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Wärme als Heilmittel

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Nicht nur das Skalpell, Strahlen und schwere Medikamente stehen den Ärzten nun im Kampf gegen den Krebs zur Verfügung, sondern noch eine weitere Therapie: Hyperthermie.

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Nicht nur das Skalpell, Strahlen und schwere Medikamente stehen den Ärzten nun im Kampf gegen den Krebs zur Verfügung, sondern noch eine weitere Therapie: Hyperthermie.

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Auf der Van-Swieten-Tagung 1984 — Hauptthemen waren die Behandlungsmöglichkeiten für die verschiedenen Tumorerkrankungen — stellten Grazer Ärzte eine neue Methode der Krebsbehandlung vor: Die Hyperthermie (Uberwärmungstherapie) hat sich in den vergangenen Jahren als erfolgreiche zusätzliche Krebstherapie etabliert.

Das Prinzip der Hyperthermie ist relativ einfach: Die Überwärmung von Krebsgewebe führt zum Zerfall dieser Zellen, der Gesamtorganismus muß aber von der Hitzeeinwirkung abgeschirmt werden. Es heilten zwar schon die alten Ägypter mit Hilfe von Wärme, und diese Therapieform zieht sich wie ein roter Faden bis in die Gegenwart, doch erst die moderne Technik verhalf dieser uralten Idee zum Durchbruch.

„Die Anwendung von Wärme in der Krebsbehandlung wurde in der medizinischen Literatur erstmals 1866 beschrieben. 1895 wurden die Röntgenstrahlen entdeckt. Kurz danach wurde die Röntgenbestrahlung als die optimale Therapie der Krebsbehandlung erkannt und die Hyperthermie dadurch in einen Dornröschenschlaf versetzt. Erst durch die Entdeckung der Radiowellen, Mikrowellen und der Ultraschallwellen zur lokalen Erwärmung erlebte die Hyperthermie in den letzten fünf Jahren eine Renaissance in der Krebsbekämpfung." So schildert der Grazer Chirurg Professor Julius Kraft-Kinz die Wiederentdeckung dieser Therapieform.

Seit eineinhalb Jahren ist die an der Grazer Universitätsklinik für Chirurgie stehende Anlage (Kostenpunkt fünf Millionen Schilling) - die einzige in Österreich, in ganz Europa gibt es insgesamt sechs - in Betrieb. Sie ermöglicht vor allem über spezielle Meßsonden eine Messung der Temperatur im Tumorbereich sowie eine Regelung auf konstante Temperatureinwirkung.

Zurzeit können sich jeweils acht Patienten in einem vierwöchigen Turnus der Therapie unterziehen. Der Tumor des Patienten wird auf rund 44 Grad Celsius erwärmt, und in rund 80 Prozent der Fälle -die Methode eignet sich besonders gut für Behandlungen im Kiefer-und Hals-Nasen-Ohren-Bereich - konnte eine Rückbildung der bösartigen Geschwulst erreicht werden.

Der größte Vorteil der Hyperthermie gegenüber anderen Methoden ist, daß sie fast ohne Nebenwirkungen abläuft. Für die Kombinationen mit Strahlenbehandlung oder chemotherapeutischen Maßnahmen bedeutet das, daß einerseits die Strahlendosen und andererseits die hochgiftigen Medikamente, die schwerste Nebenwirkungen bei den Patienten hervorrufen, drastisch verringert werden können.

Nach Erfolgen mit der Radio-Thermotherapie gingen die Grazer Mediziner nun auch dazu über, Patienten mit einer Ther-mo-Chemotherapie zu behandeln. Die ersten Erfahrungen damit zeigen, so Professor Kraft-Kinz, „vielversprechende Kombinationsmöglichkeiten".

„Gemeinsam neue Wege gehen" dürfte das Motto der Spezialisten aus den verschiedenen Krebstherapiebereichen für die Zukunft sein. Der Wiener Strahlentherapeut Professor Karl Heinz Kär-cher sieht in einer engeren interdisziplinären Zusammenarbeit mit Chirurgen und Chemothera-peuten sowie der Verwendung neuer Strahlenarten Verbesserungschancen für die Krebsbehandlung.

Eine ideale Verbindung von Chirurgie und Strahlenmedizin gelang kürzlich einem Operationsteam an der Innsbrucker Universitätsklinik. Bei einer Bauchspeicheldrüsenoperation wurde zuerst der Tumor entfernt und anschließend in die Wunde hinein bestrahlt. Eine „ideale Kombination von Messer und Strahlen" nannte der Chirurg Professor Ernst Bodner, der den Eingriff gemeinsam mit Professor Hermann Frommhold (Strahlentherapie) durchführte, den komplizierten Vorgang.

Die Vorteile der Bestrahlung in die offene Wunde: Die kleinen Ausläufer des Tumors, gegen die das Skalpell machtlos ist, können besser bekämpft werden, und durch das Einführen des Bestrahlungsrohres in den Leib kann man mit geringerer Dosis arbeiten; außerdem wird kein dazwischenliegendes Gewebe beschädigt. Der tatsächliche Erfolg wird sich aber erst in einigen Jahren zeigen, da die Reaktion des Körpers beobachtet werden muß.

Doch auch bei der Karzinomchirurgie allein zeichnen sich, wie der Klagenfurter Mediziner Professor Fritz Judmaier im Rahmen der Van-Swieten-Tagung referierte, entscheidende Entwicklungen für die Zukunft ab. „Die bisherige Karzinomchirurgie mit ihren anatomisch-technischen Grundsätzen wird immer mehr ergänzt durch ein betont tumorbiologisches Denken. Die Frage nach den biologischen Kriterien der Geschwulst, das heißt nach ihrer unterschiedlichen Wachstumseigenschaft, dem Maligni-tätsgrad oder der Metastasie-rungstendenz läßt uns den klinischen Verlauf und die Prognose besser vorhersehen und so tumorspezifisch individualisierter vorgehen", erklärte der Chirurg.

Doch neben den Diskussionen über die verschiedenen Therapien beschäftigt die Mediziner immer mehr auch die psychische Betreuung der Krebskranken. Das Gespräch mit dem krebskranken Menschen war daher auch ein wichtiger Tagungsschwerpunkt.

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