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Der Pacher-Fund in Salzburg

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1498 starb Meister Michael Pacher in Salzburg, als sein letztes großes Werk, der Marienaltar für die dortige Franziskaner-kfrche, beinahe vollendet war. Später wurde dieser gotische Altar wie so viele andere auch beseitigt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts stellte Fischer von Erlach an der Stelle des seinerzeitigen Pacherschen Flügelaltars einen barocken auf, dessen Mitte die herrliche Marienfigur Michael Pachers auch heute noch bildet. Der Bekleidung des Altars zuliebe wurde diese Statue verstümmelt. Gelegentlich der Entkleidung der Figuren beseitigte man 1865 leider das von Pacher geschnitzte Christuskind, das die Madonna in ihren Armen gehalten hatte, und ersetzte es durchwein zeitgenössisches. Die •einerzeitigen Verstümmelungen wurden damals ergänzt, die Figur selbst neugefaßt. Was •onst von dem großen Salzburger Marienaltar Michael Pachers geblieben ist, sind vermutliche jene beiden Tafeln, die das Kunsthistorische Museum in Wien beherbergt: eine Vermählung Marien und eine Geißelung Christi.

Dl Salzburger Franziskanerkirche wird gegenwärtig unter fachkundiger Leitung restauriert. Im Zuge dieser Erneuerungen wurden auch einige baufällig gewordene Kästen der Sakristeien ersetzt. Bei der Zerlegung eines solchen Kastens in der oberen Sakristei der Kirche entdeckte der Haustischler der Franziskaner, Ebner, ein großes Deckbrett, das Immerhin noch kenntliche Spuren einer gotischen Bemalung aufwies. Uber die Meldung des braven Mannes wurde das Brett, das ein Längenausmaß von zwei Metern und 60 Zentimetern aufweist, in die Restaurierungsanstalt der Landesregierung In der Residenz geschafft und dort vorsichtig gereinigt. Es zeigte sich, daß es sich bei diesem bedeutungsvollen Fund mit großer Wahrscheinlichkeit um ein Stück des ehemaligen Marienaltar der Franziskanerkirche handelt, also eine gotische Bildtafel au dem Kreis Michael Pachers, wie •Ich der Landeskonservator Dr. Hoppe vorsichtig ausdrückt. Der Fundort läßt die Wahrscheinlichkeit der Herkunft der Entdeckung noch betonter erscheinen.

Die Tafel aus Zirbenholz zeigt verschiedene Reste der alten Goldgrundierung und einen Überzug aus Leinwand, auf dem die Grundierung für die Malerei aufgetragen wurde. Die linke Seite der Tafel füllt zu etwa drei Viertel der Höhe eine fast lebensgroße Jünglingsgestalt au*. Die Gewandung dieses Jünglings weist den neuesten italienischen Schnitt der damaligen Zeit auf, nur sind die modernen anliegenden Ärmel durch bauschige ersetzt. Abgesehen von der Behandlung des Haupthaares, erscheint die perspektivische Verkürzung der Gesichtspartien, die Mondform der Augen, überhaupt der Typus des Jünglings genau so Michael Pacher anzugehören, wie das bei dem leider nur mehr als Vorzeichnung in der unteren Tafelmitte erhaltenen bärtigen Priester der Fall ist, der ein Lamm •erdachtet. Die linke Tafelseite erfüllen oberhalb eines Tisches, der das Bild im unteren Drittel horizontal durchteilt, zeichnerische Studien zu Händen und Gewändern, die übermalt gewesen sein müssen, weil 6ie in keinem organischen Zusammenhang 6tehen. Oberhalb der Tischplatte erkennt man, ebenfalls in Zeichnung, das Köpfchen eines Mädchens, daneben als farbiges Fragment den Teil einer Kopfbedeckung und eines Männergesichtes mit böse verzerrten Zügen. Der ganzen Szene ine inhaltliche Deutung zu geben, etwa im Zusammenhang mit dem Leben der Gottesmutter, welcher der Altar geweiht war, ist bis heute noch nicht möglich gewesen. Die Szene, die dargestellt wird, spielt sich in einem Brunnenhaus ab, was Gebälk und zwei Was-ereimer vermuten lassen. Man nimmt an, daß es sich bei der aufgefundenen Tafel möglicherweise um einen Teil der Rückwand des Schreines gehandelt hat. Reste einer Grundierung und eines rötlichen Farbenauftrags, welche in keinen Zusammenhang gestellt werden können, sind auch an der Rückseite der Tafel zu bemerken.

