Eine Impfung gegen Krebs?

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Wichtige Fortschritte hat die Krebstherapie gemacht: Verbesserte Operationsmethoden undFrüherkennung erhöhen die Überlebenschancen.

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Wichtige Fortschritte hat die Krebstherapie gemacht: Verbesserte Operationsmethoden undFrüherkennung erhöhen die Überlebenschancen.

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Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlägt sie in ein zufriedenes und ausgefülltes Leben - die Diagnose "Krebs". Eben noch gesund, fühlt sich der Patient plötzlich einer Krankheit ausgeliefert, die die Kontrolle über seinen Körper und sein Leben übernommen hat. Rund 35.000 Menschen in Österreich sind jährlich von diesem Schicksal betroffen. Ein dichtes Netz an Vorsorgeuntersuchungen und Fortschritte in Diagnostik und Therapie haben dazu beigetragen, dass der Krebs viel von seinem Schrecken verloren hat.

Die Entfernung einer bösartigen Geschwulst mit dem Skalpell spielte in der Krebstherapie stets eine große Rolle. Noch heute ist die radikale Tumorentfernung bei vielen Krebserkrankungen die Therapie der ersten Wahl. Vor allem bei frühzeitiger Erkennung der Krebsgeschwulst, in einem Stadium, in dem der Tumor noch lokalisiert auftritt, ist die Prognose für die Patienten sehr gut.

Der Chirurg führt dabei seinen Schnitt mit einem Abstand von rund zwei Zentimetern vom Tumor durch. Die Mitnahme des gesunden Gewebes soll sicherstellen, das keine Krebszellen im Körper des Patienten verbleiben. In der Regel werden auch die benachbarten Lymphknoten reseziert, da die Lymphbahnen bevorzugte Ausbreitungswege von Tumorzellen darstellen.

Auf diese Weise soll die Bildung von Tochtergeschwulsten, Metastasen, verhindert werden. Im Anschluss an die Chirurgie erhalten die Patienten eine Nachbehandlung mit Chemo- oder Strahlentherapie, Hormon- bzw. Antihormonbehandlung.

Während früher die Radikaloperationen häufig die Entfernung kompletter Organe bedeutete, wird heute versucht, organerhaltend zu operieren. Besonders gilt das für Brustkrebs. Einerseits wird die Operation dadurch weniger belastend und andererseits spielt die Erhaltung der Brust für das psychische Wohlbefinden der Frauen eine wesentliche Rolle. Bei 70 bis 80 Prozent der Brustkrebsfälle kann auf diese Weise operiert werden. Um ein Rezidiv, das neuerliche Entstehen eines Tumors an der gleichen Stelle zu verhindern, werden die Patientinnen im Anschluss an die Therapie bestrahlt.

Diese Methode kann jedoch nur angewandt werden, wenn die Geschwulst rechtzeitig entdeckt wird. Der Früherkennung kommt daher bei der Prognose des Brustkrebses eine entscheidende Rolle zu. Die jährliche Untersuchung beim Gynäkologen, der auch einen sogenannten Krebsabstrich durchführt, um einen etwaigen Gebärmutterhalskrebs rechtzeitig zu diagnostizieren, ist daher unabdingbar. Die wichtigste Vorsorgemaßnahme ist jedoch die monatliche Selbstkontrolle der Brust auf Veränderungen. Durch Betrachten und Tasten können so bereits kleinste Veränderungen in Form und Größe, oder Knoten im Gewebe entdeckt werden.

Organe erhalten Große Vorteile für die Lebensqualität hat auch die Entwicklung organerhaltender Methoden in der Chirurgie von Tumoren des Enddarms gebracht. Musste vor rund 20 Jahren noch bei der Hälfte der Patienten der komplette Enddarm einschließlich den Schließmuskels entfernt werden, so kann er heute in 95 Prozent der Fälle erhalten werden. Verantwortlich für diese positive Entwicklung sind nicht alleine die Fortschritte in der chirurgischen Technik. Präoperative Strahlen- oder Chemotherapie sind in der Lage, die Geschwulst so weit zurück zu bilden, dass eine Operation möglich wird.

