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Agrarrezept aus dem AH

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Wer im Flugzeug über eine der europäischen Großstädte geflogen ist, weiß, daß man aus der Vogelperspektive ganz andere Merkmale der Stidt ausnimmt, als wenn man zu Fuß durch die Straßen spaziert: Das Zentrum ist im allgemeinen verwinkelt, vielfältig, stellt sich als ein Gewirr von Straßen, Plätzen und Häuserreihen dar. Man erkennt daraus das unsystematische Wachstum der Stadt in langer historischer Entwicklung.

Anders ist die Peripherie: Hier dominieren die geraden Linien, die geometrischen Muster; hier wird mit einem Blick offenkundig, daß gezielte Planung bei der Stadtentwicklung am Werk war.

Die Vogelperspektive läßt auf einen Blick Zusammenhänge erkennen, die sonst nur durch mühsames Zusammentragen vielfältigster Eindrücke und Informationen deutlich werden.

Schon in den sechziger Jahren, anläßlich der ersten bemannten Raumflüge, erkannte man, welche enorme Möglichkeiten der Beobachtung von Satelliten aus gegeben waren. Für Zwecke der zivilen Erforschung der Erdoberfläche wurden diese Möglichkeiten jedoch erst seit 1972 systematisch genutzt. Seit damals umkreist nämlich der „Earth Resources Technology Satellite 1" (zur Erforschung der Ressourcen der Erde) unseren Planeten in einer Höhe von 915 Kilometern.

1975 wurde ein weiterer Satellit der Serie in seine Umlaufbahn gebracht. Beide - mittlerweile in LANDSAT 1 und 2 umbenannt - senden nunmehr laufend Informationen über die Erdoberfläche.

Die Satelliten verfolgen eine kreisförmige Bahn, die über beide Pole verläuft und die so berechnet ist, daß täglich 14 Erdumkreisungen stattfinden. Weil sich aber die Erde gewissermaßen unter den Satelliten „wegdreht", erfassen diese jeweils ein anderes Aufnahmegebiet, wenn sie auf denselben Punkt ihrer Umlaufbahn zurückkehren. Damit wird gewährleistet, daß jeder der beiden Erdtrabanten innerhalb von 18 Tagen die gesamte Erdoberfläche einmal aufnimmt.

Wie arbeitet nun so ein Beobachtungssatellit? Er ist zunächst mit einem Fernsehaufnahmesystem ausgestattet, das aus drei Kameras besteht. Jede von ihnen nimmt das von der Erde reflektierte Licht in einem anderen Wellenbereich des Farbspektrums auf. Die Aufnahmegeräte liefern Bilder, die jeweils eine Fläche von 185 x 185 Kilometer wiedergeben.

Weiters ist in jedem Satelliten ein „Multispektral-Scanner" eingerichtet, der nicht großflächige Bilder liefert, sondern die Erdoberfläche „zeilenweise" abtastet. Da das Auflösungsvermögen der Aufnahmegeräte derart ist, daß als kleinste erkennbare Einheit eine quadratische Fläche von 80 x 80 Metern auf der Erde ausgemacht werden kann, liefert dieses Gerät also Zeilen (siehe Abbildung) von 185 Kilometern Länge und 80 Metern „Breite".

Diese Zeilen lassen sich natürlich wiederum zu den oben erwähnten Bildern von 185 x 185 Kilometern Seiten-länge zusammensetzen. Sie eignen sich aber besser als die fotographischen Bilder zur weiteren Verarbeitung in der elektronischen Datenverarbeitung.

Wichtig ist noch der Hinweis, daß die Wahrnehmungen nicht in einer dem menschlichen Sehvermögen entsprechenden Form festgehalten werden. Vielmehr wird die Strahlenintensität des Lichts nur in vier Ausschnitten aus dem Wellenbereich registriert: im Bereich des grünen bis gelben und im Bereich des roten sichtbaren Lichts sowie in zwei Bereichen des unsichtbaren infraroten Lichts.

Somit gibt es über jede 80 x 80 Meter große Fläche der Erde vier Informationen, die darüber Auskunft geben, wie intensiv diese Flächen Licht in den oben beschriebenen Bandbereichen widerspiegeln.

Damit wird aber auch schon offenbar, daß eines der ganz großen Probleme das der Auswertung der Information ist. Da die Strahlungsintensität in einer Meßskala erfaßt wird, die 63 Abstufungen aufweist, braucht man enorm viel Speicherplatz, um allein ein einziges Bild (185 x 185 Kilometer) festzuhalten. Jedes enthält nämlich 30 Millionen Meßwerte.

