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Die Euphorie ist vergangen

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Nach einer Panne ist das umstrittene Gentechnik-Gesetz unter Dach und Fach. Wie aber wird die Zukunft der Medzin aussehen?

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Nach einer Panne ist das umstrittene Gentechnik-Gesetz unter Dach und Fach. Wie aber wird die Zukunft der Medzin aussehen?

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—“T ach der Euphorie folgt die Ernüchterung. Ha- ben die Wissenschaft- 1er vor einigen Jahren in der Gentechnik noch

—I— 1 das Wundermittel zur

Heilung der Erbkrankheiten gesehen, so warnen sie heute vor übertriebenen Hoffnungen. Auch die jüngsten Meldungen, daß sich die bisherige Forschung für einen Aids- Impfstoff als Sackgasse erwiesen hat, machen nicht gerade optimistisch. Zwar wird aller Wahrscheinlichkeit nach das ehrgeizige „Human-Ge- nom-Project“, bei dem das gesamte menschliche Erbgut kartiert und sequenziert wird, wie geplant bis zum Jahr 2.005 abgeschlossen werden können, doch ob es dann auch die Riesensummen rechtfertigen wird, die in es investiert wurden, ist unsicherer denn je.

Was sich noch deutlich verbessern wird,’ ist die Diagnostik. Wurden Mitte der achtziger Jahre etwa 100 testbare Erbkrankheiten mittels gentechnischer Methoden erkannt, so sind es heute weit über 300. Doch für Erbkrankheiten sind die unterschiedlichsten Defekte verantwortlich, sodaß genanalytische Untersuchungen allein nicht ausreichend aussagekräftig sind. Sie werden auch in Zukunft eher unterstützend für die konventionellen Untersuchungen eingesetzt werden.

Erfolgreicher ist man auf dem Gebiet der Mikrobiologie. Mit Hilfe molekularbiologischer Methoden, so Christine Mannhalter vom Klinischen Institut für medizinische und chemische Labordiagnostik am Wiener AKH, konnte bei schwer kultivierbaren Bakterien der Befund oft erst nach ein paar Wochen vorgelegt werden. Mit Hilfe molekularbiologischer Methoden kann die Diagnose in etwa drei Tagen gestellt werden. Darüber hinaus ist diese Methode für die Mitarbeiter wesentlich risikoärmer, weil nicht mit dem ganzen Virus gearbeitet werden muß.

Auch wenn ein Erfolg bei der Bekämpfung von Aids in weite Ferne gerückt ist, wäre ohne Gentechnik bei HIV kein diagnostischer Ansatz möglich. Ähnlich ist es bei Krebs. Die Wissenschaftler sind sich heute einig, daß Krebserkrankungen eine Folge von Gendefekten sind, insbesondere die Entwicklung von Leukämien hängen mit genetischen Veränderungen zusammen.

Viel weniger rosig sieht die Zu kunft bei der Therapie aus. Die Gendiagnostik ermöglicht zwar, mit nahezu lOOprozentiger Sicherheit genetische Defekte aufzuspüren, doch sagt das noch lange nicht, daß es auch Heilungsmöglichkeiten gibt. Das wirft natürlich viele ethische Fragen auf. So ist etwa zu frageh, wer entscheidet, ob der Arzt einem Patienten sagen soll, daß er mit einer Krebserkrankung zu rechnen hat. Freilich kann auch hier die Gentechnik Hilfen bieten: So etwa in der Transplantationsmedizin. Dort wird in zunehmendem Maße mit Hilfe der Gehtechnik festgestellt, ob sich ein Organ eines bestimmten Spenders für den Erkrankten eignet oder Abstoßung zu erwarten wäre. Damit erhöhen sich natürlich die Chancen für erfolgreiche Transplantationen.

Weiters berichtete die Biologin Katja Prowald, daß seit der Zulassung von gentechnisch hergestelltem Insulin (1982) zurzeit 22 auf diese Weise produzierte Medikamente in

Deutschland zugelassen sind. Diese erste Generation von gentechnisch erzeugten Arzneimittel, bei denen körpereigene Wirkstoffe in Bakterien oder Säugetierzellen produziert werden, werden jetzt durch eine zweite Generation ergänzt, bei der die so hergestellten Medikamente auf Genebene maßgeschneidert werden und deutlich bessere Wirkung zeigen. „Ziel ist jedoch die Gentherapie, so Prowald, „die es erlauben wird, den körpereigenen Zellen die fehlende oder defekte Information zur Bildung der körpereigenen Proteine zurückzugeben“.

Die Medizin, darin sind sich die Wissenschaftler einig, wird in Zukunft immer stärker zur „prädikti- ven Medizin“, was neue ethische Herausforderungen mit sich bringt. Als besonders hoch wird die Gefahr der Diskriminierung seitens der Wissenschaftler eingeschätzt, wenn bekannt wird, daß jemand an einer Krankheit leiden wird.

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