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Digital In Arbeit

Vom Spaten zum TL-Labor

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Radiokarbon, Fotos aus der Luft, Flächengrabungen und Pollenanalysen machen archäologische Forschungen präziser.

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Radiokarbon, Fotos aus der Luft, Flächengrabungen und Pollenanalysen machen archäologische Forschungen präziser.

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Eine Wissenschaft des Spatens ist die Archäologie nach wie vor. Aber heutzutage mit anderen Zielen, anderen Methoden, mit zusätzlichen Hilfsmitteln. Und in Zusammenarbeit mit mehreren Disziplinen - vornehmlich den Naturwissenschaften: der Anthropologie, Paläobotanik, Geologie, Physik und Chemie.

Schon der erste Spatenstich wird anders vorbereitet als einst. Gezielter. Nicht beschränkt auf die „Begehung” des fundverdächtigen Geländes, bei dem nach Ansammlungen von Steinen, Knochen, Scherben, Münzen oder Holzkohle Ausschau gehalten wird, sondern zumeist mit Einsatz der Luftbildarchäologie.

Bereits 1906 und 1908 hielt der Italiener Capitano Tardivo von einem Ballon aus ein 50 Kilometer langes Gebiet in Reihenaufnahmen fest, um es archäologisch zu untersuchen. Vom Beginn der Luftbildarchäologie darf man dennoch erst ab 1922 sprechen, als der englische Archäologe O.G.S. Crawford aus 300 Meter Höhe Aufnahmen von der Umgebung von Salisbury gemacht hat. Sie zeigten grundsätzlich bei niedrig stehender Sonne am frühen Morgen oder späten Abend Unterschiede im Pflanzenwuchs, differenzierte Bodenfärbungen und mehr oder minder deutliche Schattenreliefs. Diese verraten, daß es hier verschüttete Städte, Straßen, Festungsanlagen, Bewässerungssysteme oder Gräber gibt.

Freilich: Noch befriedigender als das Luftbild ist die Dokumentation per Scanner, bei der die Erdoberfläche punkt- und zellenförmig zur Flugrichtung abgetastet und die Oberfläche nicht nur im Bereich des sichtbaren Lichts, sondern auch in dem des Infrarot-Lichts festgehalten wird.

Weitere moderne und relativ jun-. ge Prospektionsverfahren sind die sogenannten geophysikalischen Meßtechniken. Sie werten Veränderungen physikalischer und chemischer Eigenschaften der oberen Erdschichten und benützen sie als eine Art Blindenführer, die Hinweise darüber bieten, wo der Spaten voraussichtlich fündig wird.

Ist die Fundstelle einmal geortet, werden sogenannte Suchschnittstellen oder großflächige Humusabhebungen vorgenommen. Gleichzeitig muß eine genaue Dokumentation der Fundumstände durchgeführt werden, da jede Grabung eine Zerstörung des Istzustandes bedeutet. Befinden sich mehrere Kulturschichten übereinander, liegen die ältesten unten und die jüngsten oben.

Bei der Flächengrabung wird das Grabungsareal in ein Netz aus quadratischen oder rechteckigen Feldern aufgeteilt. Zwischen den einzelnen Feldern läßt man zirka ein Meter breite Stege stehen, aus denen die Archäologen die Aufeinanderfolge von Schichten ablesen wie von den Seiten eines Buches. Am Ende der Grabung werden auch die Stege abgetragen und eingehend unter die Lupe genommen.

Bevor die Fundgegenstände geborgen werden, muß die Fundsituation beschrieben, gezeichnet, und fotografiert, das Gelände vermessen werden. Danach werden die Funde gereinigt, konserviert, inventarisiert und gegebenenfalls restauriert, unter Umständen im Labor analysiert.

Zur Datierung einer Fundstelle ziehen die Prähistoriker gerne Keramiken heran. Aus dem Form- und Stilwandel der Zeit lassen sich nämlich relativ sichere Zuordnungen treffen. (Eine ähnliche Hilfestellung leisten in der Klassischen Archäologie die Münzen.) Läßt es das Budget zu, bedient sich die moderne Archäologie zur präzisen Datierung einer von acht physikalischen-chemischen oder drei botanischen Verfahren beispielsweise der Pollenanalyse. Dabei spielen jene, die auf der Messung der Radioaktivität beruhen, die Hauptrolle. Die erfolgreichste ist die im Zusammenhang mit der kernphysikalischen Forschung während des Zweiten Weltkriegs entwickelte und in den folgenden vierzig Jahren verbesserte C-14- oder Radiokarbonmethode. Sie basiert auf der Tatsache, daß Radio-karbon (chemische Formel C-14) ein radioaktiver Kohlenstoff ist und wie alle radioaktiven Stoffe mit der Zeit zerfällt. Nach 5.730 (plus/minus 40) Jahren gibt es nur noch die Hälfte davon und nach weiteren 5.730 Jahren bloß ein Viertel und so weiter. Die Kenntnis der Halbwertzeit erlaubt es dann, das absolute Alter von Knochen, Holz oder Körpergewebe zu errechnen. Fehler sind allerdings nicht ausgeschlossen.

Kontrollier- und feststellbar sind derartige Abweichungen durch die Jahreszeitenchronologie (Dendro-chronologie), eine Methode, die auf der Auszählung und dem Vergleich der Jahreszeitenringe an Räumen beruht. Entspricht doch jeder Ring einem Jahr, während seine Breite bezeugt, ob es damals trocken und kalt oder regenreich und heiß war. Leider sind sowohl die C-14-Methode als auch die Dendrochronologie nicht immer einsetzbar. Die Radiokarbonmethode funktioniert lediglich bei organischen Stoffen wie Holzkohle, Holz, Leder, Textilien, Torf, Muscheln und Knochen. Die Dendrochronologie schließt ein, daß man sich leicht „verzählt”. Außerdem ist gut konserviertes Holz Mangelware, zumal in Österreich.

Eine weitere Ergänzung bildet die Thermolumineszenz-Datierung, kurz TL-Datierung genannt. Sie stützt sich bei der Altersbestimmung auf die Eigenschaft zahlreicher Mineralien, beim Erhitzen Energie in Form von Licht abzugeben. Dieser Vorgang spielt sich auch bei Ton und somit bei Keramiken ab, da sie geringe Mengen von radioaktiven Mineralkörnern enthalten. Wird also bei der Herstellung keramischer Gegenstände der Ton gebrannt, das heißt auf mindestens 800 Grad Celsius erhitzt, wird die gesamte, ursprünglich im Ton erhaltene Ther-molumineszenz gelöscht.

Findet man schließlich nach einigen hundert oder tausend Jahren ein Tongefäß und erhitzt es im Labor, so ist die Identität des ausgestrahlten Lichts ein Maß für sein Alter. Gemessen wird es mittels sensiblen Photozellen. Weltweit gibt es rund zwei Dutzend TL-Labors, eines davon im Forschungszentrum Seibersdorf.

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