Hier wird offenkundig, daß nur mit den Mitteln der modernen Datenverarbeitung ein Zugang zur Bewältigung dieser Informationsfülle gefunden werden kann. Dementsprechend haben sich auch mehrere der „Scientific Center" von IBM mit Fragen der Auswertung von Information, die in Bildern enthalten ist, beschäftigt.

In diesen wissenschaftlichen Zentren geht es nicht vorrangig darum, eine Forschung voranzutreiben, die unmittelbar kommerziellen Erfolg verspricht. Vielmehr werden dort, in Zusammenarbeit mit anderen privaten oder öffentlichen Forschungseinrichtungen, Projekte vorangetrieben, die möglichst breiten gesellschaftlichen Nutzen stiften können und bei denen der Einsatz von Computern erfolgversprechende neue Lösungsansätze ermöglicht.

Und dabei hat sich gezeigt, daß Bildauswertung mittels Datenverarbeitungsanlagen gerade bei Satellitenbildem einen weiten Bereich erfolgversprechender Anwendungen findet: Erfaßt werden können sowohl die Bewegung von Eisbergen und Wolkenfeldern, das Ausmaß der Umweltver: schmutzung einer Region, der Reifegrad der Ernten ganzer Landstriche oder Lagerstätten von Bodenschätzen.

Als Beispiel für die interessanten Möglichkeiten sei das Projekt des Scientific Centers in Paris dargestellt. Hier kam es zu einer Kooperation mit einem französischen Forschungsinstitut, das auf dem Gebiet tropischer Landwirtschaft Entwicklungsarbeit leistet.

Ausgangspunkt war die zunehmend schwierige Lage der landwirtschaftlichen Versorgung in den Ländern der Sahelzone. Die weiterhin wachsende

Versteppung droht dort die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen weiterhin zu verringern.

Bisher war der Zugang folgender: In mühsamer und detaillierter Einzelerfassung galt es, jene Gebiete zu erkennen, von denen man landwirtschaftli-clien Ertrag erhoffen konnte. Eine solche Untersuchung hatten die französischen Partner im Jahre 1976 auf dem Mandingue Plateau, einem im Verhältnis zur gesargten Sahelzone kleinen Gebiet in Mali, durchgeführt und Karten für die Bodennutzung angefertigt.

Im Rahmen des gemeinsamen For-schüngsprojektes ging man daran, diese in mühsamer Einzelforschung zusammengetragene Information mit den Satellitenbildern der Region zu vergleichen. Man wollte erkennen, ob nicht Zusammenhänge zwischen den Farbspektren der Satellitenbilder und der Bodenqualität und Vegetation in den untersuchten Gebieten auftreten.

Hier bot sich die Zusammenarbeit der Computerexperten und den französischen Agrarwissenschafter als Lösungsansatz an. Eine nähere Untersuchung der Satellitenbilder zeigt, daß die Farbspektren erkennen lassen, ob es sich um eine Waldfläche, ein Anbaugebiet, eine nur dünn bewachsene Region oder eine ausreichend mit Wasser versorgte Gegend handelt. Ja selbst der Zustand der Vegetation läßt Sich erkennen, denn gesunde Pflanzen strahlen das Licht anders in den Weltraum zurück als kranke.

Aus der Gegenüberstellung der mittels Computer ausgewerteten Bilder mit den Ergebnissen der Qualitätserhebungen an Ort und Stelle konnten sehr deutliche, systematische Ubereinstimmungen festgestellt werden.

Sicherlich mußten, um die Methode der Auswertung der Satellitenbilder praktikabel zu machen, viele äußerst komplizierte Verfahren der Informationsverarbeitung gelöst werden. Insbesondere galt es, ohne ins Gewicht fallenden Informationsverlust die vierdimen-sionale (von den vier Farbbändern stammende) Darstellung auf nur zwei Dimensionen zu reduzieren. Dabei wurden Methoden der Faktorenanalyse erfolgreich in großem Stil angewendet.

Die Ergebnisse waren ermutigend: Aus den Satellitenbildern ließ sich die Bodenqualität und die Anbauwürdig-keit eines bestimmten Gebietes erkennen.

Der nächste Schritt des Forschungsprojektes war naheliegend: Es wurden die Satellitenbilder einer bisher nicht genau untersuchten Region nach den vorher erkannten Merkmalen ausgewertet. Und nun gilt es an Ort und Stelle zu testen, ob die erwarteten Bodenqualitäten tatsächlich gegeben sind. Zu diesem Zweck ist derzeit eine Forschungsexpedition in Obervolta unterwegs. Sie soll die Güte des Verfahrens testen.

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