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Von Steinen, die reden

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I.

Unser jüngstes Bundesland, das Burgenland, ist eine eigene Diözese geworden. Das Fest ist vorbei, des Landes Bischof residiert in Eisenstadt.

Nicht nur Festlichkeiten, auch die tägliche Arbeit der Kirche, wie Seelsorge, Caritas, Jugenderziehung, Verwaltung u. a. m. brauchen Räume und Gebäude, brauchen die Möglichkeit zur Entfaltung. Weit vorausschauend, hat vor zehn Jahren der damalige Apostolische Administrator, Bischof Dr. Schoiswohl, mehrere Wettbewerbe zur Errichtung eines „Bischofhofes“ veranlaßt, wobei die endgültige Wahl für Entwurf und Bauleitung auf meine Person fiel. Ausschlaggebend für die Entscheidung mag gewesen sein, daß ich von Anfang an ein größeres, der Aufgabe würdiges Konzept im Sinne hatte, nämlich die städtebauliche Einordnung einer Gesamtanlage.

Schon seit Jahren mit der Stadtplanung von Eisenstadt befaßt, war mir nicht nur darum zu tun, ein schönes und brauchbares Gebäude zu errichten, sondern es sollte — großzügig gesehen — in der Umgebung der alten Stadtpfarrkirche ein „Kirchliches Zentrum“ entstehen, ein größeres zusammenhängendes Gebiet, ein Bezirk der kirchlichen Verwaltung und Repräsentation mit allem notwendigen Zubehör.

Nach sorgfältiger Vorbereitung wurde im Jahre 1950 mit dem Bau des Bischofhofes begonnen. Viele Komponenten mußten beachtet werden: Schwierigkeiten bei der Grundbeschaffung, Möglichkeit einer abschnittweisen Durchführung — abgestimmt auf die verfügbaren Geldmittel, die Zustimmungen des Bundes-denkmalamtes und rein technische Probleme, wie etwa die Überbauung des alten Stadtgrabens.

Als dominierender Baukörper und ringsum Stadt und Land beherrschendes Symbol erhebt sich die alte Stadtpfarrkirche auf einem Hügel nahe der Stadtmauer. Sie zu fassen und zugleich mit dem interessanten alten Gemäuer in die Neuanlage einzubeziehen, sollte das Bauvorhaben in origineller Weise bereichern und ergänzen.

II.

Der Haupttrakt der neuen Baugruppe mit Arbeits- und Empfangsraum des Bischofs, Bischofskapelle und Bibliothek befindet sich über der Mauerkrone und ist der Kirche am nächsten; seine Hauptfront wendet sich jedoch den neuen Stadtteilen im Süden zu. Diesem Trakt angeschlossen und baulich untergeordnet sind vorerst zwei niedrigere Quertrakte — unter Einbeziehung eines vorhandenen Altbaues soll ein dritter Flügel gebildet werden. Hier finden außer einem großen und einem kleineren Saal sowie einfachen Wohnungsgruppen vor allem die notwendige Verwaltung Raum.

Bei einem von jugendlicher Begeisterung getragenen abendlichen Fackelzug hat der neugeschaffene Ehrenhof seine Probe und sein gewaltiges 'Fassungsvermögen erwiesen. Selbstverständlich wurde auch für das Entstehen eines eigenen Wirtschaftshofes mit dem Garagenbetrieb vorgesorgt, während ein beschaulicher Innenhof mit Kreuzgang das Programm der Planung für den Bischofshof abschließt.

Im Jahre 1952 sollte mit dem Umbau der Stadtpfarrkirche zur Domkirche — Kathedrale — begonnen werden. Nach weiteren Wettbewerben wurde mir auch hierfür die Ehre des Auftrages zuteil. Damit konnte ich auch meine städtebaulichen Absichten im Bereich der Kirche einbeziehen, die Anlage eines Domplatzes und die Freilegung eines Aufganges zum Westportal festlegen. Die schöne Turmfront der Kirche — bisher kaum zugänglich — verdient wahrhaftig diese Erschließung, doch sind vor diesen Maßnahmen noch Probleme der Grundablösungen zu erledigen. Der stilvolle Zusammenhang der gotischen Kirche mit ihrer Umgebung wurde dabei besonders beachtet, der umgebaute Stadtpfarrhof mit Mesnerhaus und Jugendheim sowie ein Haus für das Domkapitel und ein Gästehaus sind maßstabbildende Gruppen kleineren Ausmaßes, die die mächtigen Massen der Kirche richtig zur Wirkung bringen werden.

Sosehr die Kirche in ihrer Gesamtform, im Grundriß und in ihrer Lage eine höchst ansprechende Bauleistung darstellt, so gereichten ihr doch viele Änderungen, unproportionierte

An- und Einbauten aus der Jahrhundertwende nicht zum Vorteil; falsche Gewölberippen und Schlußsteine, sentimentale Manufakturware an Statuen und Glasfenstern erscheinen uns heute unerträglich. Aber auch die Entfernung solch mißverstandener Ausschmückung bedarf einer künstlerisch sicheren Hand; sie ist die Voraussetzung für die Neugestaltung.

Diese begann von außen mit der Erneuerung der gesamten Fronten, mit Sicherungen der Strebepfeiler und des Turmes, Ergänzungen an den Stellen, wo Zeit- und Bombenschäden aufgetreten waren, mit der vollständigen Abtragung des alten schadhaften Dachstuhls und Erneuerung desselben durch eine moderne Dachkonstruktion einschließlich einer Neueindeckung in der alten Ziegelform.