Der aufsehenerregende kunstgeschichtlich Fund dürfte in den nächsten Monaten die Gelehrtenwelt um so mehr beschäftigen, all von Michael Pacher im Verhältnis zu anderen Mteistern seiner Zeit nur sehr wenig Authentisches erhalten geblieben ist.

Das Rathaus — Amt für Kultur und Volksbildung — hat in seinem neuen Unterkunftsort am Friedrich-Schmidt-Platz 5 auch einen neuen, ansprechenden und recht gut belichteten Ausstellungsraum erhalten: wir hoffen •ehr, daß es ihn entsprechend ausnützt und erinnern uns gerne, daß schon in den völlig unzulänglichen Räumen im Rathaus selbst manche kleine, aber interessante Ausstellung zu sehen war, die Rathausausstellungen neuerer Wiener Kunst also schon gewisse Tradition besitzen, deren Fortsetzung durchaus wünschenswert ist

Die erste Atissteihmg am neuen Ort galt dem vor 25 Jahren verstorbenen Anton H1 a v a ö e k, der unter anderem jenes riesige Wiener Panorama gemalt hat, das den Besuchern der Städtischen Sammlungen seit eh und je ob seines Umfanges und seiner Akribie Schauer der Ehrfurcht über den Rücken jagt. Nun, Hlavacek war ein guter und solider, wenn auch nicht besonders imponierender Maler; seine Wiener Landschaften haben eher lokalhistorischen als kunsthistorischen Wert, mag ihnen malerische Qualität auch nicht abzustreiten sein.

Die zweite Exposition, die jetzt zum Besuche einlädt, ist als ein Pendant zum ersten zu werten: denn auch Karl Bednarik, ein junger Arbeitennaler, scheint sich vorzugsweise der Wiener Landschaft zugewandt zu haben, an der ihn freilich weniger die sanften Höhenzüge des Wienerwaldes als die von Feuermauern und Fabriken begrenzten Steppengegenden vor Simmering oder Inzersdorf interessieren. Seit seiner ersten Kollektivausstellung in der Agathon-Galerie hat er zweifellos beträchtliche Fortschritte gemacht; er ist ruhiger und überlegender geworden, er trumpft mit seinen Farben nicht mehr so auf, •ondern spielt sie gelassener aus. Immer noch rwischen einem gemäßigten Expressionismus und ebenso gemäßigter Abstraktion schwankend, gelingen ihm die besten Arbeiten, wenn er sich zwischen beiden im Gleichgewicht hält: etwa in jenen guten Marchfeldlandschaften, über die er große Wolken gleich Kugeln rollen läßt: zwei freundliche Aquarelle aus Süd-Italien sind anzumerken; die dem Naturbild nahen, aber schön in die Fläche gezeichnete Pflanzenstudien lassen mehr Zeichnungen von Ihm erhoffen. Unbehagen empfindet man vor Bildern wie dem „Clown“ oder dem „Gefesselten“ — nicht etwa, weil sie „sozialkritisch“ wären, sondern weil diese Art von Expressionismus wahrhaftig schon ein wenig überholt Ist. Im ganzen aber: eine saubere Kunst und eine erfreuliche Ausstellung. — Der Einfall, ungeschulte Besucher durch kurze Texte auf dies und jenes Bemerkenswerte an den Bildern aufmerksam zu machen und durch sie die Arbeitsmethode des Künstlers zu erläutern, Ist so übel nicht. Aber sie müssen kurz, in ordentlichem Deutsch geschrieben und frei von allzu kunstphilosophischen Einschüben ein, wenn si ihren Zweck wirklich erfüllen •ollen,

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