Wer Chemotherapie hört, denkt meist an das Ausfallen von Haaren, Schwäche, Übelkeit und Erbrechen. Diese Nebenwirkungen der hoch potenten Medikamente konnten zwar bisher noch nicht gänzlich ausgeräumt werden. Neue Generationen von Zytostatika, die in den Zyklus von Tumorzellen eingreifen und diese zum Absterben bringen, weisen bei größerer Wirksamkeit jedoch eine wesentlich geringere Rate von Nebenwirkungen auf.

Rund 70 verschiedene Präparate stehen den Onkologen heute in der Krebstherapie zur Verfügung. Meist wird eine Kombination aus zwei oder mehreren Chemotherapeutika eingesetzt, da damit einerseits die Wirkung gesteigert und das Nebenwirkungsprofil verbessert werden kann. Die besten Erfolge mit Zytostatika wurden bei sogenannten chemoempfindlichen Tumoren wie Brustkrebs, Lungenkrebs oder Tumoren des Darmtraktes gemacht.

Gendefekte behandeln Erstaunliche Fortschritte in der Krebstherapie hat die Genetik und die molekulare Medizin gebracht. So ist es heute zum Beispiel möglich gewisse Forme der Leukämie, einer Erkrankung des Knochenmarks, die auf einen Gendefekt zurückzuführen ist, mittels intelligenter Molekülei zu behandeln.

Bei diesen Formen der Leukämie sitzen an der Verbindungsstelle von zwei Chromosomen zwei Gene nebeneinander, die nicht nebeneinander gehören. Diese produzieren gemeinsam ein Protein, das die Zelle zum Wachstum und zur Teilung anregt. Durch die Gabe einer bestimmten Substanz kann die Wirkung des Proteins ausgeschaltet werden, und der Lebenszyklus der Zelle läuft wieder normal ab.

Der Traum von Ärzten und Patienten ist eine Impfung gegen Krebs. Noch ist es nicht so weit. International wird jedoch intensiv an einer Möglichkeit der Immunisierung gegen Krebs geforscht. Ein Durchbruch in der Entwicklung einer Krebsimpfung könnte am Wiener AKH erzielt worden sein. Ein interdisziplinäres Wissenschafterteam um den Onkologen Univ.-Prof. Christoph Zielinsky hat eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, Antigene zu identifizieren, die das körpereigene Abwehrsystem gegen bestimmte Krebszellen aktiviert.

Denkbar ist eine solche Impfung laut Zielinsky gegen eine Reihe von Krebserkrankungen wie Dickdarm- oder Lymphknotenkrebs, HNO-Tumoren oder maligne Melanome. In erster Linie konzentrieren sich die Wissenschafter jedoch auf die prophylaktische und therapeutische Vakzinierung bei Brustkrebs.

Ein Grund für die intensive Beschäftigung mit dem Mamma-Carzinom ist, dass sich Risikogruppen sehr genau bestimmen lassen. So weisen Frauen, in deren Verwandtschaft ersten Grades Fälle von Brustkrebs aufgetreten sind ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko auf, selbst an einem solchen Tumor zu erkranken. Frauen mit Mutationen des Gens BRCA1 weisen gar ein Risiko von 80 Prozent auf, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken.

"Da wir eine sehr intensive Kooperation mit der Abteilung für spezielle Gynäkologie haben, die über eine sehr gute Diagnostik auf dem BRCA1-Gebiet verfügt, würde sich hier eine phrophylaktische Anwendung anbieten", sagt Zielinsky.

Bis zur klinischen Anwendung ist es jedoch noch ein weiter Weg. Derzeit wird der Impfstoff an Mäusen erprobt. Zielinsky: "Wir können Antikörper nachweisen und haben beeindruckende Daten, dass wir gegen gewisse Antigene definierte Immunantworten produzieren können." Vielversprechend ist auch die Tatsache, dass im Tierversuch keine Organschäden, die auf die Vakzinierung zurückgeführt werden können, aufgetreten sind.

Bezüglich des Einsatzes am Menschen schwanken Zielinsky und seine Kollegen noch zwischen Euphorie und Skepsis. "Wir hoffen jedoch, in etwa einem Jahr, mit den ersten Gaben am Menschen beginnen zu können", schließt Zielinsky.

Der Autor ist freier Journalist in Wien.

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