Dazu kam die Neugestaltung des Hauptportals an der Nordfront im Zusammenhang mit dem zukünftigen Domvorplatz. In die Vorhalle führen zwei 4 Meter hohe Tore, die in den schrägen Leibungen noch Basreliefs der vier Evangelisten erhalten sollen. Neu ist ebenso der links vom Portal befindliche Eingang zur Familienkapelle an Stelle der ehemaligen Sakristei, seiner Bestimmung gemäß tritt er gegenüber dem Hauptpartal zurück. Störende

Anbauten wurden auch hier entfernt und der auf alten Bildern ersichtliche besonders malerische Charakter dieses Fassadenteiles dadurch wiederhergestellt.

An der südöstlichen Chorwand wurde ein neues Sakristeigebäude angefügt. Etwas vom Hauptbau losgelöst und bewußt niedrig gehalten, soll es mit seiner horizontalen Tendenz den Vertikalismus des gotischen Chors unterstreichen. Der Südfront vorgesetzt ist der Neubau der Marienkapelle mit ihrer eigenwillig schildartig gewölbten Altarrückwand und den indirekt angeordneten seitlichen Lichtquellen. Fünf runde, buntverglaste Fenster symbolisieren die fünf Schmerzen der Gottesmutter.

Sowohl das Südtor als auch das Westtor erfühl' eine Neugestaltung. Der zwischen Dom und Stadtmauer gelegene alte Friedhof wurde in einen beschaulichen Garten verwandelt.

III.

Die Ausgestaltung des Dominneren — abermals durch einen Wettbewerb erworben — war für mich der Kernpunkt für die Schaffung des Kirchlichen Zentrums. Der Brandschutt vergangener Katastrophen hatte den Boden des Hauptschiffes fast in gleiche Höhe mit dem Presbyterium gebracht. Demnach mußte mit der Tieferlegung des Kirchenfußbodens um zirka 60 Zentimeter begonnen werden. Hierbei wurden nicht nur alte Gräber, sondern auch die Fundamente des früheren Kirchenbaues aufgedeckt, ein Fall, der mich an ähnliche Ergebnisse beim Wiederaufbau des Wiener Sankt-Stephans-Domes im Jahre 1945 erinnerte.

Heute bedeckt ein die Kreuzesform betonendes Steinpflaster in ruhiger, klarer Linienführung diese Erinnerungen, die selbstverständlich genau festgehalten wurden. Der Blick des Besuchers soll angezogen werden von dem nunmehr in vollen Ausmaßen erscheinenden Presbyterium mit seinem freistehenden, nach dem christozentrischen Prinzip zum Gläubigenraum vorgerückten Hochaltar von bestmöglicher Sichtbarkeit:

Über der monolithen Altarplatte von mehr als 4 Meter Länge aus rotem Adneter Marmor befindet sich der Tabernakel mit seiner vergoldeten und mit Elfenbein und Edelsteinen besetzten, von zwei schwebenden Cherubim getragenen goldenen Krone im echten Sinn des Wortes bekrönt.

Den Ausmaßen und der Bedeutung des Hochaltars entsprechend mußte auch sein Hintergrund eine künstlerische Gestaltung erfahren. Ein 30 Quadratmeter großes Goldmosaik in abstrakten Linien und mit vorgesetzter Schrift schafft mit seinen funkelnden Lichtreflexen einen überirdisch anmutenden Rundhorizont. Darüber als weitere Steigerung eine Gruppe von jubilierenden Engeln unter den Rippenansätzen des gotischen Fünfachtel-Chorgewölbes; dazwischen die neugeschaffenen Glasmalereifenster, deren mittleres mit der Darstellung des Christkölligs den zentralen Aufbau des Hochaltarraumes abschließt. Das Licht der fünf großen Glasfenster wird gegebenenfalls durch fünf langgestreckte zylindrische Glasluster verstärkt beziehungsweise ersetzt.

Um drei Stufen erhöht und von einem rotgoldenen Baldachin überdacht, befindet sich an der linken Chorwand der Bischofsthron, in den Kirchenraum vorgerückt ein Ambo mit den Evangelistensymbolen. Das marmorne Speisgitter trägt in seinen schweren bronzenen Schiebetüren Ähren und Weintrauben und das Wappen der Freistadt Eisenstadt als Dank an den Spender. Das Lamm Gottes hoch oben im Triumphbogen schließt den Kreis der Symbole.

Die monumentale Strenge der ganzen Hoch-altaranlage löst sich, indem ich in die Komposition an entscheidender Stelle, am Übergang von Presbyterium zu Hauptschiff, rechts vor dem Triumphbogen und aus demselben Stein — als Mittler zwischen Gott und Mensch — die Gestalt des Kirchen- und Landespatrons einordnete: Mit erhobener Hand weist der heilige Martin die Gläubigen zu Gott.

IV.

Durch ein Gittertor erreicht man den Abgang zur Krypta, der auch von der Sakristei aus zugänglich ist, wie überhaupt weite Maueröffnungen alle der Andacht dienenden Kirchenräume untereinander verbinden, um Sicht und gemeinsame Feier des Gottesdienstes zu ermöglichen. Beheizbares Kirchengestühl aus Eiche, bronzene Beleuchtungskörper, die geplante Taufkapelle und ein Kreuzweg in Freskomalerei vervollständigen den Ausbau der Kirche.

Es versteht sich von selbst, daß die wertvollen Kunstwerke von früher — Orgelempore, Kanzel, Ölbergrelief und aufgefundene Fresken — entsprechend restauriert und konserviert wurden. Alles, was neu in die Kirche kam, soll den formalen Ausdruck unserer Zeit tragen. Ich war besonders darum besorgt, kurzlebigen und modischen Formen auszuweichen und allgemeingültige Formen zu finden!

Eine mehr als zehnjährige Arbeit in aller Stille hat mit den großen Feiern anläßlich der Diöze-sanerhebung eine schöne Erfüllung gefunden;

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