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Mehr Natur in die Schulmedizin ?

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„Was können Naturheilverfahren zur Schulmedizin beitragen?" Dieses Thema (vgl. FURCHE Nr. 38-40/1982) stellten wir zwei bedeutenden österreichischen Ärzten - einem Chirurgen und einem Homöopathen. Nicht Konfrontation, sondern Kooperation zeichnet sich ab.

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„Was können Naturheilverfahren zur Schulmedizin beitragen?" Dieses Thema (vgl. FURCHE Nr. 38-40/1982) stellten wir zwei bedeutenden österreichischen Ärzten - einem Chirurgen und einem Homöopathen. Nicht Konfrontation, sondern Kooperation zeichnet sich ab.

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Die Fortschritte der Schulmedizin sind wohl unbestritten und können nicht angezweifelt werden. Trotzdem gibt es eine große Gruppe speziell von chronisch Erkrankten, welchen durch Anwendung der Mittel der Schulmedizin nur wenig, oder manchmal auch gar nicht geholfen werden kann. Dies sind nicht nur ausschließlich vegetative Dysfunktionen oder Psychosyndrome, sondern auch Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, chronische Schmerzzustände, manchmal auch schulmedizinisch unheilbare Krebserkrankungen.

Der Vorteil naturheilkundlicher Verfahren ist für gewöhnlich deren völlige Unschädlichkeit bei manchmal guten subjektiven und auch objektiven Erfolgen. Natürlich soll hier nicht verschwiegen , werden, daß manche Verfahren der Naturheilkunde infolge kommerzieller Anwendung durch sogenannte Außenseiter oder auch Scharlatane stark in Mißkredit gekommen sind.

Bei objektiver Betrachtung der Thematik muß allerdings festgestellt werden, daß in vielen Fällen eine Zusammenarbeit zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde für den Patienten zweckmäßig wäre.

Naturheilkunde in der Medizin würde bedeuten, daß Mittel auf nicht herkömmlich nachweisbare Weise eine Wirkung ausüben, etwa Pflanzeriextrakte, Medikamente in homöopathischer Darreichung, Akupunktur, Magnetis-I mus und vieles andere.

Unsere eigenen Erfahrungen beziehen sich auf eine sehr große Zahl Krebskranker, die mit Mistelpräparaten behandelt wurden, welche nach den Ideen des Anthroposophen Rudolf Steiner hergestellt und in den letzten Jahrzehnten mehrfach in der Herstellung variiert wurden und damit auch tatsächlich bessere Wirkungen erzielten.

So konnten wir zeigen, daß Frauen mit Brustkrebs durch diese völlig atoxische Behandlung, natürlich nach entsprechender Operation, gleich gute Uberlebenschancen haben wie nach sogenannten toxischen Behandlungsformen, welche zum Unterschied von den Naturheilmitteln mit beträchtlichen Nebenwirkungen einhergehen.

Ob die Langzeitergebnisse tatsächlich ebenbürtig sein, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht entschieden werden, ist allerdings anzunehmen. Auch hier gilt der Grundsatz, daß nicht starr an einer Behandlungsform festgehalten werden darf, sondern daß sofort beim Verdacht auf Unwirksamkeit einer Behandlung eine andere, mitunter eben aufwendigere Behandlung eingesetzt werden muß.

Georg Salzer konnte auch nachweisen, daß nach Operation von Lungenkrebs die Mistelbehandlung hervorragende Ergebnisse in bezug auf Wiederauftreten der Krebskrankheit oder Auftreten von sogenannten Tochtergeschwülsten ergibt. Er verfügt über große Erfahrung auf diesem Gebiet.

Auch bei Mastdarm- und Dickdarmgeschwülsten konnten wir zeigen, daß die Uberlebensrate bei sonst nicht mehr behandelbaren Patienten unter der Mistelbehandlung wesentlich besser ist als bei Behandlung mit anderen Mitteln oder unbehandelten Patienten.

Ein anderes Mittel, durch welches das Krebs Wachstum gehemmt werden kann, ist zum Beispiel der Saft der roten Rübe. Unter gewissen Zusätzen wird dieser Saft heute pharmazeutisch hergestellt und in den Handel gebracht und hat bei vielen Patienten eine Verbesserung der Verträglichkeit der Chemotherapie bewirken können.

An der Grenze zwischen Naturheilverfahren und Schulmedizin stehen Medikamente, welche wohl atoxisch sind, aber auf Grund ihrer Zusammenstellung aus körpereigenen und körperfremden Eiweißen die sogenannte Immunlage des Körpers gegen verschiedene Krankheiten unter anderem auch gegen die Krebskrankheit verbessern und damit eine verbesserte Abwehr gegen die Krankheit oder Wiederauftreten solcher Krankheiten schaffen können. In diese Gruppe gehören die Mittel der sogenannten zyto-plasmatischen Therapie.

Auch gibt es heute Medikamente welche eine Wiedererneuerung der Zellen ermöglichen sollen, wobei der Grundstoff hierfür aus Menschenharn gewonnen wurde. Wir haben versucht bei Krebskranken dieses Mittel anzuwenden, konnten hier allerdings keinerlei Vorteil dieser sehr teuren Therapie finden.

So liegt also das Handicap der meisten Verfahren der Naturheilkunde darin, daß sie meist von monomanisch denkenden Therapeuten durchgeführt werden und sich damit jeglicher objektiven Kontrolle mit meßbaren Parametern entziehen. Dies bedeutet nicht, daß bei bestimmten Patienten derartige Verfahren nicht erfolgreich sein können, bedeutet aber, daß keine der Therapien bis heute eine derart gesicherte Wirkung bringt, daß wir sie als alleinige Therapie etwa der Krebs-krankheU oder anderer chronischer Erkrankungen ansehen können.

Wenn'sich also die Therapeuten der Naturheilkunde objektiven Prüfungen mit entsprechenden Kriterien unterwerfen könnten, würde dies zweifellos viele Vorurteile der Schulmedizin abbauen können, um dann in echter Zusammenarbeit jeden einzelnen chronisch kranken Patienten einer entsprechend gezielten und zweckmäßigen Therapie zuführen zu können.

Keineswegs darf die Naturheilkunde die Fortschritte der modernen Medizin, wie Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie außer acht lassen.

Jede Vorenthaltung entsprechender diagnostischer und therapeutisch gesicherter Maßnahmen muß daher verurteilt werden, ebenso wie ein Schulmediziner bei Unwirksamkeit seiner Maßnahmen dem Patienten mögliche Linderungen durch naturheilkundliche Verfahren nicht vorenthalten darf.

Sicher ist nämlich, daß heute durch schulmedizinische Maßnahmen echte Krebsheilungen in nicht unbeträchtlichem Prozentsatz erreicht werden können, daß aber durch die Mittel der Naturheilkunde derartige Heilungen nicht beweisbar sind.

Es muß also der Naturheilkunde eine wichtige ergänzende Rolle zugesprochen werden, als alleinige Behandlung sollte sie vor allem niemals unkontrolliert angewandt werden, und immer sollte der Kontakt mit der Schulmedizin aufrecht erhalten werden.

Univ.-Prof. Dr. Helmuth Denck ist Vorstand der I. chirurgischen Abteilung im Krankenhaus Wien-Lainz.

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