7080841-1993_35_10.jpg
Digital In Arbeit

Tuberkulose in einem neuen Milieu

19451960198020002020

„TB is back”, war bereits vor einiger Zeit eine Schlagzeile in der New York Times. Inzwischen trifft diese Meldung auch für Österreich zu, bestätigt Lungenfacharzt Heinrich Klech. Die Infektionen nehmen zu, die Erreger werden aggressiver und gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden immer resistenter. Vor allem aber das Milieu, so der Facharzt, hat sich geändert.

19451960198020002020

„TB is back”, war bereits vor einiger Zeit eine Schlagzeile in der New York Times. Inzwischen trifft diese Meldung auch für Österreich zu, bestätigt Lungenfacharzt Heinrich Klech. Die Infektionen nehmen zu, die Erreger werden aggressiver und gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden immer resistenter. Vor allem aber das Milieu, so der Facharzt, hat sich geändert.

Werbung
Werbung
Werbung

Heute sind es nicht mehr Armut und Hunger, sondern Alkohol, Drogen, Immunschwäche und Aids, die den Ausbruch der Krankheit begünstigen.

Mit der Entdeckung des Tuberkelbazillus durch Robert Koch vor 111 Jahren begann eine entscheidende Epoche der Medizingeschichte, die moderne Bakteriologie. Vordenker seiner Ideen und Methoden waren vor allem Louis Pasteur, der 1857 Spaltpilze als Ursache von Gärung und Fäulnis entdeckte, und der berühmte Pathologe Rudolf Virchpw, der Kochs Bakteriologie allerdings anfangs bezweifelte.

Der Durchbruch seiner Ideen begann mit seiner Tätigkeit als ordentliches Mitglied im Gesundheitsamt Berlin. Für seine Studien stand ihm das umfangreiche Krankenmaterial der Berliner Universitätsklinik Cha-rite zur Verfügung. 1881 demonstrierte er seine „Methode der Reinkulturen und Photogramme” im Laboratorium des durch die Einführung der Antisepsis-Behandlung berühmt gewordenen Chirurgen Lord Josef Lister.

Die für die Gesundheit von Millionen Menschen so entscheidende Entdeckung gab Koch am 24. März 1882 im Berliner Hygiene-Institut unter dem bescheidenen Titel „Über Tuberkulose” bekannt: der lückenlose Nachweis des Tuberkelbazillus, wie er den Erreger nannte.

Was bedeutet diese Entdeckung heute? Die Ursache der Tuberkulose, das Mykobakterium tuberculosis, steht nach wie vor unumstritten fest. „Heute erhebt sich darüber hinaus noch vielmehr als bisher die Frage, wie der Körper reagiert, „typisch, aber vielfältig, je nach dem Stadium seiner Immunität, der Art des Befalles und dem Stadium der Krankheit”, beschreibt das oft uncharakteristische und daher schwer erkennbare Bild der Krankheit Karl Spitzy, Antibiotika-Spezialist und ehemaliger Vorstand der Universitätsklinik für Chemotherapie in Wien. Heute weiß man, daß nicht nur die Lunge von Tuberkelbazillen befallen werden kann, sondern auch andere Organe, Haut und Knochen. Waren früher die Vorbedingungen für den Ausbruch der Krankheit schlechte Wohnverhältnisse und eiweißarme Kost - die Zeichen der Armut -, so sind es heute Alkohol-und Drogenmißbrauch, ein geschwächtes Immunsystem, vor allem bei HlV-Infizierten.

Darin sehen die Lungenfachärzte auch die Hauptursache, warum die Krankheit seit Mitte der achtziger Jahre vor allem in den Städten zunimmt. „Die TB zählt in Europa, trotz des erheblichen Rückganges ihrer Sterblichkeit, immer noch zu den häufigsten bakteriellen Infektionskrankheiten”, postuliert Dozent Klech. Man schätzt, daß heute über 15 Millionen Menschen weltweit an TB leiden, wobei die Dunkelziffer, vor allem in den Entwicklungsländern, sehr hoch angesetzt werden muß. Dazu kommt, daß die Diagnose, wenn vorher eine Impfung vorgenommen wurde, schwierig ist und etwa zwei Wochen in Anspruch nimmt. Die Ausbreitung der Infektion kann über das Blut, die Lymphflüssigkeit oder über die Bronchien erfolgen, die Inkubationszeit beträgt vier bis sechs Wochen. Etwa 90 Prozent aller Primärinfektionen betreffen die Lunge, von den Spätformen werden vor allem Knochen und der Urogenitalbereich befallen.

Das klassische Mittel gegen die TBC wurde 1944 von dem Mikrobio-logen Selman A. Waksman entdeckt: Streptomycin, das auch heute noch verabreicht wird. An einem einzigen Krankheitsfall, einer Meningitis tu-berkulosa bei einem Kind, konnte er die Wirksamkeit der neuen Substanz eindeutig beweisen. 1952 wurde ihm für die Entdeckung dieses lebensrettenden Medikaments der Nobelpreis verliehen.

Starke Nebenwirkungen

Streptomycin ist nach wie vor ein sehr wirksames Antibioticum, wenngleich es auch erhebliche Nebenwirkungen zeigt. So wie bei Penicillin kann es allerdings auch bei dieser Substanz zu einer Resistenz der Keime kommen, die hier sehr plötzlich auftreten und den Patienten in Gefahr bringen kann. „Durch eine Kombination von verschiedenen Mitteln kann diese Resistenz jedoch überwunden werden”, betont Karl Spitzy, der Waksman persönlich und in seinem Haus in Baden bei Wien zu Gast hatte.

Selbst wenn derzeit die Krankheitsfälle von Tuberkulose ansteigen, sind sie aus medizinischer Sicht kein Problem. Die Infektion darf allerdings nicht übersehen oder vernachlässigt werden, was vielleicht gerade aufgrund des Vertrauens in die wirksamen Behandlungsmethoden geschehen ist. Das neue Milieu der Krankheit, die Alkohol- und Drogenszene, wird allerdings zunehmend zu einem Problem.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung