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Die Kosten dämpfen

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Die von der Privaten Krankenversicherung zu tragenden Mehrkosten der Behandlungen auf der Sonderklasse sind ersten Prognosen zufolge im Jahre 1987 insgesamt um das Dreifache der allgemeinen Inflationsrate gestiegen. Damit haben die Bestrebungen der Versicherer, die Kostenentwicklung zumindest im Rahmen der allgemeinen Teuerungsrate zu halten, nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Der medizinische Fortschritt wird von den Spitalsärzten häufig als alleiniger Kostenverursacher dargestellt, der „zum Wohle der Patienten“ eben in Kauf genommen werden müsse. Selbstverständlich ist überall dort der Einsatz modernster Hochtechnologie zu befürworten, wo er Heilungschancen erhöht und den Genesungsprozeß beschleunigt. Sehr oft geht es aber in Wahrheit nicht darum. Man denke etwa an die Mehrf&hbefun-dungen bei Labor- oder Röntgenuntersuchungen und so weiter. Der Patient kommt mit dem Überweisungsschein seines Hausarztes und neuesten Befunden, die bei niedergelassenen Fachärzten beziehungsweise in Labor- und Röntgeninstituten erstellt wurden, ins Krankenhaus. Statt (zeit- und geldsparend) diese Befunde dort zu verwenden, werden alle Untersuchungen wiederholt, was mit zusätzlichen Strahlenbelastungen, verlängertem Spitalsaufenthalt und psychischer Belastung des Patienten verbunden ist.

Anreize zu solchem unökonomischen Verhalten bestehen seit Jahren; sie werden durch unzweckmäßige Finanzierungsregelungen ausgelöst und durch darauf aufbauende Organisationsformen noch verstärkt. In einem Vortrag zum Thema „Welchen Fehlmotivationen unterliegt der Arzt im Krankenhaus?“ stellte Universitätsprofessor Dr. Otto Wagner fest: „Der Arzt im Krankenhaus füllt die Betten so gut er kann; er läßt die Patienten auch über das Wochenende nicht nach Hause. Er akzeptiert eine unwirtschaftliche Organisation. Dies bedeutet, daß der Ablauf der medizinischen Maßnahmen im Krankenhaus aus betriebswirtschaftlichem Interesse stark verlangsamt wird.“ Die Folgen dieses Fehlverhaltens sind höhere Aufwendungen für Spitalsaufenthalte, die sich im Rahmen der Privaten Krankenversicherung in Prämiensteigerungen für alle Krankenversicherten auswirken. Hier müssen die Versicherer noch stärker als bisher kostendämpfend für ihre Kunden agieren. Dazu ist es aber erforderlich, daß auch der Patient als kritischer und kostenbewußter Konsument handelt und enger und verständnisvoller mit seinem Versicherer zusammenarbeitet. Die fortschreitende Überalterung der österreichischen Bevölkerung macht auch vor der Privaten Krankenversicherung nicht halt. Da der alte Mensch viel krankheitsanfälliger als der junge ist, gerät auch sie laufend unter stärkeren Belastungsdruck. Weil mehr geheilt werden kann als früher, gibt es auch mehr Menschen, die nach .einer Akutbehandlung wohl behindert bleiben, aber doch in Pffege entlassen werden können.

Genau bei diesem Punkt stoßen wir aber auch auf eine vielfach unterschätzte Lücke in unseren Krankenversicherungssystemen. Pflegefälle gelten dort als „nicht krank“ und werden daher auch nicht finanziert. Ein Abschieben dieser Fälle in die Spitäler ist aber zu einem ebenso häufigen wie kostspieligen Mißbrauch der Krankenversicherungen geworden. Die Behandlung in den Akutbetten ist gewiß die teuerste aller Varianten.

Nach neuesten Plänen der Regierung soll nun anläßlich einer Novelle des Krankenanstaltengesetzes der Begriff „Pflegeheim“ definiert werden. Ist diese Abgrenzung gelungen, dann sollen die Financiers des Gesundheitswesens die Unterbringung in derart qualifizierten Häusern finanzieren. Die Kosten eines Pflegeheimes sind weit niedriger als die eines Spitals.

Gleichzeitig müssen allerdings die heute zweckentfremdet verwendeten Akutbetten abgebaut werden. Auch die Hauspflege, die noch kostengünstiger ausfällt, soll forciert werden. Die Privaten Krankenversicherer werden dazu neue Pflegeversicherungsformen in ihr Angebot aufnehmen, sodaß künftig mehr Menschen zu weitaus geringeren Kosten zu Hause oder in Pflegeheimen versorgt werden können.

Besondere Bedeutung für die steigende Belastung der Privaten Krankenversicherung kommt der ständigen Zunahme der Häufigkeit von Spitalsfällen auch bei jüngeren Patienten zu. Die Ursache dafür liegt nicht etwa in einem schlechteren Gesundheitszustand der Bevölkerung, sondern in einem wenig attraktiven finanziellen Abgeltungssystem für die Behandlung außerhalb der Krankenhäuser. So erhält zum Beispiel ein praktischer Arzt in Wien von der Gebietskrankenkasse für einen Krankenscheck rund 200 Schilling pro Quartal. Da nur ein Sammeln möglichst vieler Krankenschecks dem praktischen Arzt ein entsprechendes Einkommen gewährleistet, kann er den einzelnen Patienten nur wenig Zeit widmen („Dreiminutenmedizin“). Überall dort, wo zeitaufwendige Untersuchungen oder Behandlungen erforderlich sind, erfolgt eine Überweisung ins Krankenhaus.

Im Rahmen der Bemühungen der Privaten Krankenversicherung, die Steigerungsrate der Prämien „einzubremsen“, ist also auch die Reduzierung jener Krankenhausfälle, die bei gleicher medizinischer Qualität wesentlich kostengünstiger außerhalb des Spitals behandelt werden können, von größter Bedeutung. Immerhin sind das über ein Drittel aller Spitalsfälle.

Erste Schritte in Richtung stärkerer Betonung der ambulanten Medizin wurden durch die Private Krankenversicherung dadurch getan, daß sie die Finanzierung ambulanter Operationen in ihr

Angebot aufgenommen hat. Jeder Leistungsfall in der Privaten Krankenversicherung wird ja ausschließlich aus den Prämien der Versicherten bezahlt. Wenn die Krankenhausrechnungen so hohe Beträge aufweisen, daß die vereinbarten Leistungen und die dafür kalkulierten nicht mehr ausreichen, müssen (bei Garantietarifen) Anpassungen der Leistungen und Prämien erfolgen.

Jeder Privatversicherte sollte sich also der Tatsache bewußt sein, daß seine Krankenhausrechnungen von „heute“ die Prämien von „morgen“ beeinflussen. Die Prämien der Spitalszusatzversicherungen wurden für die Behandlung ernster Krankheiten kalkuliert, die entweder überhaupt nicht ambulant oder nicht risikolos ambulant behandelt werden können. Jede darüber hinausgehende Inanspruchnahme belastet alle Versicherten. Es kann also auf die Prämienentwicklung Auswirkungen haben, wenn Patienten sich für die entstehenden Kosten interessieren, die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthaltes überlegen und zum Beispiel bei einer am Freitag abgeschlossenen Behandlung die Frage stellen, warum die Entlassung aus dem Spital erst am Montag erfolgen soll. Die Behandlung und Heilung von Krankheiten ist zwar ein wesentlicher Bereich des Gesundheitswesens, aber nicht der einzige. Die Verhütung von Krankheiten im Sinne von Erhaltung der Gesundheit vermag in einer Reihe von Fällen nicht nur irreparable Gesundheitsschäden zu vermeiden, sondern ist überdies zumeist kostengünstiger.

Oer Autor Ist Generaldirektor der Austria-Versl-cherung.

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