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Hilfe ohne Spital

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Die privaten Krankenversiche-rer Österreichs bekennen sich zur Idee eines integrierten Sozial- und Gesundheitswesens, in welchem der Patient dort betreut wird, wo dies am menschlichsten und am wirtschaftlichsten bewirkt werden kann.

Die ist in Fällen komplizierter bzw. lebensbedrohlicher Krankheiten das Spital. Keine andere Institution vermag eine solche Fülle an Dienstleistungen in kürzester Zeit und auf einem Ort konzentriert zu bieten. Für Pa-

tienten, die durch akute Krankheiten oder Unfälle gefährlich geschädigt worden sind, ist das Spital von der personellen wie maschinenmäßigen Ausstattung her, durch nichts ersetzbar. Trotz dieser Tatsache wird jedoch von immer mehr Experten des Gesundheitswesens die Vermehrung ambulanter Betreuung gefordert. Wo liegen die Gründe für diese Reaktion der Experten? Die Antwort ist einfach: In den Spitälern werden in zunehmendem Maße eine Reihe von einfachen Krankheiten behandelt, die - bei gleicher medizinischer Qualität - unter geringer Belastung des Patienten und vor allem wesentlich kostengünstiger ambulant behandelt werden könnten.

Schuld an dieser Entwicklung ist das in Österreich vorherrschende Finanzierungssystem, das Pau-schalhonorierung der Spitäler durch die Krankenversicherungsträger und die öffentliche Hand vorsieht. Der Spitalserhalter bekommt für leicht erkrankte Patienten, an denen er wesentlich weniger Dienstleistung erbringen muß, die gleichen Pauschalsätze wie für schwerkranke.

Der ökonomische Anreiz, lieber „leichte Fälle" aufzunehmen, hat in den beiden letzten Jahrzehnten zu einer drastischen Vermeh-

rung bzw. einem Überangebot an teuren Akutbetten geführt.

Da im Gesundheitswesen die Nachfrage weitgehend abhängig ist vom Angebot, vermehrte sich auch die Anzahl der stationären Behandlungsfälle sehr schnell. Für einen Patienten, der nicht an einer schweren Krankheit leidet, ist ein Aufenthalt in einem Spital mit Belastungen - meist psychischer Natur - verbunden.

# Er kommt in eine für ihn ungewohnte Umgebung und muß sein Krankenzimmer mit (oft) sehr kranken Menschen teilen. Der Anblick dieser Leiden und der eingeengte Kommunikationsrahmen drücken auf sein Gemüt.

# Der Kontakt mit gesunden Menschen ist aus zwei Gründen stark reduziert. Ärzte und Pflegepersonal müssen sich den Schwerkranken wesentlich mehr widmen als den „leichten Fällen". Am härtesten trifft diese schließlich das minimale Ausmaß des Informationsaustausches mit dem Arzt.

Aber - um den zweiten Grund zu nennen - auch der Kontakt zu Verwandten, Freunden und Bekannten ist wegen der eingeschränkten Besuchszeiten reduziert.

# Die für Schwerkranke bestimmte Spitalskost kann zusätzlich Auswirkungen zeigen.

Durch den Aufenthalt in der Sonderklasse eines Spitals ist es möglich, all die geschilderten Erscheinungen auf ein Minimum zu reduzieren. Trotzdem gehören leichte und mittelschwere Fälle nicht ins Spital. Dieser Tatsache stimmen viele zu, solange sie gesund sind.

Das System des Gesundheitswesens wird nicht nur durch das Angebot und die Interessen der Finanzierungspartner geprägt. Es sind auch die Urängste des Menschen, des potentiell todkranken Menschen, die stark auf das System wirken.

Im Spitalsbereich argumentiert man mit den neuesten Erkennt-

nissen, den neuesten Behandlungsmethoden und dem Fortschritt der Medizintechnik, die alle zum Wohle des Patienten immer teurere Behandlungsmethoden rechtfertigen.

Da die Kosten in unserem Gesundheitswesen kaum mehr zu bezahlen sind, wird eine Umschichtung von der stationären zur ambulanten Behandlung überall dort vorgeschlagen, wo die Gleichwertigkeit der Behandlung gewährleistet ist: Das ist z. B. die Diagnostik.

Die Krankenhausbehandlung wird noch immer durch die enormen Kosten der stationären Diagnostik belastet, obwohl längst erwiesen ist, daß die Diagnose (bis auf Ausnahmefälle) ambulant in gleicher Qualität zu weit niedrigeren Preisen geleistet werden kann. Auch können bei ambulanter Diagnostik Mehrfachuntersuchungen - soweit nicht medizinisch erforderlich - vermieden werden.

Auch Nachbehandlung und Kontrollen nach einem stationären Aufenthalt, prä- und postoperative Untersuchungen und Behandlungen sowie die Betreuung chronisch Kranker wären aus der stationären Behandlung zu nehmen.

Die Motivation aller Beteiligten zur Bereitschaft, extramural (also außerhalb des Spitals) mehr zu leisten, ist notwendig. Der Kranke muß unbedingt die Überzeugung gewinnen, daß Behandlungen in Praxen und Ambulatorien durchaus einer stationären Behandlung gleichwertig sind. An dieser Motivation des Patienten müssen nicht zuletzt die niedergelasse-

nen und die Anstaltsärzte gemeinsam interessiert sein. Viele gesetzlich Krankenversicherte stört es, daß in bezug auf intensive ambulante Behandlungen relativ hohe Selbstbehalte von den Krankenversicherungsträgern stufenweise eingeführt werden. So wird z. B. für jedes Medikament ab 1. 1. 1985 eine Rezeptgebühr von S 21- zu bezahlen sein.

Für Personen, die etwa nach einer Operation einen hohen Bedarf an nur einmalig verwendbaren Hilfsmitteln haben, kann der Selbstbehalt schon einige hundert Schilling ausmachen; bei Angehörigen sogar einige tausend Schilling. Die gewerbliche Sozialversicherung z. B. sieht generell Selbstbehalte von 20 Prozent vor (soweit gewisse Höchstbeträge nicht überschritten wurden).

Die PKV kann im Rahmen ihres Tarifwerkes, aber auch durch Aufklärungskampagnen viel zur Motivation in bezug auf ambulante Behandlung beitragen.

Die privaten Krankenversicherer Österreichs bieten in Ergänzung zu den Spitalszusatzversicherungen äußerst kostengünstige ambulante Tarife an. Diese ermöglichen eine Behandlung als Privatpatient, d. h. ohne Wartezeiten und mit anderem Komfort. Bei ambulanter ärztlicher Behandlung werden nicht nur die Arztkosten, sondern auch Heil- und Hilfsmittel sowie Medikamentenkosten bzw. große Selbstbehalte bis zur vereinbarten Versicherungssumme fast zur Gänze vergütet.

Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang auch bleiben, daß (laut Statistik der PKV) Versicherungsgesellschaften bei Kombination ambulanter Tarife mit Spitalszusatzversicherungen in der Variante „mit Beitragsrückvergütung" sehr hohe Vergütungen (bis zu vier Monatsbeiträgen) auszahlten.

Der Autor ist Pressechef der Austria Versicherung

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