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Medizin auf heißer Spur

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An den beiden Wiener Universitätshautkliniken wird derzeit eine neue Methode zur Behandlung von bisher unheilbaren Hauterkrankungen, Vorstufen von Leukämie und Erkrankungen des körpereigenen Abwehrsystems erprobt. Die extrakorporale Photopherese, so heißt das Verfahren, wurde von Richard Edelson, Professor an der Columbia Universi-ty in New York, entwickelt, als eine sozusagen außerhalb des Körpers durchgeführte Chemotherapie. Dadurch scheint es möglich, kranke Zellen zu vernichten und gesunde zu schonen.

Die Behandlung klingt einfach: Der Patient erhält ein lichtempfindliches Medikament. Einige Stunden danach entnimmt man dem Patienten zirka einen halben Liter Blut und bestrahlt es in einem speziellen Gerät vier Stunden lang mit langwelligem UV-A-Licht, nachdem man die roten Blutkörperchen ausgefiltert hat (sie würden die Bestrahlung behindern). Nun wird das sonst inaktive Medikament wirksam und vernichtet die kranken weißen Blutkörperchen. Das so behandelte Blut infundiert man nun durch die andere Armvene wieder zurück.

• Was in den nächsten Tagen im Körper des Patienten vor sich geht, ist den Wissenschaftlern noch nicht völlig klar: Fest steht, daß eine entscheidende Besserung der Erkrankung eintritt. Dazu meint der Dermatologe Robert Knobler von der Zweiten Universitätshautklinik in Wien, der das Verfahren bei Edelson erlernte und bei der späteren Weiterentwicklung mitwirkte: „Es sieht so aus, als würden die bestrahlten, abnormen Zellen, die einige Tage später im Körper des Patienten absterben, eine Immunantwort des Organismus erzeugen. In der Folge ist der Organismus imstande, mit den restlichen kranken Zellen von selbst fertig zu werden.“

Üblicherweise wird die Therapie in vier- bis fünfwöchentlichen Abständen wiederholt, bis sich dann nach vier bis fünf Behandlungen ein Erfolg zeigt. Um den Patienten in keiner Weise zu schaden, wendet man die extrakorporale Photophorese vorerst parallel zur herkömmlichen Therapie an, bis sich eine Besserung der Erkrankung zeigt.

Als lichtempfindliches Medikament wird 8-Methoxypsoralen, kurz 8-MOP, verwendet. Es ist eine harmlose Substanz, wie sie auch in Feigen oder im Schnittlauch vorkommt. Sie wird auch zur Behandlung der Schuppenflechte eingesetzt. Erst im Blut wird 8-MOP „aufgedreht“ und übt während der Bestrahlung die erwünschte Wirkung auf die zirkulierenden weißen Blutkörperchen aus.

Sowohl Studien im Reagenzglas als auch Versuche an Mäusen haben gezeigt, daß T-Lymphozyten (eine bestimmte Gruppe weißer Blutzellen) auf diese Art der Behandlung besonders empfindlich reagieren. Die extrakorporale Photopherese eignet sich daher für sämtliche Erkrankungen, die durch weiße Blutzellen (Lymphozyten) hervorgerufen werden — seien sie nun leukämischer oder immunologischer Natur.

Die Ergebnisse dieser Behandlung stehen in krassem Gegensatz zu den herkömmlichen Therapien: wenn 8-MOP das Bestrahlungsfeld verläßt, kehrt es wieder in seine inaktive Form zurück, damit kann man die Wirkung zeitlich begrenzen und auf die kranken Zellen lokalisieren. Herkömmliche Medikamente, wie zum Beispiel Cortison, können nicht zwischen dem eigentlichen Ziel, der erkrankten Zelle, und gesundem Gewebe unterscheiden — beträchtliche Nebenwirkungen sind oft die Folge.

So konnten bei etlichen Patienten bösartige Lymphome der Haut, aber auch Schuppenflechte, die meist schwer unter Kontrolle zu bringen ist, völlig geheilt werden.

Derzeit gibt es nur sechs Zentren auf der ganzen Welt, die diese Therapie durchführen — daß wir in Wien (erstmals in Europa) über ein derartiges Gerät verfügen, beweist wohl, welch internationalen Ruf die beiden Hautkliniken genießen. Im Rahmen der Vorstudie wird die Behandlung an fünf Patienten von der Herstellerfirma des Gerätes, Johnson und Johnson, voll getragen. Ob man diese Methode einer größeren Zahl von Patienten angedeihen lassen kann, hängt allein von den finanziellen Mitteln ab. Die österreichische Pharmaindustrie könnte in Zukunft mitwirken, indem sie die fotoaktivierbare Substanz, die bereits seit Jahren im Handel ist, für diesen Zweck herstellt.

Daß diese revolutionäre Behandlungsmethode noch viele Fragen offenläßt, bestätigt auch Robert Knobler: „Die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet steckt sicherlich noch in den Anfängen. Man untersucht, bereits weitere lichtempfindliche Substanzen, die ebenso eingesetzt werden könnten.“

Durch die extrakorporale Photopherese sieht man neue Chancen nicht nur bei krebszellver-mindernden Therapien, sondern auch bei der Unterdrückung von Abstoßreaktionen nach Organtransplantationen.

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