seiner hohen ölausbeute und entsprechender Hektarerträge als ideale und umweltfreundliche Produktionsalternative zu Getreide an. Die zukunftsträchtige Ölfrucht soll als vollwertiger Ersatz für Dieselöl auf dem eigenen Acker produziert werden. Das Ziel ist“ die Treibstofferzeugung am Hof, in Kleingemeinschaften bis zur Gemeindegröße.

Die Idee, Pflanzenöl als Treibstoff für Dieselmotoren zu verwenden, existiert seit der Entwicklung des Motors durch Rudolf Diesel. Aber bereits er wies darauf hin, daß rohes Pflanzenöl nur kurzfristig verwendbar ist. Ein längerer Betrieb bleibt bei den heutigen hochentwickelten Dieselmotoren nicht ohne Folgen. Mischungen von Pflanzenöl mit Dieselkraftstoff oder Umeste-rung etwa mit Methanol dagegen reduzieren die technischen Schwierigkeiten.

Das in der Landwirtschaftlichen Fachschule Silberberg gestartete Rapsmethylester-Projekt soll nun die Umesterung von Rapsöl hinsichtlich seiner Praxistauglichkeit untersuchen. Durch eine hohe Auslastung der Traktoren will man in nächster Zeit Erfahrungen über die Eigenschaften von Dieseltreibstoff' aus Pflanzenölen sammeln und in Zusammenarbeit mit den Steyr-Werken testen.

Die Checkliste reicht von der Prüfung der Mischungsverhältnisse über Motorverträglichkeit, Ablagerungsprobleme bis hin zur Eignung verschiedener Verbrennungssysteme. Mit einem Rapsertrag von einem Hektar (rund 2.500 Kilo) lassen sich 800 bis 1.000 Liter Treibstoff ausdestillieren.

Die Wirtschaftlichkeit des Raps-anbaus kann durch eine sinnvolle Verwendung der Raps-Abfallprodukte noch erhöht werden: Glycerin, bei Umesterung gewonnen, kann nach entsprechender Reinigung als wertvoller Rohstoff für die Pharmaindustrie verwertet werden.

Das gleichzeitig anfallende Nebenprodukt Rapskuchen wird verfüttert und ersetzt zu einem Gütteü den importierten Soja-schroL Die Verwendung von Raps-

öl im Schmierstoffbereich würde zwar nur einen kleinen, aber preisgünstigen Markt erschließen. Dem Rapsstroh attestieren Fachleute besonders hohe Wärmeeigenschaften. Es ist als Brennstoff dem Holz etwa gleichwertig, dem Getreidestroh auf Grund des hohen Aschenschmelzpunktes sogar überlegen.

Bis Rapsöl im großen Umfang als Kraftstoff für Traktoren Verwendung findet, bedarf es noch der Klärung verschiedener Sortenfragen; die Züchtungsziele sind (derzeit noch) auf den Bedarf der Nahrungs- und Futtermittelindustrie abgestimmt.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Rapsanbaus läßt sich allerdings heute schon durch Zahlen belegen: Auf 250.000 Hektar wächst derzeit unser Getreideüberschuß von einer Milliarde Tonnen. Er erfordert einen Exportförderungsbeitrag von rund vier Milliarden Schilling. Außerdem werden 500.000 Tonnen Ölkuchen importiert.

Ein Hektar Raps liefert Treibstoff zur Bewirtschaftung von sechs Hektar Ackerfläche; der dabei anfallende Ölkuchen ersetzt 1.700 Kilo importierten Sojaschrot.

Ein Hektar Rapsstroh ersetzt 1.500 Kilo importiertes Heizöl. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft würden 1,5 Millionen Hektar Ackerfläche in Österreich 25.000 Hektar Raps als Dieselölersatz benötigen. Diese Fläche wiederum liefert Ölkuchen für 425.000 Tonnen Sojaschrot.

Das steirische Raps-Projekt praktiziert im Kleinen, was Wissenschafter beim Europäischen Forum in Alpbach deutlich signalisierten: Die Verankerung des Kreislaufprinzips in der Wirtschaftsordnung als wesentliches Ordnungsprinzip zur Erzielung ausgewogener Produktions- und Nutzungssysteme.

Die französische Regierung hatte sich entschlossen, anstelle von Flächenstillegungen zur Verringerung der EG-Uberschüsse die Produktion von Bioäthanol zu fördern, um so die industriellen Absatzmöglichkeiten für die französische Landwirtschaft zu erweitern.

Auch in Österreich erhalten die Überlegungen, Biosprit als Zusatz zum herkömmlichen verbliebenen Treibstoff zu erzeugen, neue Munition. Anläßlich der Präsentation einer Studie der Arbeitsgemeinschaft erneuerbare Energien über „Biosprit in Österreich — eine volkswirtschaftliche Analyse“ kamen die Autoren zu dem Schluß, daß eine Treibstoff-Alkohol-Produktion in Österreich in ihren gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen durchaus positiv wäre, wenngleich sie in ihrem quantitativen Umf angnicht überschätzt werden darf.

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